Ökologische Dienstleistungen

von Julia Steil

Seit jeher bezogen Menschen aus ihrer Umwelt die für ihr Überleben wichtigen Güter. Lange Zeit wurde angenommen, dass diese „Dienstleistungen der Natur" gratis und unerschöpflich seien. Inzwischen aber hat man erkannt, dass dem nicht so ist. Der Eingriff des Menschen in die Ökosysteme der Erde ist so gravierend geworden, dass die für ihn lebensnotwendigen Funktionen verloren gehen. Was Edward O. Wilson einmal über Ameisen gesagt hat, trifft jedoch auch auf Ökosysteme zu: Wir brauchen sie unabdingbar, aber sie brauchen uns nicht im Geringsten (2). In den letzten 50 Jahren haben die Menschen die Ökosysteme schneller und umfangreicher verändert als jemals zuvor in vergleichbaren Zeiträumen der Menschheitsgeschichte. Der Grund war vor allem die schnell wachsende Nachfrage nach Energie, Nahrung, Wasser, Holz und anderen Rohstoffen. Dass dabei die Ökosysteme häufig stark beeinträchtigt und teilweise sogar zerstört wurden, nahm man billigend in Kauf, solange der wirtschaftliche Wohlstand als Ausrede herhalten konnte. Viel zu lange wurde übersehen, dass die Veränderungen von Ökosystemen auch ganz konkrete gesundheitliche und wirtschaftliche Verluste bedeuten können. Die Dienstleistungen der Ökosysteme (engl. ecosystem services) definierte G. Daily (1997) als Güter und Leistungen, die dem Menschen durch das Ökosystem bereitgestellt werden. Sie lassen sich nach dem Millennium Ecosystem Assessment (8) in folgende Kategorien einteilen: Versorgungsleistungen: Am Beispiel des Ökosystems Weinberg ist das z. B. die Erzeugung der Güter Trauben und Brennholz. Regulationsleistungen: Im Weinberg tragen Kultur- und Wildpflanzen zur Stabilisierung des Standortklimas und des Wasserhaushaltes sowie zur Reinigung von Luft und Wasser bei. Kulturleistungen: Ein Weinberg hat einen hohen kulturellen und ästhetischen Wert. Prozesse, die andere Ökosystemdienstleistungen aufrechterhalten: z. B. Photosynthese, Bodenbildung und Bestäubung. Durch Habitatzerstörung, Erosion und Klimawandel werden Ökosysteme destabilisiert, womit sie zahlreiche wichtige ökologische Dienstleistungen, die sie uns quasi unbemerkt zur Verfügung stellen, nicht mehr aufrechterhalten können. Landwirtschaft, Verkehr, Energieverbrauch und Infrastrukturentwicklung sind hier als maßgebende Ursachen zu nennen (1). Ein Grund für die ungehemmte Übernutzung unserer Ressourcen besteht nicht zuletzt darin, dass der Wert von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen lange Zeit übersehen wurde. Der moderne Mensch hat vergessen, wie existenziell er mit seiner Umwelt verbunden ist. Lange Zeit schienen wir zu glauben, dass wir in gewisser Weise unabhängig von unserer Umwelt existieren und die natürlichen Systeme verändern können, ohne unter den nachfolgenden Auswirkungen leiden zu müssen. (2) [caption id="attachment_1696" align="aligncenter" width="600" caption="Ökosystem Mythopia - Weinberg des Delinat-Instituts"][/caption] Viele Menschen sind besorgt über den hohen Pestizidverbrauch, der unsere Umwelt vergiftet und die Qualität unserer Lebensmittel mindert. Aber wer denkt schon daran, dass durch die Unterstützung der natürlichen Feinde von Schädlingen viel geringere Spritzmittelmengen notwendig wären? (3) Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass Insekten uns einen großen Dienst erweisen, indem sie Pflanzen bestäuben. Was aber würde es kosten, wenn dies plötzlich von Maschinen oder Menschen getan werden müsste? Einige kompetente Wissenschaftler nehmen an, dass wir ohne Insekten nur wenige Monate überleben könnten. „Ihr Verschwinden würde zu einem gewaltigen Massensterben in der Pflanzenwelt führen, dem in kürzester Zeit auch der Mensch zum Opfer fiele, denn ein Drittel aller menschlichen Nahrungsmittel und viele Futterpflanzen sind direkt auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen." (6) Die große Schwierigkeit besteht darin, dass sich solche Szenarien kaum in ökonomischen Kategorien fassen lassen. Für die meisten von der Natur erbrachten Leistungen existiert kein Markt. Eine Forschergruppe um den Ökonom Robert Costanza wagte vor etwa zehn Jahren den Versuch, den Gesamtwert der Ökosystemdienstleistungen und -güter zu schätzen: Ihre Schätzung belief sich auf 33 Billionen US-Dollar pro Jahr, während das weltweite Bruttosozialprodukt zum Zeitpunkt der Studie etwa 18 Billionen US-Dollar pro Jahr betrug. Eine andere Studie: „The Economics of Ecology and Biodiversity (TEEB)" macht darauf aufmerksam, dass die Kosten, die bei Unterlassen des Schutzes der Biodiversität anfallen würden, sich bis zum Jahr 2050 auf 14 Billionen US-Dollar (bezogen auf das Basisjahr 2000) belaufen würden (6). Was also ist zu tun? Ithaka-Kommentar Das Delinat-Institut erarbeitet derzeit Modelle zur Berechnung ökologischer Dienstleistungen im Wein- und Obstbau, was in einem zweiten Schritt auf die allgemeine Landwirtschaft übertragen werden soll. Das DI ist des Weiteren engagiert, die Direktzahlungen für die Landwirtschaft künftig an ein System ökologischer Dienstleistungen zu binden. Wir plädieren zudem dafür, von Beginn an Klimazertifikate für die Landwirtschaft durch viel umfassendere Zertifikate für ökologische Dienstleistungen zu ersetzen. Ithaka wird die diesbezüglichen Entwicklungen mit weiteren Artikeln begleiten. (hps) Neben der Notwendigkeit, genauere Kenntnisse über den Zustand unserer Umwelt, ihre Dienstleistungen und deren Bedeutung für die Gesellschaft zu gewinnen, muss der Wert von Biodiversität auch ökonomisch greifbar gemacht werden. Nur so kann Naturschutz effektiv in das bestehende Wirtschaftssystem integriert werden. Beispielsweise wäre hier das Business and Biodiversity Offset Programme (BBOP) als Instrument zu nennen. Es erlaubt international tätigen Firmen, Schäden an Biodiversität und Ökosystemen, die durch ihre Geschäftstätigkeit entstehen, freiwillig und in unmittelbarer Nähe des Schadens zu kompensieren. Allerdings ist wegen der Komplexität von Wertschöpfungsketten der genaue Ort des Schadens häufig nicht bekannt und aufgrund der Komplexität von natürlichen Prozessen ist es oft schwierig, die Ökosystemdienstleistungen genauer zu quantifizieren. (7) Umso mehr gilt es, möglichst rasch praktikable Modelle zur Evaluierung ökologischer Dienstleistungen zu entwickeln und diese zügig in die landwirtschaftliche Praxis umzusetzen. Literaturhinweise siehe: hier

Seit jeher bezogen Menschen aus ihrer Umwelt die für ihr Überleben wichtigen Güter. Lange Zeit wurde angenommen, dass diese „Dienstleistungen der Natur" gratis und unerschöpflich seien. Inzwischen aber hat man erkannt, dass dem nicht so ist. Der Eingriff des Menschen in die Ökosysteme der Erde ist so gravierend geworden, dass die für ihn lebensnotwendigen Funktionen verloren gehen. Was Edward O. Wilson einmal über Ameisen gesagt hat, trifft jedoch auch auf Ökosysteme zu: Wir brauchen sie unabdingbar, aber sie brauchen uns nicht im Geringsten (2).

schneckeIn den letzten 50 Jahren haben die Menschen die Ökosysteme schneller und umfangreicher verändert als jemals zuvor in vergleichbaren Zeiträumen der Menschheitsgeschichte. Der Grund war vor allem die schnell wachsende Nachfrage nach Energie, Nahrung, Wasser, Holz und anderen Rohstoffen. Dass dabei die Ökosysteme häufig stark beeinträchtigt und teilweise sogar zerstört wurden, nahm man billigend in Kauf, solange der wirtschaftliche Wohlstand als Ausrede herhalten konnte. Viel zu lange wurde übersehen, dass die Veränderungen von Ökosystemen auch ganz konkrete gesundheitliche und wirtschaftliche Verluste bedeuten können.

Die Dienstleistungen der Ökosysteme (engl. ecosystem services) definierte G. Daily (1997) als Güter und Leistungen, die dem Menschen durch das Ökosystem bereitgestellt werden. Sie lassen sich nach dem Millennium Ecosystem Assessment (8) in folgende Kategorien einteilen:

  1. Versorgungsleistungen: Am Beispiel des Ökosystems Weinberg ist das z. B. die Erzeugung der Güter Trauben und Brennholz.
  2. Regulationsleistungen: Im Weinberg tragen Kultur- und Wildpflanzen zur Stabilisierung des Standortklimas und des Wasserhaushaltes sowie zur Reinigung von Luft und Wasser bei.
  3. Kulturleistungen: Ein Weinberg hat einen hohen kulturellen und ästhetischen Wert.
  4. Prozesse, die andere Ökosystemdienstleistungen aufrechterhalten: z. B. Photosynthese, Bodenbildung und Bestäubung.

Durch Habitatzerstörung, Erosion und Klimawandel werden Ökosysteme destabilisiert, womit sie zahlreiche wichtige ökologische Dienstleistungen, die sie uns quasi unbemerkt zur Verfügung stellen, nicht mehr aufrechterhalten können. Landwirtschaft, Verkehr, Energieverbrauch und Infrastrukturentwicklung sind hier als maßgebende Ursachen zu nennen (1). Ein Grund für die ungehemmte Übernutzung unserer Ressourcen besteht nicht zuletzt darin, dass der Wert von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen lange Zeit übersehen wurde. Der moderne Mensch hat vergessen, wie existenziell er mit seiner Umwelt verbunden ist. Lange Zeit schienen wir zu glauben, dass wir in gewisser Weise unabhängig von unserer Umwelt existieren und die natürlichen Systeme verändern können, ohne unter den nachfolgenden Auswirkungen leiden zu müssen. (2)

mythopia-herbst
Ökosystem Mythopia - Weinberg des Delinat-Instituts

Viele Menschen sind besorgt über den hohen Pestizidverbrauch, der unsere Umwelt vergiftet und die Qualität unserer Lebensmittel mindert. Aber wer denkt schon daran, dass durch die Unterstützung der natürlichen Feinde von Schädlingen viel geringere Spritzmittelmengen notwendig wären? (3) Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass Insekten uns einen großen Dienst erweisen, indem sie Pflanzen bestäuben. Was aber würde es kosten, wenn dies plötzlich von Maschinen oder Menschen getan werden müsste? Einige kompetente Wissenschaftler nehmen an, dass wir ohne Insekten nur wenige Monate überleben könnten. „Ihr Verschwinden würde zu einem gewaltigen Massensterben in der Pflanzenwelt führen, dem in kürzester Zeit auch der Mensch zum Opfer fiele, denn ein Drittel aller menschlichen Nahrungsmittel und viele Futterpflanzen sind direkt auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen." (6)

Die große Schwierigkeit besteht darin, dass sich solche Szenarien kaum in ökonomischen Kategorien fassen lassen. Für die meisten von der Natur erbrachten Leistungen existiert kein Markt. Eine Forschergruppe um den Ökonom Robert Costanza wagte vor etwa zehn Jahren den Versuch, den Gesamtwert der Ökosystemdienstleistungen und -güter zu schätzen: Ihre Schätzung belief sich auf 33 Billionen US-Dollar pro Jahr, während das weltweite Bruttosozialprodukt zum Zeitpunkt der Studie etwa 18 Billionen US-Dollar pro Jahr betrug. Eine andere Studie: „The Economics of Ecology and Biodiversity (TEEB)" macht darauf aufmerksam, dass die Kosten, die bei Unterlassen des Schutzes der Biodiversität anfallen würden, sich bis zum Jahr 2050 auf 14 Billionen US-Dollar (bezogen auf das Basisjahr 2000) belaufen würden (6). Was also ist zu tun?

Ithaka-Kommentar

Das Delinat-Institut erarbeitet derzeit Modelle zur Berechnung ökologischer Dienstleistungen im Wein- und Obstbau, was in einem zweiten Schritt auf die allgemeine Landwirtschaft übertragen werden soll. Das DI ist des Weiteren engagiert, die Direktzahlungen für die Landwirtschaft künftig an ein System ökologischer Dienstleistungen zu binden. Wir plädieren zudem dafür, von Beginn an Klimazertifikate für die Landwirtschaft durch viel umfassendere Zertifikate für ökologische Dienstleistungen zu ersetzen. Ithaka wird die diesbezüglichen Entwicklungen mit weiteren Artikeln begleiten. (hps)

Neben der Notwendigkeit, genauere Kenntnisse über den Zustand unserer Umwelt, ihre Dienstleistungen und deren Bedeutung für die Gesellschaft zu gewinnen, muss der Wert von Biodiversität auch ökonomisch greifbar gemacht werden. Nur so kann Naturschutz effektiv in das bestehende Wirtschaftssystem integriert werden. Beispielsweise wäre hier das Business and Biodiversity Offset Programme (BBOP) als Instrument zu nennen. Es erlaubt international tätigen Firmen, Schäden an Biodiversität und Ökosystemen, die durch ihre Geschäftstätigkeit entstehen, freiwillig und in unmittelbarer Nähe des Schadens zu kompensieren. Allerdings ist wegen der Komplexität von Wertschöpfungsketten der genaue Ort des Schadens häufig nicht bekannt und aufgrund der Komplexität von natürlichen Prozessen ist es oft schwierig, die Ökosystemdienstleistungen genauer zu quantifizieren. (7) Umso mehr gilt es, möglichst rasch praktikable Modelle zur Evaluierung ökologischer Dienstleistungen zu entwickeln und diese zügig in die landwirtschaftliche Praxis umzusetzen.

Literaturhinweise siehe: hier

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