Weinberge als Lebensräume für Reptilien
von Klaus-Bernhard Kühnapfel
Echsen, Schlangen und Schildkröten sind europaweit auf dem Rückzug, überall werden sie seltener oder verschwinden. Und das, obwohl sie gesetzlich strengen Schutz genießen. Doch was nützt dieser Schutz, wenn die ursächlichen Veränderungen der Landnutzung weitergehen: Monokulturen und Chemieeinsatz, fortschreitende Verkehrserschließung und Zersiedlung. Der Rückgang der Reptilien ist ein untrüglicher Indikator dafür, dass sich die Landschaft und ihre ursprünglichen Habitate verändern. Wo finden wir heute noch Lesesteinhaufen, alte Steinmauern mit Unterschlupfmöglichkeiten oder wild wucherndes Brombeergeschling?
Kriechtiere oder Reptilien, die bereits weit vor den Säugetieren und uns Menschen diese Erde besiedelten, haben heute nur eine Chance zu überleben, wenn ihre letzten Rückzugsgebiete erhalten und neue entwickelt werden. Weinberge könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, wenn sie exponierte Plätze fürs Sonnenbad, gute Versteckmöglichkeiten und ausreichend Nahrung bieten.
Wein benötigt zur Reife Wärme und Sonne, das hat er mit den Reptilien gemein. Deshalb sind Weinberge grundsätzlich günstig als Lebensraum für diese Tiere. Südexponierte Hänge mit Steinmauern und geringer Bodenvegetation sind ideale Refugien. Die wechselwarmen Tiere finden hier genügend Sonne um ihre notwendige Aktivitätstemperatur zu erreichen, die sie für die Jagd, aber auch für die schnelle Flucht vor Feinden brauchen.
In naturnahen Weinbergen, die neben den Rebzeilen auch Biotopstrukturen für Reptilien enthalten, können zahlreiche Arten vorkommen. Neben Mauereidechse und Smaragdeidechse finden Blindschleichen, Waldeidechsen, Zauneidechsen, Glattnattern, Kreuzottern und sogar die seltene Aspisviper geeignete Lebensbedingungen. Kommen Gewässer im Weinberg vor, können sich auch Ringelnatter oder Würfelnatter ansiedeln. Doch nur dann, wenn den Tieren nicht durch Chemieeinsatz die Nahrungsgrundlage entzogen oder sie durch grobe Bearbeitungstechniken verletzt werden.
Reptilien haben einen Anspruch aufs Überleben, denn ihre Existenz ist eine Bereicherung für uns alle. Zudem haben sie wichtige Funktionen in den ökologischen Nahrungsnetzen. Sie vertilgen eine Unzahl von Würmern, Schnecken und Insekten und dienen vielen Vögeln und räuberischen Säugern als Nahrung. Sie sind deshalb ein wichtiger Faktor für die Balance des ökologischen Systems. Sie verhindern Massenvermehrungen ihrer Beutetiere und werden selbst von Beutegreifern in Zaum gehalten. Das Vorkommen von Reptilien wirkt ausgleichend auf das ökologische Gesamtgefüge, was auch der Weinproduktion zugute kommen kann.
Es ist nicht schwer, geeignete Habitatstrukturen für Reptilien in Weinbergen anzulegen. Wichtig sind Versteckmöglichkeiten wie Mauerritzen, Steinhaufen oder Erdhöhlen, in die sich die Tiere zurückziehen können. In der Nähe davon müssen sich schnell aufwärmende Sonnplätze befinden. Besonders gut geeignet sind Natursteinmauern oder Lesesteinhaufen, die in keinem Weinberg fehlen sollten. Auch langsam verrottende Holzstapel bieten gute Versteckmöglichkeiten. Anspruchsvollere Arten, besonders Schlangen bevorzugen zudem Dornengeschling über ihren Verstecken. Es bedarf also auch ungenutzter, verwilderter Teilbereiche in einem Weinberg, um allen Arten geeignete Lebensbedingungen zu bieten. Es muss zudem ein reiches Angebot bodenbewohnender Insekten und anderer wirbelloser Tiere als Nahrungsbasis vorhanden sein. Das gibt es nur in Weinbergen mit hoher Strukturdiversität und ohne Gifteinsatz.
Viele Menschen haben Angst vor Reptilien und insbesondere vor Schlangen. Dabei sind die meisten Arten ungefährlich, in Mitteleuropa ist nur bei Kreuzotter und Aspisviper Vorsicht geboten. Giftschlangen sind Bodenbewohner, die nicht in Bäume oder Sträucher klettern. Bei der Arbeit an den Reben besteht deshalb keine Gefahr, es sei den man tritt Versehens auf die Tiere. Unfälle lassen sich bei einigen Verhaltensgrundsätzen aber leicht vermeiden. Mit festen und langen Hosen sowie derben Schuhen kann man das Risiko eines Schlangenbisses im Weinberg sehr gering halten. Fühlen sie sich bedroht, machen Giftschlangen sich meist durch ein zischelndes Geräusch bemerkbar. Dann muss man sich langsam zurückziehen, um der Schlange Gelegenheit zur Flucht zu bieten. Viele Schlangenbisse sind lediglich auf Unachtsamkeit oder Leichtsinnigkeit zurückzuführen.
Die Reptilien brauchen zum Überleben dringend unsere Hilfe. Dabei bedarf es nicht viel, um diesen Geschöpfen auch zukünftig geeignete Lebensräume besonders in Weinbergen zu bieten. Bei Einhaltung der genannten Mindestanforderungen kann Weinbau auch unmittelbar Artenschutz bedeuten.
Chantal
07.04.2009 19:24
Als Ergänzung:
Das Gift der heimischen Kreuzotter ist für Mäuse dimensioniert. Auch wenn es nicht lustig ist, von einer gebissen zu werden und man auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen sollte (besonders wegen möglicher Infektion der Wunde), so besteht doch kein Grund zur Panik.
Michael
10.04.2009 11:49
Ich muss sagen diese Fotos sind echt sehr gut gemacht, ich werde zwar ein bisschen nervös...:)aber ich finde sie sind echt professionell.Sehr schön!
toniB
11.10.2013 06:30
Dieser Beitrag zeigt, dass wir auch selbst durch Kleinigkeiten etwas zur Arterhaltung beitragen können. Ganz nebenbei sind diese Arten Nützlinge und helfen uns bei der Vermeidung von Giften. (Schon interessant, dass meine Rechtschreibprüfung "Nützlinge" unterstreicht, weil das Wort unbekannt ist, bei "Schädlingen" passiert nichts)
Wir Menschen neigen immer dazu, den Anderen zu sagen, was zu tun sei. Z.B. Den Brasilianern, dass sie den Regenwald nicht abholzen sollen, was zugegebenermaßen schlimm ist, aber ganz nebenbei betoniert ein kleines Land wie Österreich täglich 6 ha zum Teil beste Böden zu, damit die Wirtschaft weiter sinnlos wachsen, oder eine Straße breiter gemacht werden kann. Wir sagen auch den Afrikanern, sie sollen die Elefanten und Löwen nicht ausrotten - auch ich möchte, dass keine Art von der Welt verschwindet, aber haben sie schon einmal einen Elefanten in einem Maisfeld gesehen oder ein Rudel Löwen, die eine Siedlung bedrohen?...(Vergleich mit der Kreuzotter :-) Dieser Beitrag zeigt, dass wir bei uns selber anfangen müssen, etwas zu verändern und das braucht in diesem Fall nur ein paar Steinhaufen in einer sonnigen Lage.
toniB
18.11.2013 21:05
Leider muss ich meinen o. a. Beitrag in negativer Hinsicht korrigieren,
In unserem winzigen Österreich, werden täglich 22,4 ha landwirtschaftliche Nutzfläche in besten Lagen zubetoniert. *)
Das sind 2,6 m2 pro Sekunde !!! - Jede Stunde ( 24 / 7 ) mehr als 9.000 m2
*) Quelle: Blick ins Land 11/2013
Beobachtungszeitraum 2009 - 2013