Die Revolution der Terra Preta

von Ute Scheub

Die Terra Preta hat das Potenzial, mehrere Krisen gleichzeitig zu überwinden: die Klimakrise, die Hungerkatastrophe und die Hygienemisere in den Slums. Und das alles ohne Agrochemie, sondern in einer Agrarrevolution von unten. Ute Scheub besuchte einen der Wiederentdecker der Terra Preta, den Bodenkundler Haiko Pieplow, am nördlichen Rand von Berlin.

Haiko Pieplow greift in einen seiner Pflanzkübel und lässt eine der fruchtbarsten Erden der Welt durch die Finger krümeln. Der promovierte Bodenkundler wird dabei malerisch umrahmt von bunten Gemüsen und mediterranen Gewächsen, die aus dem Boden seines Wintergartens am Rande von Berlin wachsen. Bodensubstrate auf Basis von Biokohle können Abfälle in Rohstoffe umwandeln und damit eine echte regionale Kreislaufwirtschaft initiieren, erläutert der Agraringenieur. Weltweit angewandt, könnte diese Methode rund 20 Prozent des Kohlendioxids aus der Luft holen und zugleich die Böden dauerhaft fruchtbar machen. Der Gehalt an Treibhausgasen in der Atmosphäre würde damit entscheidend verringert und gleichzeitig der Hunger bekämpft. Schwarzerde - hergestellt von Landwirten und Kleinbäuerinnen, Hobbygärtnern und SlumbewohnerInnen - könne eine buchstäbliche Graswurzelrevolution auslösen.

Wintergarten am Passivenergiehaus
Wintergarten am Passivenergiehaus

Terra Preta do Indio, so lautet der portugiesische Name für die Schwarzerde aus dem Amazonasgebiet, die erstmals von früheren Indiokulturen angelegt wurde. Deutsche Wissenschaftler, darunter Haiko Pieplow, versuchen seit 2005 dem Geheimnis ihrer Herstellung auf die Spur zu kommen. Pieplows Garten ist regelrecht überwuchert mit Gemüsen, Früchten, Blumen und Schmetterlingsgräsern. Hinter der südlichen Glaswand seines raffiniert gebauten und raffiniert belüfteten Passivenergiehauses züchtet er Tomaten, Weintrauben, Guaven, Feigen und Granatäpfel. Im Garten gedeihen typische Obste und Gemüse aus unseren Breitengraden. Ein Hauch von Paradies durchzieht das ganze Grundstück. Wie Pieplow durch das Haus führt und all die Behälter zeigt, in denen Abfälle wiederverwertet werden – Essensreste, Holzspäne, Brauchwasser, Kot, Urin -, da wirkt er wie ein moderner Alchemist, der aus Exkrementen Gold macht – schwarzes Gold.

Feigenbaum mitten in Berlin
Feigenbaum mitten in Berlin

Alchemie, erster Eimer

Das ist Terra Preta       

Im Jahr 1542 befuhr der spanische Conquistador Francisco de Orellana den Amazonas, um das legendäre El Dorado zu suchen. Er berichtete von riesigen Städten an seinen Ufern, in denen Millionen Indios lebten. Da spätere Expeditionen nichts mehr fanden, glaubte man lange, Orellana habe gelogen. Dem Spanier entging indes, dass er tatsächlich ein El Dorado gefunden hatte: eine Kultur, die auf dem „schwarzen Gold der Erde“ basierte. Das Wissen um die Herstellung der Indianer-Schwarzerde, die anders als der nährstoffarme Regenwaldboden sehr fruchtbar ist, ging jedoch mit der Ausrottung der Ureinwohner verloren und gelangte erst in den 1990er Jahren in den Fokus von Forschern. Die uralten, teilweise meterdicken Schichten am Amazonas bestehen aus einer Mischung von Holzkohle, Exkrementen, Knochen und organischen Abfällen, durchsetzt mit Tonscherben – möglicherweise Überreste von riesigen Tongefäßen, in denen Siedlungsabfälle zu fruchtbarem Dauerhumus für Hochbeete umgewandelt wurden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Milchsäurefermentierung, wie sie seit Jahrtausenden zur Nahrungsmittelkonservierung genutzt wird – Beispiel Sauerkraut. Mehr über die Geschichte der Terra Preta erfahren Sie hier: Terra Preta - Biokohle - Klimafarming

Im holzverkleideten Badezimmer steht neben dem Wasserklosett für die Gäste ein weißer Behälter, und daneben ein Pott mit feiner Holzkohle. Dies ist die luftdicht verschlossene Trocken-Trenntoilette. Dass sie nicht stinkt und nicht einmal ansatzweise müffelt, ist der Holzkohle zu verdanken, die das Ehepaar Pieplow nach jeder Benutzung per Schäufelchen darüberstreut. „Wichtig ist, Kot und Urin zu trennen“, erklärt der Hausherr und zeigt zwei Pipi-Behälterchen, die der männlichen und weiblichen Anatomie angepasst sind. Urin enthält viel Stickstoff und für das Wachstum der Pflanzen wertvollen Phosphor, der sich jedoch bei der Herstellung der Terra Preta ähnlichen Schwarzerden negativ auswirkt. Pieplow bewahrt sein „Goldwasser“ auf, es dient ihm zehnfach verdünnt in der Vegetationszeit als „ausgezeichneter Dünger“.

Und die Exkremente? Es heißt doch überall, dass es gefährlich sei, menschliche Exkremente auf Äcker aufzubringen? Kot sei ein Wertstoff, klärt er auf. Um ihn wirksam aufzubereiten, müsse er jedoch mindestens ein halbes Jahr lang richtig behandelt werden. Pieplow zitiert den Künstler und Visionär Friedrich Hundertwasser: „Natürlich ist es etwas Ungeheuerliches, wenn der Abfallkübel in den Mittelpunkt unserer Wohnung kommt und die Humustoilette auf den schönsten Platz zum Ehrensitz wird. Das ist jedoch genau die Kehrtwendung, die unsere Gesellschaft, unsere Zivilisation, jetzt nehmen muss, wenn sie überleben will.“

Wer Terra Preta produzieren wolle, könne das aber auch ohne Kotverwertung tun, stellt Pieplow klar. Holzkohle, Küchen- und/oder Gartenabfälle genügten völlig. Doch für die Bewohner von kanalisationslosen Slums in südlichen Ländern sei die neue Toilette perspektivisch ein Segen. „Jeder kann sprichwörtlich sein kleines Geschäft damit machen, Terra Preta herstellen und gleichzeitig teure Entsorgungsanlagen sparen.“ Und er berichtet davon, dass schon die alten Römer Götter der Abfallverwertung angebetet haben: Stercutius, den Gott des Kotes, Crepitus, den Gott des Abwindes, und Cloacina, die Göttin der Abzugskanäle.

Alchemie, zweiter Eimer: Kohl und Kohle

Bokashi    

Bokashi kommt aus dem Japanischen, wo es "Allerlei" bedeutet. In der EM Technologie bezieht sich das „allerlei“ auf eine Mischung aus verschiedensten organischen Abfällen wie Mist, Küchenreste, Blätter, Gras, die unter Luftabschluss vergoren werden. Auf diese Weise entsteht eine besondere Form von Kompost, die durch eine Vielfalt von fermentativen Mikroben bewirkt wird. Die Fermentation schließt ab, wenn der pH Wert unter 4 abgesunken ist.

Im Wirtschaftsraum steht ein roter Plastikeimer mit Küchenabfällen und Holzkohle, einige Lagen darunter auch das Kotgemisch. Haiko Pieplow hebt den Deckel hoch. „Riechen Sie was?“ Nein, genauso wenig wie auf dem Örtchen. Die Abfälle, erklärt er, müssten luftdicht abgeschlossen und gepresst werden („Bokashi“), damit die Milchsäurevergärung beginne. Die dafür nötigen Mikroorganismen könne man kaufen, aber im Prinzip seien sie auf Obst und Gemüse ausreichend vorhanden. Auch die möglichst feine Holzkohle könne man entweder erstehen oder selbst produzieren. Er selbst stellt eine Dose mit Sägespänen über Nacht in seinen Kamin, am nächsten Morgen sind die Späne geröstet und die Biokohle ist fertig. „Man kommt von selbst auf die richtigen Ideen, wenn man den ersten Sack Grillkohle zerkleinert hat und schwarz wie ein Schornsteinfeger ist“, sagt er schmunzelnd.

Alchemie, dritter Eimer: Würmer satt

Haiko Pieplow führt in den Garten, dorthin, wo nach etwa einem halben Jahr auch das Bokashi-Gemisch landet: zu den Kompostbehältern. „Erst in den Mägen der Regenwürmer und Kompostbewohner entsteht die perfekte Schwarzerde“, erklärt er. Ist Terra Preta also Regenwurm-Sklaverei? „Nein“, lächelt er. „Eher eine Symbiose. Wir füttern sie ja gut. In unserem Kompost gibt es regelrechte Wurm-Nester.“

TP-Kompostwurm + Kokons

„Holzkohleverwendung und Milchsäurevergärung sind weltweit bekannte uralte Verfahren, die niemand patentieren kann. Die Indios am Amazonas kannten das Geheimnis“, erklärt der Agraringenieur. Und mit großer Wahrscheinlichkeit haben auch andere Völker ihre fruchtbaren Gartenerden auf ganz ähnliche Weise hergestellt. Es ist einfach viel zu naheliegend, als dass nicht viele Bauern unabhängig voneinander ähnliche Methoden entwickelt hätten. Den Holzkohlenstaub jedenfalls kann man in den Böden der meisten landwirtschaftlich genutzten Regionen der Welt nachweisen.

Einige kleine Firmen, mit denen Haiko Pieplow teilweise zusammenarbeitet, bieten die Zutaten an, aber man kann genauso selbst experimentieren, um Terra Preta ähnliche Erden herzustellen. Er hofft deshalb auf die weltweite Kreativität von Kleinbauern und Hobbygärtnerinnen, um die Graswurzelrevolution von unten zu starten und zu verhindern, dass weltweit agierende Konzerne ein patentrechtlich geschütztes Terra-Preta-Monopol aufbauen.

Das kann Terra Preta         

Schwarzerde kann Kunstdünger, Pestizide und Gentechnik ersetzen und damit perspektivisch die Macht der Agrochemie von unten aushöhlen. Terra-Preta-Böden erschöpfen sich nicht, sondern können sogar nachwachsen. Sie sind gut durchlüftet, halten das Wasser viel besser als gewöhnliche Böden, Nährstoffe waschen nicht aus. Auf Terra Preta Böden wachsen kerngesunde Pflanzen. Warum? Das erste Geheimnis ist die Holzkohle. Die schwammartige poröse Struktur der Biokohle speichert Wasser und Nährstoffe. In ihren Hohlräumen – und das ist das zweite Geheimnis - siedeln sich komplexe Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen an. Besonders wichtig sind milchsäurebildende Mikroorganismen. Der Effekt wird in der Landwirtschaft auch durch die aus Japan stammenden „Effektiven Mikroorganismen“ (EM) zur Bodenverbesserung genutzt. Für Terra Preta wird zuerst eine Holzkohlen-Silage (auf Japanisch „Bokashi“) durch milchsaure Vergärung von organischem Material hergestellt (Küchenabfälle, Stroh, Dung, menschlicher Kot). Die gewonnene Substanz dient als willkommenes Futter für Regenwürmer und anderes Getier, die zum Dank schwarze Erde ausscheiden. Terra Preta ist im Prinzip auf jedem Balkon, in jedem Kleingarten und in jeder Komposttonne herstellbar. Selbst Städter könnten mit dieser Schwarzerde ihre eigenen Lebensmittel auf Balkonen und im Kleingarten erzeugen.


Biokohle können Sie bei Swiss-Biochar erwerben (www.swiss-biochar.com). Weitere Rohstoffe und Materialien für die Herstellung von Bokashi finden Sie u.a. bei Triaterra und bei Amino-Comp).

  • graubartnr
    03.07.2010 06:50

    Schade, dass der noch an den Klimawandel (CO2) glaubt!
    Klimawandel durch CO2 ist eine Lüge!
    Informationen dazu lassen sich ganz einfach im Internet finden.

  • Frhr v. Verschuer
    07.09.2010 12:11

    Früher hat man den Meschen mit der Hölle Angst gemacht, heute halt mit Co2.
    Auch wenn es nichst nützen sollte, CO2 der Atmosphäre langfristig zu entziehen, so kann es bestimmt nicht schaden. Hilfreich ist es in jedem Fall, die Produktivität der Flächen für Lebensmittelproduktion unter dem Gesichtpunkt der Nachhaltigkeit zu verbessern. Biomasseverstromung (Abfallprodukt Terra Preta) könnte ein Beitrag zum Einstieg in die dezentrale Energieversorgung sein.
    Die Laufzeitverlängerung der AKW`s bringt 15 MRD € in den Fonds für alternative Energien. Das allerdings ist das AUS der dezentralen Energieversorgung, denn dieser Fonds wir von den 4 Energie Monopolisten lobbiistisch verwaltet. Das vom Stromkunden so angehäufte Geld wird jedoch nicht in kleine dezentrale Projekte investiert werden, sondern ausschließlich die Wertschöpfung der Multis verbessern.
    Der Stromkonsens ist eine Mogelpackung.
    Auf nach Stuttgart und einen heißen Herbst noch.
    Frhr. v. Verschuer

  • Helmut
    28.07.2011 21:12

    Wenn man durch Holzhackschnitzel das heisse Abgas einer Holzgasflamme durchleitet, wird weiteres Holzgas ausgetrieben und Holzkohle bleibt zurück. Das ist das Prinzip der Öfen von "Worldstove". Theoretisch kann man davon auch unverbranntes Holzgas abzweigen und damit einen Motor betreiben (und damit zur Verstromung einen Generator). Das Problem bei Holzgas ist, dass es Teer, Essig und Asche enthält, wodurch der Motor geschädigt wird. Man kann das Gas reinigen, z.B. mit Wasser in einem Sprühwäscher, dann hat man aber eine giftige Brühe. Die kenn man mit Kalk filtern, dann hat man aber immer noch den giftigen Teer, nun in Kalk gebunden. Hier existiert noch ein grosser Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Wer das Problem löst, kann reich werden: Man kann Holzhackschnitzel (billig) erwerben und daraus gleich vier Produkte machen, die man für gutes Geld verkaufen kann: 1. Biokohle bzw. Terra Preta, 2. Strom, 3. Wärme zum Heizen, 4. Emissionsrechte für den sequestrierten Kohlenstoff (nachdem man die Holzkohle mit Sand, Ton, Pflanzenresten etc. vermischt und dadurch dauerhaft unbrennbar gemacht hat). Also: Es lohnt sich! Wenn man es in grösserem Maßstab betreibt, kann man das Teerproblem dadurch umgehen, dass man das Holzgas in einer Flamme (statt in einem Motor) verbrennt, und damit einen Dampfkessel und eine Turbine betreibt. Das geht aber nicht mehr dezentral (Turbinen sind nur groß gut), und man verliert den Vorteil der dezentralen Wärmenutzung (BHKW). Stirlingmotor würde gehen, ist aber erheblich teurer als Ottomotor. Alles nicht ganz einfach. Weiter nachdenken!

  • Jochen Binikowski
    31.07.2011 00:10

    Eine derartige Anlage ist schon vor über 6 Jahren erfunden worden, allerdings scheint sich diese Technik noch nicht großflächig durchzusetzen:

    http://www.patent-de.com/20070726/DE102005045166B4.html

    Das wäre eine perfekte Sache für die Tropen, wenn die Anlage z.B. auf dem Hof einer Reismühle steht und mit Reishülsen befeuert wird. Also Null Kosten für Beschaffung und Lagerung der Biomasse. Wenn mit dem Strom z.B. ein benachbartes Kühlhaus und mit der Abwärme Trockenanlagen und Backöfen betrieben werden und aus dem Aschegemisch organischer Dünger hergestellt würde hätte man eine extrem hohe Effizienz und lokale Wertschöpfung.

    Ich vermute mal das scheitert an den zu hohen Investitionen (m.W. ca. 50.000 EURO pro Anlage) und den Tücken der Technik vor Ort.

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