Ehre die Traube, vertrau der Natur
von Jason Lett & Ken Payton
sie dem Winzer ihren Charakter verweigert, wenn er nicht für die Lebendigkeit des Bodens im Weinberg sorgt. Grund genug übrigens, dass Spitzenwinzer im Burgund schon seit längerem ihren Pinot Noir biologisch anbauen, auch wenn nur die wenigsten es öffentlich eingestehen.
Entscheidend für die Einsicht, dass die Noblesse des Pinot dem lebenden Terroirboden entspringt, war Anfang der 1980er Jahre eine Verkostung in Paris, als ein namenloser Pinot Noir aus Oregon, USA, fast alle namhaften Burgunder an Finesse und Subtilität übertraf. David Lett hatte in einem No-Name-Land mit wurzelechtem Pinot Noir, der nie mit Herbiziden, chemischen Pestiziden, nie mit Mineraldünger und Insektiziden in Berührung gekommen war, den jahrhundertealten Charakter des Pinot Noir eindrücklich wiederbelebt und damit den Ehrgeiz der Burgunder angespornt, über den Schatten der Agrochemie zu springen.
Ken Payton interviewt Jason Lett, den Sohn jenes Winzers aus Oregon, der 2005 das Weingut seines Vaters übernahm.
[im Folgenden finden Sie die für Ithaka relevanten Auschnitte, das vollständige Interview können Sie hier lesen]Ken Payton: Alice Feiring schrieb einst über Ihren ersten Wein, er „habe den Mut, auch die Erde (und nicht nur die Frucht) durchschimmern zu lassen". Was denken Sie über Weinkritiker?
Jason Lett: Kritiker sagen manchmal nette und manchmal grausame Dinge. Wie auch immer, wenn man seine Sache liebt, macht man einfach weiter seinen Wein, ganz gleich, was die Kritiker sagen. Es hilft sehr, sich von seinen Reben leiten zu lassen, statt zu versuchen, einen bestimmten „Stil" hinzubekommen. Wenn man den Jahrgang und die Lage zum Ausdruck bringt und die Weine rein hält, hat man seine Aufgabe erfüllt.
Ich habe unglaubliches Glück gehabt, dass ich meinen Vater zum Vorbild hatte. Er ist bei seiner Art des Weinherstellens sehr taoistisch - setze nie den Ausdruck des Weinbergs aufs Spiel. Vor allem brachte er mir bei, das eigene Ich aus der Sache herauszuhalten. Sobald man den Wein dazu verwendet, sich selbst ein Denkmal zu setzen, stirbt er und wird zum bloßen Getränk.
Ken Payton: Oregon spielt in Amerika die führende Rolle in der Ökologisierung des Weinbaus. Ihr berühmter Vater, David Lett, war auf diesem Gebiet ein Pionier, und Sie sind in seine Fußstapfen getreten. Wie kommt es, dass öko-freundliche Verfahren in Oregon so stark florieren?
Jason Lett: Die Werke von Rachel Carlson haben meinen Vater stark beeinflusst. Er kam mit dem Ziel nach Oregon, Trauben ohne giftige Chemikalien anzubauen, was damals ein ziemlich radikaler Schritt war.
Viele, die nach meinem Vater kamen, waren ebenfalls auf der Suche nach neuen Verfahren. Darum kamen sie nach Oregon. Wir begannen beim Weinbau quasi mit einem weißen Blatt Papier.
Ken Payton: Könnten Sie uns etwas dazu sagen, wie Eyries Weinberge gepflegt werden, wie Eyrie die Biodiversität erhält, zum Beispiel durch nutzbringende Insektenpopulationen oder Bodengesundheit?
Jason Lett: Hm, was an uns positiv ist, lässt sich am besten durch das Wort „nein" ausdrücken. Keine Herbizide, keine Insektizide, keine Bewässerung, keine synthetischen Chemikalien. So machen wir es von Anfang an. Wir bearbeiten den Boden auf einzigartige Weise, es erwächst aus einer großen Bewunderung für schlichte Kriechtiere.
Der Boden ist etwas Lebendiges, das aus Schmutzpartikeln und den vielen Lebewesen besteht, die ihn zusammenhalten. Es ist ein empfindliches Gleichgewicht von Bakterien, Pilzen, Algen, Insekten und Pflanzen. Die mechanische Manipulation des Bodens bringt das Gleichgewicht durcheinander.
Grundsätzlich ist es so, dass wir einen Weinberg, sobald er aufgebaut ist (etwa acht Jahre nach der Pflanzung), nicht mehr pflügen. Wir mähen das Gras zwischen und unter den Reben, aber wir sehen ungern freiliegenden Dreck.
Weinstöcke sind stark von ihrem Verhältnis zu Bodenpilzen als Nährstofflieferanten abhängig. Pflügt man den Boden, ändert man damit das Gleichgewicht der Populationen und wirft so die ganze Balance über den Haufen. Das war mir schon früh klar.
Als ich zu Eyrie zurückkehrte, entnahm ich dem Boden eine Reihe von Nährstoffproben. Die Weinberge waren seit Jahren nicht gedüngt, und ich rechnete mit großen Mängeln. Als ich die Laborwerte zurückbekam, war ich fast schockiert: Alles war in Ordnung. Ich ging mit der Analyse zum örtlichen Experten für organische Ergänzungsstoffe (der zufällig auch Düngemittel verkauft), und er meinte, die Böden seien in Ordnung und bräuchten keine Zusätze.
Woher bekamen die Weinstöcke während dieser Jahrzehnte ihre Nährstoffe? Aus dem Boden, durch ihre engen Beziehungen zu den Bodenorganismen. Wir greifen also nur ganz behutsam ein.
Ken Payton: Haben Sie bei Eyrie in den vergangenen Jahren irgendwelche Veränderungen vorgenommen?
Jason Lett: Ich versuche nicht, irgendetwas bewusst zu verändern. Ich benutze dieselbe Ausrüstung, mit der ich aufgewachsen bin, stelle Wein aus denselben Weinstöcken her, mische ihn auf dieselbe Weise.
Dennoch sind Veränderungen nötig. Wein ist der Ausdruck einer Vielzahl winziger Details. Wie fest man einen Schlauch während des Abstichs einklemmt, kann Einfluss darauf haben, wie viel Sauerstoff der Wein beim Umfüllen aufnimmt und die Frucht zum Ausdruck kommt. Füllt man die Fässer alle 14 Tage auf, ergibt dies einen anderen Wein, als wenn man sie alle 10 Tage auffüllt. Die Summe dieser Entscheidungen ergibt zwangsläufig einen anderen Wein. Wird er besser oder schlechter? Das kann sich nur mit der Zeit herausstellen. Wenn ich genügend schlechte Entscheidungen treffe, keltert der Wein schlecht, wenn ich ausreichend gute Entscheidungen fälle, werde ich noch auf meine alten Tage 2007er Eyrie trinken. [Das ausführliche Interview finden Sie hier]
Ken Payton ist Redakteur des kalifornischen Magazins Reign of Terroir, mit dem Ithaka öfters zusammenarbeitet. Das vollständige Interview können Sie hier nachlesen.
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