Biokohle statt Nahrungsmittel?

von Arsène Séverin

Für manche Bauern im Kongo lohnt sich das Abholzen von Wäldern mehr als der mühsame Ackerbau. Das Holz wird zur Gewinnung von Holzkohle verwendet. Doch anstatt in den nährstoffarmen afrikanischen Böden für erhöhte Fruchtbarkeit zu sorgen, wird die Holzkohle in die Städte verkauft. Dort dient sie der städtischen Mittelschicht zum Kochen. Die Ökobilanz ist ebenso katastrophal wie die Klimabilanz und ein Grund, weshalb in Afrika die Biokohle auch als Gefahr wahrgenommen wird.

Im Süden der zentralafrikanischen Republik Kongo, im Bezirk Pool, sind die Tage der Bäume gezählt. In großen Mengen warten Holzbündel und Säcke mit Holzkohle am Rand der 75 Kilometer langen Verbindungsstraße zwischen Kinkala und der Landeshauptstadt Brazzaville darauf, verladen und nach Brazzaville verfrachtet zu werden. Die Haufen signalisieren das bedrohliche Ausmaß des gesetzlich verbotenen Raubbaus, an dem die Bauern seit dem vor sieben Jahren beendeten Bürgerkrieg weit mehr verdienen als mit der Feldarbeit.

Auf einem Fahrrad balanciert ein Kongolese säckeweise Holzkohle (Foto: Miriam Mannak/IPS)
Auf einem Fahrrad balanciert ein Kongolese säckeweise Holzkohle (Foto: Miriam Mannak/IPS)

"Wovon sollen wir denn leben?", fragt eine Bäuerin aus Mabaya. Mit dem Verkauf von Brennholz ließen sich alle drei Monate umgerechnet 3.000 Dollar verdienen. "Wer hier Land erwirbt, macht aus dem Baumbestand lieber schnell Holzkohle - anstatt mühsam etwas zu pflanzen und zwei Jahre bis zur ersten Maniokernte zu warten", klagte Virgil Safoula von der Organisation 'Environment et développement des initiatives communaires' (EDIC).

"Selbst Mango-, Avocado- und Safou-Bäume fallen der Axt zum Opfer und landen in den Kohlemeilern", berichtete der in Kinkala lebende Grundbesitzer Emmanuel Sengomona. "Hier ist fast die ganze Umgebung abgeholzt." Der in der Distriktsverwaltung für den Umweltschutz zuständige Direktor Prosper Mayembo. befürchtet, dass der Kahlschlag aus Pool eine Wüste machen wird. "Ohne Landwirtschaft werden wir hier verhungern", stellte er fest.

Nach dem Raubbau droht Hunger

Manche Bauern bringen es im Vierteljahr auf fast 300 Säcke Holzkohle. Ein 15-Kilo-Sack lässt sich in der Hauptstadt für umgerechnet zehn US-Dollar verkaufen. Anstatt selbst etwas anzubauen und zu ernten, versorgen sich die Bauern in Brazzaville mit Lebensmitteln wie Maniok und dem traditionellen Fufu-Brei. Fast alles, was in der Bezirkshauptstadt Kinkala auf dem Markt angeboten wird, kommt nicht mehr aus den Dörfern der Umgebung, sondern wird inzwischen aus den Städten angeliefert. Und das in einer Region, aus der vor dem Bürgerkrieg (1998-2003) rund ein Drittel aller heimischen Agrarerzeugnisse kamen.

"Holzkohleproduktion und Buschbrände haben die Gegend entwaldet und die Böden so unfruchtbar gemacht, dass sich der Hunger in Pool ausbreiten wird", warnt Virgil Safoula. Regierungsstatistiken registrierten in Pool zwischen 2007 und 2008 den Verlust von über 6.000 Hektar Waldland. Allein im ersten Quartal 2009 wurden im Regierungsbezirk Kinkala mehr als 62.000 Säcke Holzkohle produziert, dreiviertel davon in Pool. Im gleichen Zeitraum wurden 200.000 Bündel Brennholz von Kinkala nach Brazzaville geliefert.

Brennholz und Holzkohle sind für die mehr als eine Million Einwohner Brazzavilles eine wichtige Energiequelle, die aus dem Wald herangeschafft wird. Obwohl der großflächige Kahlschlag verboten ist, passieren die Holzlaster tagaus, tagein unbehelligt die Einfallstraßen der Hauptstadt. "Die Regierung kassiert Schmiergelder. Es ist eine Schande, denn niemand respektiert die geltenden Gesetze", kritisierte Safoula.

Viele Menschen in ganz Afrika haben keine anderen Herde als solche oft ineffizienten Holzkohle-Kocher (Foto: Jessie Boylan/IPS)
Viele Menschen in ganz Afrika haben keine anderen Herde als solche oft ineffizienten Holzkohle-Kocher (Foto: Jessie Boylan/IPS)

"Wenn tatsächlich einmal eine Holzfuhre beschlagnahmt wird, braucht niemand ein Bußgeld zu befürchten", sagt der Beamte Mayembo. "Das wurde vorher ausgehandelt." Dabei gehe es um mehr als um ein paar bestechliche Kontrolleure, betont er. Das illegale Holzgeschäft sei ein politisch äußerst brisantes Thema. "Bei den meisten Beteiligten handelt es sich um Angehörige ehemaliger Bürgerkriegsmilizen." Verbiete man Ihnen das Geschäft zu schnell, so Mayembo, griffen sie vielleicht wieder zu den Waffen. "Deshalb müssen wir behutsam vorgehen."

Alternativen zum Kahlschlag

"Die Behörden begnügen sich mit gelegentlichen Bußgeldforderungen, um ihre Tatenlosigkeit zu verschleiern", meint Roger Younga von der in Brazzaville ansässigen Umweltgruppe 'Congo Vert'. Aktivisten wie er versuchen, die Landbevölkerung über die Gefahren der Abholzung aufzuklären und bieten ihnen Alternativen zum Kahlschlag an.

"Seit 2009 verhandeln wir mit der Verwaltung von Pool über die Anlage einer Baumschule für Palmen, Jatropha-und Flammenbäume, damit die Dorfbewohner kahle Flächen aufforsten können", berichtete Safoula. Inzwischen habe man einen geschützten Standort für das Projekt ausgemacht.

Trotz seiner Bodenfruchtbarkeit liegt der Anteil unterernährter Menschen in Pool laut offizieller Statistiken über dem Landesdurchschnitt: Zwei von fünf Personen litten 2009 an Hunger. Im selben Jahr stellte das Kinderhilfswerk Unicef in einem Bericht fest, dass in der Republik Kongo ein Fünftel aller Kinder chronisch unterernährt ist. "Wenn die Menschen die Landwirtschaft aufgeben, droht eine Katastrophe", erklärte der Umweltschützer Younga.

Bei der Weltbank hat man die verhängnisvolle Entwicklung erkannt und die Regierung in Brazzaville aufgefordert, schnellstens einen nationalen Plan gegen den Kahlschlag zu erarbeiten. Für diesen Zweck will die internationale Finanzorganisation der Regierung 200.000 Dollar zur Verfügung stellen. Sobald der Plan steht, können sich Umweltgruppen und Gemeinden aus einem insgesamt 3,4 Millionen Dollar schweren Fonds bedienen.

Doch schnelle Änderung ist dadurch nicht in Sicht.

Wir danken www.klimaretter.info für die freundliche Genehmigung zum Nachdruck

Ithaka-Kommentar

Es mangelt an maßgeblichen Statistiken über die Herstellung und Verwendung von Holzkohle. Die letzten verlässlichen Zahlen über den weltweiten Holzkohlemarkt stammen unseres Wissens aus dem Jahre 1996 und geben die weltweite Jahresproduktion von Holzkohle mit 100 Millionen Tonnen an (1). Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Menge, insbesondere in Afrika, wo Holzkohle als eines der wichtigsten Brennstoffe für die Nahrungszubereitung gilt, seither deutlich gestiegen ist. In einer Studie von 1986 wurde der Tagesbedarf an Holzkohle in Tansania zwischen 0,5 – 1 kg angegeben (2). Dieser Pro-Kopf-Bedarf ist seither nicht gesunken. Der Preis pro Tonne Holzkohle liegt in Afrika zwischen $100 und $400, was häufig sogar den Weltmarktpreis übersteigt.

Auch wenn in den meisten Teilen der Subsaharischen Ländern bekannt ist, dass Holzkohle als nachhaltiger Bodenverbesserer wirkt und in zahlreichen Gebieten auch als solcher eingesetzt wird, so wird doch nur der allergeringste Teil der hergestellten Holzkohle in der Landwirtschaft verwendet. Zwar liegen die weltweit größten und meisten neuzeitlichen Biokohle-Versuchsflächen in Afrika, doch hat dies bisher zu keinerlei Trendwende im Landbau geführt, auch wenn Erntezuwächse um mehr als das 8-fache dokumentiert sind. Die meiste Holzkohle wird weiterhin als Brennstoff in die Städte verkauft.

In einigen Gebieten verdienen afrikanische Bauern mit der Abholzung und Verkohlung des Regenwaldes bedeutend mehr als mit traditioneller Landwirtschaft. Und die Angst ist entsprechend groß, dass, wenn mit Biokohle eines Tages Klimazertifikate generiert werden können, sich die Gewinnschere zwischen Landwirtschaft und Kohleproduktion noch weiter spreizt. Dann nämlich, wenn in Afrika durch multinationale Konzerne  CO2-Zertifikate in Höhe von $150 bis $240 pro Tonne Biokohle erzeugt werden und gleichzeitig Regenwald abgeholzt wird oder mit intensiver Landwirtschaft Energiepflanzen angebaut werden.

Aber das muss ja nicht der Fall sein und darf so nicht kommen. Wenn Biokohle nur dann zertifiziert wird, wenn sie auch vor Ort mit Kompost vermischt in landwirtschaftlich Böden eingearbeitet wird, und nur aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt wurde, und in einem technisch kontrollierten Prozess mit entsprechend geringen Klimagasen produziert wurde, kann solch einem Mißbrauch effizient entgegengewirkt werden. Biokohle ist, wie wir schon oft geschrieben haben, kein Allheilmittel gegen die Gefahren und Mißstände der Menschheit auf Erden, sondern Teil einer möglichen ganzheitlichen Lösung, sofern der rein kommerziell motivierte Missbrauch durch weitsichtige Rahmenbedingungen in die Schranken gewiesen wird.

Deutschland importiert übrigens laut Aussenhandelsstatistik jährlich 350 000 t Holzkohle, die hauptsächlich in der Metallurgie eingesetzt werden. Der größte Anteil dieser Mengen kommt aus Nigeria, Paraguay, Argentinien, Indonesien und Malaysia, wo Regenwälder dafür abgeholzt werden und die Klimabilanz bei der technisch nicht überwachten Herstellung katastrophal ausfällt. Diese Holzkohle könnte durch Biokohle aus lokal anfallenden Reststoffen ersetzt werden. Dabei würde nicht nur die Klimabilanz der Biokohle positiv ausfallen, sondern auch die Regenwälder geschützt und die langen klimaschädlichen Transporte wegfallen.

(1) Rosilo-Calle, F.; De Rezende, M. A. A.; Furtado, P.; Hall, D. O. The Charcoal Dilemma; Intermediate Technologies Publications:

London, 1996.

(2) Foley, G. Charcoal Making in Developing Countries; Earthscan: London, 1986

  • Jochen Binikowski
    09.08.2010 18:58

    Da ich kein Politiker bin, muß ich auch nicht politisch korrekt schreiben. Deshalb äussere ich meine Vermutung zu den Gründen für die geschilderten desaströsen Zustände in Afrika: Die überwiegende Zahl der Menschen dort ist die eigene Zukunft völlig egal, Hauptsache hier und heute mit relativ wenig Aufwand etwas Geld verdienen. Ob durch diese desaströsen Methoden den eigenen Kindern die Lebensgrundlage entzogen wird, interessiert offenbar niemanden. Warum auch, denn Schuld an dem Elend ist grundsätzlich der "weiße Mann" und der wird, wenn es hart auf hart kommt, schon Lebensmittelhilfen etc. finanzieren.

    Selbstverständlich gibt es in diesen Ländern auch verantwortungsbewusste Menschen. Aber leider scheint das nur eine winzige Minderheit ohne jeden politischen und wirtschaftlichen Einfluß zu sein. Von Bildung ganz zu schweigen. Man muß ja kein Wissenschaftler sein, um zu erkennen, dass nicht die Abholzungen das Problem sind, sondern das nicht stattfindende Nachpflanzen der Bäume. In den Tropen wachsen die Bäume nun mal extrem schnell, aber die Leute nutzen diesen sagenhaften Standortvorteil aus purer Dummheit nicht aus. Da ist meiner Meinung nach Hopfen und Malz verloren.

  • Friedrich Georg
    11.10.2010 21:31

    Afrika braucht wohl eine "grüne" Diktatur, um überleben zu können. Im kleinen Maßstab kann man Modellregionen entwickeln (wie die von der UN nachhaltig geförderten Millenniumorte), die als Vorzeige- und Nachmachbeispiele fungieren sollen. Aber ob das den nächsten Bürgerkrieg überlebt, ist zweifelhaft.

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