Klimastrategie der Schweizer Landwirtschaft

von Hans-Peter Schmidt

Als weltweit erstes Land hat sich die Schweiz eine umfassende Klimastrategie für die Landwirtschaft verordnet. Angelegt als ein ganzheitliches Konzept, werden in dem Strategiepapier nicht nur Reduktionsziele für Klimagase gesetzt, sondern Lösungsansätze für alle großen Problemfelder der Landwirtschaft vorgegeben. Denn die Ernährungssouveränität des Landes kann angesichts der bevorstehenden Klimakrise nur dann gesichert werden, wenn die Ökosysteme durch Humuswirtschaft und Förderung der Biodiversität gestärkt werden, wenn die  Ressourceneffizienz durch Schließung der Stoffkreisläufe erhöht wird und wenn sich das Konsumverhalten den Möglichkeiten nachhaltiger Landwirtschaft anpasst.

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Die große Politik windet sich mit leeren Parolen durch die Wahlkämpfe, lächelt unisono in die Zukunft, jongliert mit Milliarden und anderen Häppchen für die mediale Vereinfachung und Infantilisierung der Wähler. Wie oft möchte man zwischen all den Wahlwochenenden, Tagesschauen und Talkshowrunden jede Hoffnung fahren lassen. Doch wäre die Politik tatsächlich so handlungsunfähig und intellektuell beschränkt, wie sie durch die medialen Filter erscheint, wäre das Land, ja der ganze Kontinent längst untergegangen, die Natur zerstört, der Lebensstandard auf Kriegsniveau.

Die eigentliche Fach- und Sachpolitik finden im Schatten der Wahlplakate, Pressemeldungen und Talkshows statt. In den Bundesämtern und Ministerien arbeiten bestens ausgebildete, hoch motivierte, intelligente Fachleute weitestgehend unabhängig von allen Wahlperioden. Dank dieser, von der Öffentlichkeit meist kaum wahrgenommenen Administration, funktionieren die Staaten in der Mitte Europas und entwickeln, trotz allen anderen Anscheins, Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft.

Ein außerordentlich bemerkenswertes Beispiel ist die Schweizerische Klimastrategie für die Landwirtschaft, die im letzten Jahr von den Fachleuten des Schweizerischen Bundesamtes für Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit den staatlichen Forschungsstationen und Universitäten erarbeitet wurde. Die Klimastrategie ist beeindruckend umfassend und zeichnet ganz und gar unideologisch die Perspektive für eine nachhaltige Reform der schweizerischen Landwirtschaft vor. Zwar ist es bisher nur ein Strategiepapier, aber es zeigt, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer ressourcenschonenden und naturnahen Landwirtschaft bei den Entscheidungsträgern vorhanden ist. Und es zeigt auch, dass die Grundlagen für eine Landwirtschaft in Einklang mit der Natur erfasst wurden und Wege gesucht werden, diese im politisch-ökonomischen Kontext des Landes erfolgreich umzusetzen.

Angesichts der Gefahren des Klimawandels wächst die Bedeutung der ökologischen Zusammenhänge. Nur robuste Ökosysteme mit hoher Biodiversität sowohl im Boden als auch auf den Feldern und Weiden, in den Wäldern und Städten, werden die Lebensgrundlage der Bevölkerung auch weiterhin erwirtschaften können und den Lebensraum sichern. In einer Klimalandwirtschaft geht es eben nicht nur um Treibhausgase und deren Reduktion, sondern es geht um die Bewahrung des natürlichen Gleichgewichts der Lebensräume und um die Stärkung der Ernährungssouveränität des Landes.

Die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel ist direkt mit der Förderung der Ökosystemdienstleistungen verbunden. Nur humusreiche, fruchtbare Böden können das Wasser der zu erwartenden Extremniederschlage zwischenspeichern, Hochwässer abmildern und Trockenperioden besser überstehen. Nur eine höhere Ressourceneffizienz kann auch in Zukunft die Versorgung mit Düngemitteln, Treibstoffen und Baumaterialien garantieren. Höhere Düngemitteleffizienz und humusreichere Böden schützen Trink- und Grundwasser. Die Reduktion der Emissionen im Stallbereich fördert die Tiergesundheit. Die Reduktion der Pestizide schützt die Biodiversität, was wiederum der menschlichen Gesundheit zu gute kommt. Höhere Effizienz im Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen und die intelligentere Nutzung der natürlichen Prozesse verbessert die Gesamtwirtschaftlichkeit. Alles hängt mit allem zusammen, und so empfiehlt es sich auch, besser das ganze System als nur einige Funktionsbereiche in Anschau zu nehmen. Die Schweizerische Klimastrategie Landwirtschaft ist ein wertvoller Schritt in diese Richtung. Wenn es gelingt, sie in den nächsten Jahren umzusetzen, wird sie nicht nur in der Schweiz Geschichte schreiben.

Das Ziel der Reduktion landwirtschaftlich verursachter Treibhausgase um 33% bis 2050 ist sehr bescheiden formuliert und unterlag mit Sicherheit einem harten politischen Kompromissverfahren, aber das Entscheidende ist der Weg und dessen Grundlagen zu einer nachhaltigen, naturnahen, klimafreundlichen Landwirtschaft sind gelegt.

Das gesamte Strategiepapier können Sie unter folgendem Link herunterladen: Klimastrategie Landwirtschaft

Der Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten schädigt die Umwelt

Der einzige wesentliche Vorwurf, den man der Klimastrategie machen könnte, betrifft die Heiligen Kühe der Schweizer. Rund 70% der gesamten Treibhausgasemissionen der Schweizer Landwirtschaft entfallen auf die Viehhaltung und hier insbesondere auf Rinder. Zwar besteht im Stallbereich, z.B. durch den Einsatz von Pflanzenkohle und milchsaurer Güllefermentierung, ein nicht unerhebliches Einsparungspotential (Verringerung der Stickstoffverluste um über 25 000 Tonnen/a), aber insofern bei Wiederkäuern 80% der Methanemissionen durch Ruminieren entstehen, sind die agrotechnischen Lösungen begrenzt.

Es kann also im Grunde nur durch die Verringerung des Konsums von Fleisch- und Milchprodukten zu einer Trendwende bei den landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen kommen. Würde es gelingen, den Konsum von Fleisch- und Milchprodukten im Land um 40% zu senken, wäre das derart weit in die Zukunft verschobene Ziel einer Treibhausgas-Reduktion um 33% bereits erreicht.

Bei der Lancierungsveranstaltung der Klimastrategie wurde das Thema des Fleischkonsums daher auch diskutiert, aber man tat sich schwer, über den Fleisch-Käse-Tellerrand zu schauen. Natürlich erfüllen die Kühe durch die Weidebewirtschaftung einen sehr wertvollen landschaftspflegerischen Dienst, den auch niemand absprechen will. Aber wenn man weiß, dass über 50% der Futtermittel für die Schweizerische Viehwirtschaft importiert werden und dies insbesondere aus Ländern wie Brasilien und Argentinien, so verfängt die Ausrede der romantischen Weidewirtschaft nicht wirklich.

Eine politische Zielvorgabe, den schweizerischen Viehbestand um 30% - 40% in den nächsten 10 Jahren zu senken, ohne die Minderproduktion durch Fleischimporte zu kompensieren, würde neue Denk- und Lösungsansätze einfordern und auch erbringen: Zum Beispiel eine CO2-Steuer auf Fleisch- und Milchprodukte, die ähnlich wie die CO2-Steuer auf Benzin als Lenkungsabgabe funktionieren würde und Finanzmittel für die nachhaltige Umstellung der Landwirtschaft und den von ihr verstärkt eingeforderten Ökosystemdienstleistungen bereitstellen könnte. Zudem liesse sich das Konsumverhalten auch direkt beeinflusst werden, wenn ähnlich wie die Warnhinweise der Zigarettenpackungen auf allen Fleisch- und Milchprodukten ein Aufkleber prangen würde: "Der Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten schädigt die Umwelt".

Um die Klimaziele zu erreichen, wird es in der Landwirtschaft ebenso wie in allen anderen klimarelevanten Bereichen noch viele unkonventionelle Lösungsansätze und kontroverse Diskussionen brauchen, aber es macht Mut, dass der Staat wie im Falle der Klimastrategie und des Atomsausstiegs seine Verantwortung wahrnimmt und mit hoher Fachkompetenz in den Bundesämtern Auswege eröffnet und ohne ideologische Scheuklappen den sich zuspitzenden Krisen zuvorzukommen versucht.

Das gesamte Strategiepapier können Sie unter folgendem Link herunterladen: Klimastrategie Landwirtschaft

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