Ein deutscher Idealist am Ende der Welt

von Jochen Binikowski im Interview mit Daniel Bach

450 Kilometer südlich der philippinischen Hauptstadt Manila experimentiert Jochen Binikowski in seinem Landwirtschaftsbetrieb mit Biokohle und versucht, den einheimischen Bauern damit ein Leben in Würde zu ermöglichen. Er hat mit seinen Versuchen schon einiges bewegt.

Daniel Bach: Sie kennen das Städtchen Tigaon seit drei Jahrzehnten, seit zwei Jahren leben Sie dort. Was hat Sie bewogen, ihre sichere Existenz in Deutschland aufzugeben und das Abenteuer Philippinen zu wagen?

Jochen Binikowski: Meine Töchter managen unser Versandhaus in Deutschland inzwischen besser als ich das könnte. Da möchte ich nicht stören und kann mich deshalb um die seit langem geplanten Projekte auf den Philippinen kümmern. Durch die moderne Kommunikation ist eine längere Abwesenheit von Deutschland überhaupt kein Problem mehr.

poultry_03Sie betreiben in Tigaon eine Art riesiges, landwirtschaftliches Freiluftlabor. Ihre Forschungen sollen den Bauern, die ständig um ihre Existenz kämpfen, ein Leben in Würde und wirtschaftlicher Sicherheit ermöglichen. Was ist Ihre Strategie?

Man muss sich vor Augen halten dass die allermeisten Kleinbauern von der Hand in den Mund leben. Die können sich keine Experimente mit unsicherem Ausgang leisten. Deshalb machen wir sie. Neuerungen können meiner Meinung nach nur erfolgreich eingeführt werden, wenn man es vormacht und damit Erfolg hat. Dann kommt der Wunsch zum Nachahmen von ganz alleine und wir leisten dann Hilfestellung.

Eines der wichtigsten Instrumente, um die finanziellen Nöte der Kleinbauern zu beseitigen, ist die Herstellung von Holzkohle aus landwirtschaftlichen Abfällen, die als Bodenverbesserer und Energielieferant dienen kann. Sind Sie schon in der Lage, diese in grösseren Mengen herzustellen?

Das ist derzeit noch nicht nötig, da es jede Menge kleine Bäckereien gibt, die ihre Backöfen mit Reishülsen heizen. Die werden dabei nur unvollständig verbrannt und stellen zusammen mit der Asche die Basis für unsere Erdmischung. Da kommt dann noch Tierdung, Kompost und Humuserde hinzu.

Welche Arten von organischen Abfällen verwenden Sie?

Neben den Reisspelzen kann man auch aus leeren Maiskolben, Palmenästen, Kokosschalen, Bambus, Zuckerrohr und Nussschalen Holzkohle herstellen.

Wie viel dieser Biokohle wird im Haushalt verbrannt werden, und wie viel tatsächlich als Bodenverbesserer verwendet? Immerhin kochen fast alle Familien mit Kohle.

Das kann ich noch nicht sagen, da die kommerzielle Produktion der Biokohle zu Kochzwecken noch nicht angelaufen ist. Das wird auch noch etwas dauern, da wir gleichzeitig zahlreiche andere Projekte am Laufen haben und nicht mehr wissen, was wir zuerst machen sollen.

Ithaka Kommentar

Politik und Wissenschaft arbeiten an der Rettung der Welt und sorgen damit trotz äußerst bescheidener Erfolge für gutes Gewissen und viele Ausreden bei der Bevölkerung, die einfach nur darauf wartet, dass sich wie von selbst die Lösungen für die wachsenden Probleme unseres Planeten ergeben. Dabei zeigen Beispiele wie jenes von Jochen Binikowski, dass nicht nur mit geringen Mitteln bereits große Wirkung erzielt werden kann, sondern dass am Anfang des Wandels stets die unkonventionelle Initiative einzelner tatkräftiger Menschen steht. (hps)

Am Amazonas hat die Biokohle den Boden derart fruchtbar gemacht, dass ganze Hochkulturen entstehen konnten. Machen Sie in Ihren Experimenten auf den Philippinen auch derart ermutigende Erfahrungen?

Wir machen das mit der Biokohle ja erst seit gut 2 Jahren. Deshalb können wir noch keine fundierten Aussagen machen. Hinzu kommt, dass in unserer Gegend die Böden dank der vulkanischen Erde ohnehin erstklassig sind und es das ganze Jahr über genug regnet. Deshalb kann Biokohle die Bodenqualität wohl nur minimal verbessern.

Aber kann diese Biokohle den herkömmlichen Kunstdünger ersetzen? Und was kostet seine Herstellung im Vergleich zum Kunstdünger, den die Bauern sonst kaufen müssen?

Überall, wo relativ geringe Mengen benötigt werden, also etwa beim Gemüse, den Blumen, oder den Baumschulen ist Biochar in unserem Ort schon Standard. Beim Feldanbau ist die Sache komplizierter: Die allermeisten Felder sind nur per Trampelpfad erreichbar. Das heisst, die Biokohle, die Asche, der Dung und der Kompost müssen in Säcken zu den Feldern geschleppt werden. Das ist angesichts der großen Mengen, die benötigt werden, der Hauptkostenfaktor. Auch wenn die Löhne niedrig sind, es macht einen erheblichen Unterschied ob man pro Hektar fünf Säcke Kunstdünger oder 300 Säcke Biokohle transportieren muss. Dafür müssen die Bauern keinen oder weniger Dünger kaufen. Wenn das Feld relativ dicht an einer Straße liegt ist die Verwendung von Biokohle in der Regel lohnend.

Tomatensack
Tomatensack

Haben Ihre Experimente mit Biochar unterschiedliche Resultate bei Reis und den verschiedenen Gemüsearten ergeben?

Wir konzentrieren unsere Experimente inzwischen auf Gemüse und Bäume, weil ein benachbarter Großbauer auf seinen Reisfeldern ziemlich umfangreiche Versuche unternimmt. Bei herkömmlichen Reissorten klappt das schon sehr gut, da ist kein Kunstdünger mehr im Spiel und die Ernten sind genauso hoch wie mit Kunstdünger. Bei einer Versuchspflanzung mit Hybridreis hat es allerdings eine Missernte gegeben. Beim Gemüse ist es bislang so, dass fast alle Arten in unserer Erdmischung ohne Kunstdünger hervorragend wachsen. Bei Mais kann der Kunstdüngerbedarf halbiert werden. Ein grosses Problem ist, dass wir die Experimente nicht vernünftig wissenschaftlich dokumentieren können. Wir machen das ja alles neben unserem Hauptgeschäft und mit einem absoluten Mini-Budget. Ich stehe seit Jahren mit diversen Wissenschaftlern in Verbindung. Die interessieren sich sehr für unsere Ergebnisse, sind aber nicht in der Lage, uns konkret zu helfen. Die schaffen es nicht einmal, einen Doktoranden für einige Monate herzuschicken. Na ja, es sind ja auch keine Laborversuche die wir hier machen, sondern Experimente unter Echtbedingungen.

Sie betreiben mit der Abwärme aus der Kohleherstellung eine Reistrocknungsanlage, welche den Bauern viel Arbeit abnimmt und dafür sorgt, dass sie auch in Regenzeiten ihren Reis trocknen und verkaufen können. Wie bewährt sie sich?

Wir sind noch in der Versuchsphase und testen dabei verschiedene Funktionen. In wenigen Wochen werden wir mit dem Bau einer kleinen, kommerziellen Anlage beginnen. Dabei geht es nicht mehr um die Frage ob es technisch funktioniert und wirtschaftlich ist, denn diese beiden Fragen sind mit ja zu beantworten. Wir sind bereits am Optimieren.

Sie testen ja auch neue Anbaumethoden für verschiedene Gemüse, damit diese auch während der Regenzeiten geerntet werden können. Wie weit sind Sie damit?

Derzeit laufen die ersten kommerziellen Pflanzungen mit Tomaten, Bohnen, Auberginen, Chili, Squash und Wassermelonen an. Die Regenzeit dauert noch bis Mitte Januar. In etwa drei Wochen dürfte es die ersten Ernteergebnisse (Bohnen und Tomaten) geben. Gleichzeitig tüfteln wir schon an einem neuen Konzept für die kommende Trockenzeit. Dann wächst alles problemlos, aber die Preise sind völlig im Keller. Bei unseren Überlegungen geht es daher hauptsächlich um Nachernte-Techniken wie Trocknung, Lagerung und Weiterverarbeitung. Das ist ein weites Feld...

Wie reagieren die einheimischen Bauern auf diese neuen Methoden?

Es gibt im Ort seit zwei Jahren eine Vereinigung der Gemüsefarmer. Mindestens einmal pro Monat findet ein Seminar statt und es werden Erfahrungen ausgetauscht. Mit unseren Methoden sind wir also nicht alleine.

Mit den neuen Anbaumethoden, der Direktvermarktung, dem gemeinschaftlichen Maschineneinkauf und dem Einsatz der Holzkohle werden die Ernten und mit ihnen das Einkommen der Bauern sicherer. Das heisst aber auch, dass andere weniger verdienen als bisher, zum Beispiel die Geldverleiher, Düngerverkäufer, Reishändler und Mühlenbesitzer. Leisten die keinen Widerstand?

Das ist derzeit angesichts der noch relativ geringen Mengen kein Problem. Unsere Gemeinderegierung setzt auf organische Landwirtschaft und will die Zwischenhändler ausschalten. Auch ist die Macht der Agrarkonzerne hier längst nicht so groß wie in Europa. Politiker werden hier persönlich gewählt, nicht per Parteiliste. Wer hier die Kleinbauern oder Gewerbetreibenden verprellt, kann seine Wiederwahl vergessen und braucht viel Geld für Personenschutz...

Sie äussern auf Ihrer Website die Hoffnung, dass die Herstellung von Kohle aus Bioabfällen die illegalen Köhler in den nahen Urwäldern zum Verschwinden bringen und somit zum Erhalt des Regenwaldes beitragen könnte. Sehen Sie Anzeichen, dass sich diese Hoffnung erfüllt?

Wie gesagt, die kommerzielle Biokohle-Produktion ist noch nicht angelaufen. Trotzdem nimmt die illegale Köhlerei im benachbarten Urwald ab, da die Regierung die Kontrollen verschärft hat. Der größte Teil der Holzkohle wird inzwischen aus überalterten Fruchtbäumen, Restholz usw. hergestellt. Allerdings sind längst nicht überall auf den Philippinen die Kontrollen derart strikt.

Biokohle aus Reishülsen
Biokohle aus Reishülsen

Blicken wir ein wenig voraus: Da die Biokohle grosse Mengen an CO2 über Jahrhunderte im Boden bindet, soll sie als Kohlenstoffsenke in den CO2-Zertifikatehandel eingebunden werden. Kann das mithelfen, den philippinischen Bauern die Existenz zu sichern?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass eher der Papst zum Islam konvertiert als dass Kleinbauern vom Emissionshandel profitieren werden. Das Problem bei der derzeitigen Regelung liegt darin, dass davon ausschließlich Grosskonzerne, Banken, Consultants und Bürokraten profitieren. Mit den derzeitigen Regularien zum Emissionshandel (Kyoto-Protokoll) ist es völlig ausgeschlossen, dass Kleinbauern profitieren. Welcher Farmer hat schon über 100'000 Dollar für eine CDM-Zertifizierung in der Portokasse? Die wenigen Kleinprojekte in der Dritten Welt sind reine Alibimassnahmen für die internationale Presse. Biochar macht jedoch nur bei dezentraler Herstellung wirklich Sinn und da können die Konzerne nichts dran verdienen. Bei uns ist das größte Problem, wie schon gesagt, der Transport zu den Feldern. Das wird wahrscheinlich nicht ohne Subventionen gehen, wenn man sehr große Mengen Biokohle versenken will. Und dann stellt sich die Frage: wer soll den Kleinbauern die Emissionsrechte abkaufen und zu welchen Preis? Ich kann mir nicht vorstellen dass ein Kraftwerksbetreiber willens ist, 10'000 einzelne Verträge über jeweils 50 Tonnen abzuschließen. Es ist also ein völlig neuartiges Konzept nötig, wenn die Möglichkeiten zur CO2-Senke durch Biokohle voll ausgeschöpft werden sollen. Hinzu kommt ein gewichtiges Problem, das meiner Erfahrung nach kaum diskutiert wird: Biochar bringt auf besonders schlechten Böden die größte (relative) Ertragssteigerung. Aber, um große Mengen Biokohle herzustellen benötigt man auch große Mengen Biomasse. Und die gibt es hauptsächlich dort wo die Böden bereits gut sind. Bei einem weltweiten, großflächigen Einsatz dürfte es also enorme Probleme und Kosten mit dem Transport geben, die einen Teil der positiven Umwelt-Aspekte zunichte machen.

Weitere Informationen zu den erwähnten Projekten auf den Philippinen finden Sie auf der Webseite von Herrn Binikowski (hier)

  • Ulrich B Riemann
    17.08.2009 15:52

    Ein sehr zutreffender Beitrag aus der Praxis. Unsere (beschränkten) praktischen Erfahrungen in Ghana und theoratischen Überlegungen haben grosse Übereinstimmung mit den Ansichten von Herrn Bach.

    Wir haben genau die erwähnten, niederwertigen Böden mit nahezu keinen Nährstoffen und sehr wenig organischem Material. Genau hier bringt Biochar tatsächlich die grössten Vorteile. Wir haben allerdings absolut keinen Mangel an Biomasse zur "Verkohlung". Neben den seit ca. 35 Jahren weithin wuchernden Neem Bäumen produzieren unsere Plantagen auf Jatropha Basis in wenigen Jahren schon ca. 10 to Biomasseabfälle pro ha pro Jahr! Das könnte bis zu 4 to pro ha pro Jahr an rückführbarem Biochar bedeuten...

    Und nebenbei produzieren wir dann aus der gleichen Biomasse auch noch den Treibstoff für unsere Landmaschinen.

    Biochar ist tatsächlich eine extrem überzeugende Sache für die Praxis, die derzeit weltweit viel zu sehr auf Kongressen etc. von selbst ernannten Experten zerredet wird, als dass man einfach dort, wo es am meisten bringt (tropische Böden niedriger Qualität) schnellstens in gross angelegte Feldversuche geht. Nur so werden wir in 5++ Jahren deutlich mehr über die Effekte wissen.

  • Jochen Binikowski
    19.08.2009 16:59

    Hallo Ulrich,
    hier auf den Philippinen wird inzwischen auch schon im großen Stil Jatropha angebaut. Allerdings ist mir nicht ganz klar, wie sich das rechnet und wie das mit der Vorfinanzierung läuft. Seitdem wir unsere Citrus-Plantage angelegt haben, weiß ich mit welchem Aufwand z.B. die Unkrautbekämpfung verbunden ist. Neulich hat mir ein Techniker von einer großen Saatgutfirma erzählt dass es schon Fälle gibt, wo Farmer Jatropha angepflanzt haben, dann aber der versprochene Verarbeitungsbetrieb nicht errichtet wurde. Das ist natürlich für die Bauern fatal, weil es kaum einen anderen Verwendungszweck ausser Öl gibt.

    Gibt es in Ghana eigentlich Moringa-Bäume? Das ist nämlich eine gute Sache, weil die Blätter, Blüten und Schoten essbar sind. Aus den Samen kann man auch Öl machen, nur ist das viel zu hochwertig für Biosprit. Wir sind da seit einigen Monaten am Experimentieren. Die Bäume wachsen pro Tag ca. 1 cm, da kann man direkt zuschauen...

    Es gibt wahrscheinlich bereits sehr viel mehr kommerzielle Anwendungen von Biochar als die Wissenschaftler glauben. Das wird sich so oder so durchsetzen. Z.B. laufen bei den großen Reisforschungsinstituten IRRI und PhilRice Biochar-Versuche im ganz großem Stil.

    Beste Grüße aus dem Tropenbüro, Jochen

  • Rotraut Langnese
    15.11.2009 08:38

    Ich bin begeistert, wie praktisch Sie beide Hilfe zur Selbsthilfe leisten und einen Beitrag liefern zur Wiedergutmachung der europäischen Kolonialisierungsfolgen auf anderen Kontinenten.
    Herzlichen Gruß
    und viel Erfolg
    wünsche ich Ihnen
    Rotraut Langnese

  • Jochen Binikowski
    26.12.2009 21:19

    Seit heute ist ein kleines Video über das Farm-Projekt online, die letzten Aufnahmen sind am 24.12.2009 gemacht worden:

    http://www.youtube.com/watch?v=F953S9VA4bw

    @ Rotraut: Können Sie mir und meinen örtlichen Mitarbeiter einmal näher erklären, warum unser Projekt etwas mit dem 300-jährigen Unwesen der Spanier auf den Philippinen zu tun haben könnte?

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