1. Deutsche Biokohle Symposium

von Lukas Bühler

Anfang Juli 2010 fand in Bayreuth ein erstes deutschsprachiges Symposium über Biokohle statt. Auf Einladung des berühmten Terra Preta Entdeckers, Bruno Glaser, kamen über 100 Vertreter von Wissenschaft, Industrie, Landwirtschaft und Politik zusammen, um über die Chancen, aber auch die möglichen Gefahren der Biokohletechnologie zu diskutieren.

BIOKOHLEERZEUGUNG, EINE TECHNOLOGIE MIT ZUKUNFT?

SymposiumBayreuth2010Die Hoffnung, die in die Biokohletechnologie gesetzt wird, stützt sich einerseits auf deren bodenverbessernde Eigenschaften und andererseits auf die Möglichkeit, die Klimaerwärmung abzubremsen. Letzteres wird durch den Eingriff in den Kohlenstoffkreislauf erreicht, indem durch Verkohlung von Biomasse die CO2-Bildung vermieden und stabile Biokohle in den Boden eingelagert wird. Der Humusgehalt in den Landwirtschaftsböden wird damit stabilisiert, ja sogar wieder aufgebaut. Da außerdem eine verminderte Freisetzung des extrem klimaschädlichen Lachgas (N2O) aus landwirtschaftlichen Böden ereicht wird, ist der Gesamteffekt relativ hoch. Zusätzlich könnten die bodenverbessernden Maßnahmen zu einem beträchtlichen Energieeinsparungspotential führen, da energieintensive Stickstoff- und Phosphatdünger reduziert werden. Ein Teil der während des Verkohlungsprozesses freigesetzten Energie kann zudem nutzbar gemacht werden. In Verbindung mit anderen ökologischen Maßnahmen besteht somit die Hoffnung, dass mit Hilfe der Biokohle die Landwirtschaft klimafreundlicher produzieren und dabei sogar zu einer CO2 Senke werden kann.

Die Risiken der Biokohle stehen in Zusammenhang mit der möglichen Freisetzung von Schadstoffen während der Produktion, sowie in der Ausgasung und Auswaschung unerwünschter Stoffe wie PAK, was negative Auswirkungen auf die Bodenqualität, das Grundwasser und das Pflanzenwachstum haben könnte. Von der Seite der Forschung ist es sehr wichtig, diese Gefahrenpunkte durch Versuche sorgfältig abzuklären und zu dokumentieren. Die größte Gefahr allerdings besteht darin, dass die zur Biokohleherstellung nötigen Biomassen durch intensive Landwirtschaft oder gar Abholzung gewonnen werden, was rechtzeitig durch politische Rahmenbedingungen verhindert werden muss.

BODENVERBESSERNDE MASSNAHMEN

Durch die bodenverbessernden Eigenschaften der Biokohle, lassen sich die Böden durch höhere biologische Aktivität langfristig fruchtbar halten und die Zufuhr von mineralischen Düngern reduzieren. Erreicht wird dies insbesondere durch die sorbierenden Eigenschaften der Biokohle-Humus-Komplexe für Nährstoffe und Wasser. Die Biokohle soll Bedingungen für ein eigentliches Nährstoffrecyclingsystem im Boden schaffen, in welchem die Nährstoffe an die Kohle gebunden und dadurch nicht ausgeschwemmt oder ausgegast werden. Mikroorganismen führen die solcherart gebundenen Nährstoffe wiederum den Pflanzen zu, weshalb die Mikrobiologie eine zentrale Rolle im System einnimmt. Durch den erhöhten Gehalt der organischen Substanzen im Boden kann die Wasserspeicherkapazität positiv beeinflusst werden, was zu optimaler Wasserversorgung führt.

terra-preta5Als Ideal einer nachhaltig fruchtbaren Bodenkultur gilt die Terra Preta, die kohlenstoffreichen, von Menschenhand geschaffenen Böden des Amazonasgebietes. Die Eigenschaften der historischen Terra Preta sind beeindruckend. Die Kohle scheint jedoch nur eine Zutat von vielen zu sein. Neben der Holzkohle wurden in den historischen Böden auch Speisereste, menschliche Exkremente, Fischgräten, Tonscherben und kompostähnliches Material gefunden. Aufgrund praktischer Versuche und Betrachtungen zur Terra Preta raten immer mehr Forscher und Anwender dazu, die Kohle nicht unbehandelt dem Boden zuzuführen, sondern Grüngut mit Biokohle zu kompostieren und diesen Kompost erst als reifes, mit Mikroorganismen durchsetztes Substrat, in den Boden einzuarbeiten.

Dank der Zugabe von Biokohle kann der Kohlenstoffertrag von Kompost erheblich gesteigert werden, wie Gerald Dunst als Ergebnis seiner Versuche zeigte. Dank des Zusatzes von 20 gew.-% Biokohle konnten bis zu 80% des Ausgangskohlenstoffes in Humus umgewandelt werden. Die Kohle wird somit nicht direkt zu einem bodenverbessernden Mittel, sondern vor allem dazu gebraucht, die Kompostierung zu optimieren. Erst mit dem von Biokohle durchsetzten Kompostsubstrat kann später der Humusgehalt auf dem Feld aufgebaut werden. Die Ökoregion Kaindorf strebt für ihre Böden einen Humusgehalt von über 5% an, da erst ab einem solchen Humusgehalt ein natürliches Nährstoffrecyclingsystem entstehen kann und somit eine langfristige Versorgung der Böden mit Nährstoffen gewährleistet wird.

KOHLENSTOFF SEQUESTRIERUNG

Um den Aspekt einer langfristigen Kohlenstoff-Sequestrierung in landwirtschaftlich genutzten Böden zu verfolgen, muss die organische Substanz zumindest teilweise in einen für viele Jahrhunderte stabilen Zustand überführt werden. Dies scheint durch die Umwandlung zu Biokohle möglich. Eine weitere Hoffnung besteht darin, dass für die Herstellung der Biokohle organische Abfallprodukte, d.h. qualitativ minderwertiges Material, benutzt werden kann. Für eine erfolgreiche Kohlenstoff Sequestrierung scheint momentan nur die pyrolytisch hergestellte Biokohle genügend stabile Formen hervorzubringen. Das Potential der Kohlenstoffsequestrierung durch Biokohlenzusatz muss jedoch noch genauer erforscht werden.

ENERGIEGEWINNUNG DURCH KARBONISIERUNG

Durch die Abspaltungsreaktionen im Karbonisierungsprozess werden Wasserstoff und Kohlenwasserstoffgase gebildet, die verbrannt werden können. Vom Ausgangsprodukt bleiben bei der Pyrolyse ca. 60% der Energie in der Kohle gespeichert, 40% werden in Form von brennbaren Gasen freigesetzt. Die mögliche Art der Nutzung zur Strom- oder Wärmeerzeugung und damit schließlich zur Leistung mechanischer Arbeit wird im Wesentlichen durch die Größe der zukünftigen Anlagen und deren Standorte mitbestimmt. Das Potential einer möglichen energetischen Nutzung durch die Verkohlung wurde sehr eindrücklich von Christa Roth dargestellt, die die Pyrolyse im Kleinstformat betrieb und die entstehenden Gase als Treibstoff für Kocher benutzte.

PYROLYSEKOHLE VERSUS HTC-KOHLE

Wegen ihren stark unterschiedlichen Eigenschaften ist zwischen der Pyrolyse- und HTC-Kohle zu unterscheiden. Das HTC-Verfahren findet bei hohem Druck, relativ niedriger Temperatur (ca. 250 grd C) und in wässriger Lösung statt, was den Vorteil hat, dass auch flüssige Rohstoffe zur Umwandlung geeignet sind. Der HTC-Prozess macht die Produkte aber stark von den Ausgangsstoffen abhängig, was hochwertige Materialien zur Kohlenproduktion voraussetzt.

Phytoxikologische Tests mit Keimversuchen von Daniela Busch, aber auch Jürgen Kerns Biotests mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans, führten bei HTC Kohle zu teilweise negativen Resultaten. Dies weist darauf hin, dass Prozessdurchführung und Auswahl des Ausgangsmaterials noch stark optimiert werden müssen, um positive Eigenschaften zu erhalten. Die HTC Kohlenforschung befindet sich somit noch auf der Stufe der Grundlagenforschung, wobei ein vielversprechendes Potential in Bezug auf Ausbeute und auf die Beeinflussung der Kohlestruktur besteht. Die Produkte der Pyrolyse sind im Gegensatz zur HTC-Kohle weniger empfindlich auf organische Belastungen des Ausgangsmaterials. Die Pyrolyse findet bei wesentlich höheren Temperaturen statt (>400°C), wobei sämtliche organische Moleküle aufbrechen. Da die Pyrolyse eine bereits historisch sehr lange bekannte Methode ist, besitzt man wesentlich mehr Erfahrung mit den möglichen Problemstoffen. Durch das nachgeschaltete Flox-Verfahren zur Oxidation der Synthesegase (Pyreg-Verfahren) ist zudem eine umweltschonende Pyrolysekohleproduktion ermöglicht worden.

VISIONEN UND BÜRGERINITIATIVEN

Haiko Pieplow vom Bundesministerium für Umwelt erläuterte sehr eindrücklich die historischen Wurzeln der Kohlebeimischung in organische Abfallstoffe in den Tropen. Als Hypothese zur Entstehung der Terra Preta macht er ein ausgeklügeltes Abfallsystem verantwortlich, in dessen Mittelpunkt Tontöpfe zur Milchsäuregärung stehen. Seiner Meinung nach wurde die Holzkohle vor allem benutzt, um den Gärungsprozess zu beeinflussen und um die beigemischten menschlichen Exkremente und Speisereste zu hygienisieren. Mit diesen Ausführungen spannte Haiko Pieplow den Bogen von der Herstellung der Terra Preta zur heute gängigen Abwasserbehandlung.

In einem alternativen Sanitärsystem könnte die Biokohle zur Hygienisierung menschlicher Exkremente benutzt werden, was zu einer trockenen Sanitärversorgung führen würde, welche den Dünger für die Felder produziert. Historische Betrachtungen führen dazu, dass die heutige Praxis nur durch Sanitärsysteme mit billigem Wasser und einer billigen Energieversorgung möglich ist. Dies führte zu einer Unterbrechung der Nährstoffkreisläufe, zu enormen Wasser- und Energieverbrauch und hat einen großen Verlust an wertvollen Nährstoffen zur Folge. Insbesondere bei begrenzt vorhandenen Nährstoffen wie Phosphor, aber auch bei stark energieabhängigen Nährstoffen wie Stickstoffdünger kann dies in Zukunft zu massiven Versorgungsproblemen führen. Haiko Pieplows Vision zielt daher dahin, dass die Nährstoffkreisläufe regional wieder geschlossen werden. Durch Milchsäuregärung mit Einsatz von Biokohle könnten aus heutigen Abfallstoffen schon morgen wertvolle Rohstoffe werden (siehe auch hier).

Da tierische und menschlich Exkremente leider nicht nur mikrobiologische Gefahren in sich bergen, sondern auch zahlreiche Problemstoffe aus der Apotheke mit sich tragen, würde die Pyrolyse von Exkrementen, also deren Umwandlung in Biokohle, eine insgesamt nachhaltigere Rohstoff-Rezyklierung ermöglichen. Da die Pyrolyse-Anlagen, wie diejenige von Pyreg, auch Klärschlamm zu Biokohle verarbeiten kann, ohne das gesamte Klärsystem revolutionieren zu müssen, scheint hier das größere Potential zu liegen.

kainsdorf

Ein sehr ambitioniertes Projekt verfolgt die Ökoregion Kaindorf, das von Gerald Dunst, dem Leiter der Arbeitsgruppe Landwirtschaft, vorgestellt wurde. Die Ökoregion Kaindorf hat zum Ziel, als Wirtschaftsraum bis ins Jahr 2020 eine klimaneutrale Bilanz vorzuweisen. Dies wird unter anderem mit einer Umstellung der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen auf konsequente Humuswirtschaft erreicht. Das Ziel dabei ist, eine möglichst große Menge an Kohlenstoff im Boden zu speichern und die Böden durch die verbesserte Bodeneigenschaften gleichzeitig auf den Klimawandel vorzubereiten.

HERSTELLUNGSTECHNOLOGIEN

Die aktuelle Herstellung von Kohlen aus Biomasse mit den Techniken der Pyrolyse, der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC) und der Thermokathalytischen Niedertemperaturkonvertierung (NTK) wurde in einem Überblick von Helmut Gerber und Sebastian Mayer dargestellt. Als Vertreter der industriellen Produktion von Pyrolysekohle aus Holz konnte Bernd Schottdorf aufzeigen, wie Holzkohle nach dem heutigen Stand der Technik hergestellt wird. Peter Wieczorek von der Firma Artec hat sich auf die Produktion von HTC Kohlen spezialisiert und stellt diese aus unterschiedlichsten Substraten her. Helmut Gerber, der Gründer der Firma Pyreg, stellte das Herstellen von Pyrolysekohlen aus Reststoffen vor.

Weltweit werden bisher noch immer 90-95% der konsumierten Holzkohle in traditionellen Köhlereien in Entwicklungsländern hergestellt. Die dabei entstehenden Emissionen und die Belastungen der Holzkohlen mit Schadstoffen sind oft enorm. Um die Herstellungsprozesse der Biokohle umweltverträglich zu gestalten, ist laut Helmut Gerber vor allem auf die Einhaltung dezentraler Stoff- und Energiekreisläufe zu achten und die Vermeidung von Schadstoffen in den Gasen und den Auswaschungsprodukten zu gewährleisten.

Die große Herausforderung der nächsten Jahre liegt darin, alle Aspekte rund um das Thema Biokohle von wissenschaftlicher Seite sorgfältig abzuklären (siehe auch hier), um die nachhaltig positiven Eigenschaften dieser neuen Technologie zu erhärten und negative Begleiterscheinungen zu vermeiden. Dies betrifft sowohl die Herstellung der Biokohle als auch ihre Anwendung in landwirtschaftlichen Böden.

weitere Informationen zum 1. Biochar Symposium Bayreuth 2010

  • Melanie
    28.07.2010 12:39

    Interessanter Artikel. Meint ihr wirklich, dass das Zukunft hat? Positiv wäre es ja sicherlich.

  • Ullrich Franz
    30.07.2010 12:12

    Die Sache gefällt mir ausserordentlich. Es entsteht aber gleichzeitig ein Berg von Fragen, die ich hier noch nicht beantwortet finde. Welche Rolle spielt die Milchsäuregärung? Kann anstelle von Holzkohle auch Klinopthilolith ( Zeolith) die Funktion des mikroporösen Speiches übernehmen? Ist bei der Erzeugung von Ton-Humuskomplexen im Verdauungstrakt von Eisena foeditia ( Mistwurm) die Kohle nicht doch kontraproduktiv?. Lassen sich eventuell REM Aufnahmen machen, die bisherigen Annahmen bestätigen.

  • Jochen Binikowski
    03.08.2010 09:11

    Ich sehe ein großes Problem in der internationalen Terra Preta Forschung: In den veröffentlichten Studien geht es bei den Versuchspflanzungen fast immer um den Vergleich von konventionell zu bio/Holzkohle. Die Ergebnisse bzw. Schlußfolgerungen dieser Studien richten sich oftmals nach der Interessenlage der Auftraggeber.

    Was fast völlig fehlt sind Versuchspflanzungen mit einer Kombination von Chemie und bio. Damit haben wir nämlich bislang die besten Ergebnisse erzielt und wir wissen dass viele andere Farmer auf den Philippinen sozusagen auf eigene Rechnung in dieser Richtung experimentieren bzw. es schon kommerziell anwenden.

    Wenn die Terra Preta Forschung Sinn machen soll müssen Methoden entwickelt werden, mit denen Kleinbauern schon ab der ersten Ernte eine Erhöhung des Nettoverdienstes (in Geld, nicht unbedingt in KG) erzielen. Nur dann werden sich neue Techniken schnell und flächendeckend durchsetzen. Alles andere ist nur teures "Spielzeug" für Akademiker und/oder Subventionsverteiler.

    @ Ullrich Franz: Viele Fragen, zumindestens zeigen fast alle Versuche weltweit dass Holzkohlepulver im Kompost bzw. in der Pflanzerde positive Auswirkungen auf die Tätigkeit der Regenwürmer hat. Dieses Thema wird Gegenstand einiger unserer neuen Experimente sein.

Bitte schreiben Sie uns Ihren Kommentar