Agroforestry – Die Rückkehr der Biodiversität in die traditionelle Landwirtschaft

von Daisy Liebau & Burkhard Kayser

Weinberge und Obstplantagen lassen sich erstaunlich schnell und vor allem wirtschaftlich sinnvoll nach den Methoden des Klimafarmings umstellen. Doch wie ließe sich solch ein Konzept auch im traditionellen Feldbau umsetzen? Das Geheimnis liegt in der Verbindung von Feldern, Hecken und Bäumen.

Das folgende Bild spricht für sich und erklärt auf einen Blick, worum es geht. Es erscheint so wunderbar, dass man es für eine Fotomontage halten will. Man hat das Gefühl, als könnte man auf diesen Feldern aufatmen, spazieren, leben. Abertausenden Insekten, Vögeln und sonstigen Lebewesen mag es ähnlich gehen.

Der Mähdrescher passt genau zweimal in die Reihen zwischen den Bäumen. Gibt es einen Grund gegen die Vernunft einer solchen Landwirtschaft? Werfen die Bäume zu viel Schatten? Rauben die Baumwurzeln dem Weizen oder den Kartoffeln die Nährstoffe? Von Bäumen kann doch kein Bauer leben! Gibt es noch einen Grund, der zu entkräften wäre?

Unter Agroforestry versteht man die überlegte Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern auf der gleichen Fläche, auf der auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen angebaut oder Tiere gehalten werden. Besonders in den Tropen und Subtropen ist diese Anbaumethode verbreitet, wird aber zunehmend auch in Mitteleuropa umgesetzt.

Agroforstwirtschaft bedeutet also eine Kombination von Gehölzen mit Feldfrüchten (z.B. 150 Pappeln/ha mit Getreide). Das Getreide wird wie gewöhnlich angebaut und geerntet, die Bäume werden meist nach 30 bis 60 Jahren, je nach Art und beabsichtigter Nutzung gefällt und der Weiterverarbeitung zugeführt.

Mähdrescher im Weizenfeld zwischen Pappeln zur Biomassenutzung Bildquelle: Christian Dupraz, SAFE-Projekt / INRA
Mähdrescher im Weizenfeld zwischen Pappeln zur Biomassenutzung Bildquelle: Christian Dupraz, SAFE-Projekt / INRA

Arten der Agroforstwirtschaft

Bei der Kombination von Land- und Forstwirtschaft sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Eine Möglichkeit ist die Erzeugung von Biomasse durch sogenanntes Alley-Cropping. Hier werden Pappeln oder Weiden in Streifen von 4m bis 10m Breite angelegt. Zwischen diesen Streifen findet Ackerbau statt, wobei die Feldstreifen so angelegt sind, dass sie ökonomisch sinnvoll mit Maschinen bewirtschaftbar sind. Das heißt, die Breiten und Eigenschaften der landwirtschaftlichen bzw. forstwirtschaftlichen Geräte müssen Berücksichtigung finden.

Neben der jährlichen Getreidernte können bereits nach 5 Jahren die Pappeln oder Weiden zur Gewinnung von Biomasse beschnitten werden. Aus der Biomasse können Treibstoffe, Holzpellets oder Biokohle gewonnen werden, während aus den Baumstümpfen in den folgenden 5 bis 10 Jahren erneut erntefähige Gehölze heranwachsen.

Ebenso interessant ist die Erzeugung von Wertholz in Verbindung mit landwirtschaftlichen Kulturen. Bei dieser Art der Agroforstwirtschaft werden in optimiertem Abstand ganze Reihen von wertvollen Hölzern wie Kirsche, Elsbeere oder Walnuss gepflanzt. Durch die gute Lichtdurchflutung ist der Zuwachs bei diesen Baumarten vergleichsweise hoch. Mit entsprechender Pflege, kann in 50 bis 60 Jahren wertvolles Holz erzogen werden, für das am Markt sehr gute Preise zu erzielen sind. So liegen die Preise für furniertaugliches Kirschholz bei rund 3000 Euro pro Kubikmeter. Die Bäume müssen entsprechend ihrem geplanten Verwendungszweck gepflegt und insbesondere vor Wildschäden geschützt werden.

Nachteilig an dieser Form der Nutzung ist die Bindung des Kapitals über einen Zeitraum von mindestens 40 Jahren und eine nicht sicher prognostizierbare Marktlage zum Erntezeitpunkt.

Um auch jährliche Einnahmen zu erwirtschaften, setzen Agroforstwirtschaftler in Frankreich beispielsweise auf Walnuss. Diese Baumart ist relativ robust und liefert jedes Jahr Früchte, die u.a. zu hochwertigen Ölen verarbeitet werden können und guten Absatz finden. Besonders gefragt ist das wunderschön gemaserte Wurzelholz, das gern in Automobilen der Oberklasse oder für Drechselarbeiten verwendet wird. Auch im Möbelbau zeigt diese dunkle Holzart dauerhafte Präsenz in Form von Intarsien und anderen Schmuckelementen.

Elsbeeren zwischen den Rebzeilen Bildquelle: Burkhard Kayser, Agroforst.de, Deutschland
Elsbeeren zwischen den Rebzeilen Bildquelle: Burkhard Kayser, Agroforst.de, Deutschland

In den Weinbergen an der Mosel wurden in den letzten Jahren erfolgreich Kirschen in den Weinbergen etabliert. Das Ausgangsproblem bestand hier in dem zunehmenden Preisdruck auf dem Weinmarkt und der damit einhergehenden Verwahrlosung der Landschaft. Das milde Klima an Rhein und Mosel wurde schon früher zum Anbau von Obst genutzt. Auf diese Erfahrungen besann man sich und setzte auf die Kirsche. In jedem Frühjahr sind die Kirschblüten wertvolle Bienenweide. Durch die Beschattung wird unerwünschtes Strauchwerk unterdrückt. Mit einer Wurzel, die pfahlförmig in den Boden eindringt, kann die Kirsche den Boden vor Abrutsch und Auswaschung schützen. Weitere Nutzungsmöglichkeiten sind die Kirschen selbst und bei geeigneter Erziehung auch das Holz.

In der Südpfalz hat man gute Erfahrung mit dem Weinbergspfirsich gemacht. Auch er ist eine hervorragende Ergänzung zum reinen Weinbau.

Vorteile von Agroforstsystemen

Studien haben gezeigt, dass das wirtschaftliche Ertragsniveau auf der gesamten Fläche etwa gleich bleibt. In den Randbereichen zwischen landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Sektionen kommt es zu Licht- und Wurzelkonkurrenz. Diese Einbußen werden aber auf dem Rest der Fläche sehr gut wieder ausgeglichen. Die Gründe hierfür liegen darin, dass durch Bäume und Sträucher die Windgeschwindigkeit erheblich abgebremst wird. Die Verdunstung durch Wind, welche auf einer Freifläche zu erheblichem Wassermangel führt, kann in sehr hohem Maße abgemildert werden. Mit dem regelmäßigen Pflügen entlang der Baum- oder Strauchreihen werden die Wurzeln im Oberboden gekappt. Damit erreicht man einen stockwerkartigen Aufbau der Bodenstruktur. Im Oberboden können die Wurzeln landwirtschaftlicher Kulturen gedeihen, während der Baum seine Nährstoffe aus dem Unterboden bezieht. Auch der Verschmutzung des Grundwassers durch Stickstoffdünger kann so entgegengewirkt werden. Der Bewuchs mit Gehölzstreifen wirkt nicht nur äußert positiv auf das Mikroklima, sondern auch auf die Biodiversität. Zahlreiche Insekten und Kleintiere konnten beobachtet werden, die auf großen Flächen nicht mehr vorhanden waren.

intercroppingEine weitere Form der Agroforstwirtschaft, die nicht unerwähnt bleiben soll ist die Haltung von Vieh auf mit Bäumen bestandenen Flächen. Auch hier sind viele Kombinationen denkbar. Ein unbestrittener Vorteil der Tierhaltung unter Bäumen ist der Schutz den diese vor Unwettern oder intensiver Sonneneinstrahlung bieten. Die Haltung von Vieh außerhalb des Stalls sorgt zudem für gesunde Tierbestände und damit auch für eine hohe Qualität der tierischen Erzeugnisse. Bei allen Haltungsformen ist jedoch auf die Eigenheiten der jeweiligen Tierarten Rücksicht zu nehmen. So ist es wenig sinnvoll Schweine unter jungen Bäumen wühlen oder Ziegen an ungeschützten Bäumen äsen zu lassen. Beweidung unter Bäumen ist häufig auch eine Form, die gewählt wird, wenn die Ackerflächen in den letzten Jahren vor der Ernte der Bäume zu stark beschattet werden. Dann bietet es sich an, Leguminosen und Kräuter anzusäen und bis zur Beerntung der Bäume noch Gewinne durch Viehwirtschaft zu erzielen.

Zusammenfassung

Agroforstsysteme bieten die Möglichkeit einer Landwirtschaft mit hoher Biodiversität. Wirtschaftliche Risiken können besser verteilt werden. Mit guter Pflege zeigen Forstpflanzen eine relativ hohe Kapitalverzinsung, die mit denen landwirtschaftlicher Früchte konkurrieren kann. Hinzu kommen positive Einflüsse auf das Mikroklima, die Bodenstruktur, den Humusaufbau und auf die Fauna. Auch optisch bieten Agroforstsysteme Auflockerungen und besonders für touristisch erschlossene Gebiete eine willkommene Abwechslung zu großflächigen Monokulturen.

Voraussetzung für ein erfolgreiches System ist eine klare Definition der Ziele, seien sie ökonomisch oder ökologisch motiviert, und eine entsprechende Gestaltung des Systems. Sicher ist jedoch, dass Agroforstsysteme in beiden Bereichen eine konkurrenzfähige und kreative Alternative zur Monokultur sind.

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Weitere Informationen

www.agroforst.dewww.montpellier.inra.fr/safe (Webseite des europäischen Forschungsprojektes SAFE) - www.agroforst.uni-freiburg.de (das erste deutsche Forschungsprojekt zu Agroforstsystemen), www.wsl.ch/land/agroforestry (Infos aus der Schweiz)

  • XAR61
    15.03.2010 11:55

    Weg von der Mono und hin zur Multikultur, auch wenn ich kein Landwirt, Winzer und Forscher bin, so signalisiert mir mein Herz - dies ist der richtige Pfad von welchem ein jeder seinen Teil vom Kuchen hat und die erkrankte Umwelt um uns herum, sich trotz der Bewirtschaftung wieder erholen kann. Wenn die Bienen wieder im Reigen tanzen und die Singvögel ihren neuesten Hit uraufführen kann dieses Projekt als erfolgreich angesehen werden und sollte unbedingt auch in andere Gegendenden zur Naturisierung exportiert werden.

  • Jürgen Hünefeld
    11.10.2011 22:01

    Worauf warten unsere Bauern? Macht euch selbst Gedanken und nicht erst dann, wenn der Vorrechner oder Subventionsrechner der EG erscheint. Ich hoffe, dass ich bald einmal selbst in Brandenburg solch wunderbare Felder entdecken kann.
    Die Familien deren Angehörige am 08.04.2011 auf der A 19 bei Rostock starben brauchten bei Anwendung von Agroforstsystemen als landwirtschaftliche Nutzungsart nicht trauern. Es gab acht Tote bei diesem Massen-Crash bei Rostock! In einem Staubsturm krachten 80 Fahrzeuge ineinander. Einige überschlugen sich, viele brannten aus, 97 Menschen wurden verletzt.
    Die angrenzenden Felder wurden großflächig bewirtschaftet und mineralisch gedüngt bis der Humusanteil im Boden fast vollständig zerstört war. Daher konnte der Boden kein Wasser speichern und vom Wind weggetragen werden. Nur dann passieren solche Unfälle. Humusreicher Boden wie ihn Biobauern systematisch aufbauen ist die Lösung! Gegen den Landwirt, der das angrenzende Feld vor dem Sturm gepflügt hatte, wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht ermittelt. Warum auch? Solche Art Landwirtschaft ist üblich!!! Ich wünsche mir, dass der Landwirt darüber nicht nur nachdenkt, sondern auch etwas dagegen tut! Die Staatsanwaltschaft sollte sich ebenfalls Gedanken machen, es reicht nicht aus wenn es dem Gesetzesrahmen genügt was ein Bauer tut.

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