Wälder in der Wüste pflanzen

von Hans-Peter Schmidt

Würden in der Sahara und der australischen Wüste wieder Wälder wachsen, könnte jedes Jahr soviel CO2 aus der Atmosphäre entzogen werden, wie die Menschheit derzeit durch ihren Lebensstil verursacht. Neue Klimamodelle zeigen, dass die Pflanzung und nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern in den meeresnahen Wüsten eine der wirkungsvollsten Maßnahmen gegen den Klimawandel sein könnte.

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Die Wüste zu begrünen, gehört zu den ganz großen Träumen der Menschheitsgeschichte. Nicht viel gehört dazu, die Umwelt zu zerstören, das haben fast alle "zivilisierten" Völker der Geschichte schon geschafft. Doch die Vorraussetzungen dafür zu schaffen, dass auf verwüsteten Flächen die Natur wieder Fuß fassen kann, ist eine Herausforderung, der sich die Moderne noch nicht gestellt hat.

In den letzten 200 000 Jahren war die Sahara zwar meist sandig und unbewachsen, doch gab es drei relativ lange Intermezzi, in denen die Region für mehrere tausend Jahre begrünt und sogar bewaldet war. Als sich nach dem Ende der letzten Eiszeit der tropische Gürtel um knapp 1000 km nach Norden verschob, bildete sich relativ rasch ein ausgedehntes Steppen- und Waldgebiet, das vor 6-7000 Jahren zunächst von Jägern und Sammler besiedelt wurde und sich bald zu einer Wiege des Ackerbaus und der Getreideproduktion entwickelte. Zahlreiche Spuren zeugen noch heute davon, dass die Sahara von Flüssen, Seen und Wäldern durchzogen war. Infolge einer weiteren Klimaänderung mit immer längeren Trockenzeiten und parallel stattfindender Abholzung und Überweidung wandelte sich das fragile Ökosystem der Sahara wieder zu unbewohnbarer Wüste. Die Bewohner wanderten ins Niltal und an die Küsten ab oder wichen in den regenreicheren Süden aus. Der heutige Wüstenboden allerdings hat trotz des hohen Sandgehaltes und der starken Winderosion noch immer den notwendigen Lehm- und Nährstoffgehalt, um bei geeigneter Bewässerung jederzeit wieder begrünt und sogar bewaldet zu werden.

Aufforstung der Sahara

Leonard Ornstein und einige Klimaforscher des Earth Institute der Columbia University sowie des Goddard Institute der NASA haben vor einiger Zeit ein technisch, ökologisch und wirtschaftlich umsetzbares Modell zur Aufforstung der Sahara entwickelt und die klimatischen Auswirkungen eines solch massiven Eingriff in das globale Ökosystem berechnet (Ornstein et al 2009). Vorrangiges Ziel einer Wiederbewaldung ist die Nutzung der Bäume zum Entzug von CO2 aus der Atmosphäre und die Speicherung des Kohlenstoffs in der Biomasse und im Boden, um auf diese Weise den derzeitigen insbesonder durch industrielle Klimagase verursachten Klimawandel umzukehren oder wenigstens zu stoppen.

Durch die Pflanzung schnell wachsender tropischer Wälder könnten der Atmosphäre 22,5 bis 45 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr entzogen werden (Stape et al. 2004), sobald die Bäume nach etwa 10 Jahren eine genügende Wuchsgröße erreicht haben. Dadurch, dass die Bäume im Unterschied zu Wäldern der gemäßigten Klimazone das ganze Jahr über bei optimalen Bedingungen wachsen können, ist das Potential zur Kohlenstoffspeicherung um bis zu viermal höher als bei einem Wald in Mitteleuropa.

Geht man von einer für die Aufforstung nutzbaren Fläche der Sahara von ca. einer Milliarde Hektar aus, könnten die Saharawälder jährlich 20 – 36 Gigatonnen CO2 (6-12 Gt C) aus der Atmosphäre entziehen (Ornstein et al. 2009). Dies entspricht in etwa dem weltweiten von Menschen verursachten CO2-Ausstoß von rund 32 Gigatonnen.

Die Wälder würden etwa 100 Jahre lang atmosphärischen Kohlenstoff in dieser Größenordnung aufnehmen. Danach müssten sie forstwirtschaftlich genutzt werden. Die Bäume müssten gefällt und zur Nutzung des Holzes entzogen werden, so dass neue Bäume nachwachsen und keine absterbenden Bäume CO2 verursachen können. Sofern das Holz z.B. als Baumaterial genutzt würde, so dass der assimilierte Kohlenstoff nicht wieder als CO2 in die Atmosphäre entweicht, kann der Wald vom Zeitpunkt der forstwirtschaftlichen Nutzung an immer noch etwa die Hälfte der Kohlenstoffmenge der ersten 100 Jahre mittelfristig aus dem natürlichen Kohlenstoffkreislauf entziehen.

Bewässerung

Um in der Wüste einen solchen Wald anzupflanzen und so hohe Wachstumsraten zu erreichen, muss für eine ausreichende Bewässerung gesorgt werden. Bei optimaler, computergesteuerter, unterirdischer Tröpfchenbewässerung braucht es zumindest in den ersten 10 Jahren mindestens das Äquivalent von 500mm Niederschlag pro Jahr. Für den gesamten Saharawald wären dies rund 5 Billionen Kubikmeter Wasser. Das ist in etwa die 100 fache Menge des gesamten Wassers im Bodensee. Woher also soll das Wasser kommen?

Die Niederschläge in den meisten Gebieten der Sahara liegen im Jahresdurchschnitt bei 0 bis 40 mm, was natürlich für keinen Baum genügt. Eine Möglichkeit zur Bewässerung wäre die Nutzung der riesigen fossilen Grundwasservorkommen, die sich über mehrere Lagerstätten von Ägypten bis nach Mauretanien erstrecken. Allein der Nubische Aquifer nimmt im Untergrund der Sahara eine Fläche von 200 Millionen Hektar ein. Fast ein Fünftel der projektierten Waldfläche würde also unmittelbar über den enormen Grundwasserreservoirs liegen. Das Gesamtvolumen des Wassers im Nubischen Aquifer wird auf mindesten 370 Billionen Kubikmeter geschätzt. Das Wasser ist mehrere tausend Jahre alt und stammt noch aus der Zeit, als in der Sahara Monsun herrschte und Wälder wuchsen.

Das Wasser des Nubischen Aquifer würde für zehn, vielleicht zwanzig Jahre ausreichen, doch da es sich um fossile Wasserlagerstatten handelt, wäre das verfügbare Wasser dann aufgebraucht und für alle folgenden Generationen verloren. Dieses Risiko kann nur eingegangen werden, wenn es sicher vorhersagbar wäre, dass der Regen, der durch die Wiederaufforstung über der Sahara zu erwarten wäre, die Grundwasserspeicher wieder auffüllen würde.

Regen über der Sahara

Man kann davon ausgehen, dass über 90% des Wassers, das zur Bewässerung der Wälder eingesetzt werden müsste, über die Blätter und den Boden verdunstet und schließlich wieder als Regen auf die Erde zurückfällt. Allerdings sind die Klimamodelle außerordentlich komplex und es lässt sich nur mit einem relativ hohen Unsicherheitsfaktor voraussagen, wo sich das aus dem Wald verdunstete Wasser wieder abregnen würde und wie viel davon die Grundwasservorräte wieder auffüllt.

Mithilfe von verschiedenen Klimamodellen haben Leonard Ornstein und seine Ko-Autoren allerdings relativ sichere Vorraussagen darüber treffen können, dass die Niederschläge über der Sahara massiv zunehmen würden. Dabei würde der östliche Teil der Sahara deutlich mehr Niederschlage als der westliche Teil erhalten. Entsprechend des Modells würde die Hälfte der Sahara dank der Aufforstung durchschnittlich 1200 mm Regen pro Jahr erhalten und die andere Hälfte zumindest 700 mm. Da die Jahresverteilung der Niederschläge allerdings sehr ungleich verteilt wäre, müsste der Wald in den Trockenzeiten trotzdem weiter bewässert werden.

Radioaktive Belastung des fossilen Grundwassers

Das fossile Grundwasser würde demnach nicht vollständig ausreichen, um den Wald nachhaltig zu versorgen, ohne sich mittelfristig zu erschöpfen. Trotzdem wäre es sicher sinnvoll, einen größeren Teil des fossilen Wasser zur Waldbewässerung einzusetzen, da das Wasser durch Radon-Isotope zu stark radioaktiv belastet ist, um als Trinkwasser oder für die Nahrungsmittelproduktion verwendet zu werden (Vengosh et al. 2009). Obwohl die Strahlungsgrenzwerte der WHO oft um das mehr als 30fache überschritten werden, wird das fossile Wasser übrigens in ganz Arabien und Nordafrika sowohl als Trink- als auch als Brauchwasser verwendet.

Anstatt verstrahltes Grundwasser für die Bevölkerung aus den Aquiferen zu pumpen, könnte das Wasser bedenkenlos zur Waldbewässerung verwendet werden und das durch den Wald bedingte Regenwasser als Trinkwasser zurückgewonnen werden.

Weitere Wasserquellen

Anstatt der Nutzung des fossilen Grundwassers schlägt Leonard Ornstein die Entsalzung von Meerwasser vor. In seinem legendären Artikel „Irrigated afforestation of the Sahara and Australian Outback to end global warming“, der 2009 im renommierten Fachjournal Climatic Change erschien, hat er die Machbarkeit nachgewiesen und die Kosten vorgerechnet.

Bei der technischen Umsetzung der Umkehrosmose liegen die Kosten für die Meerwasserentsalzung derzeit bei rund 0,50 Euro pro Kubikmeter, wobei 1,58 kWh Strom verbraucht werden. Zudem müsste das Bewässerungswasser vom Meer auf die durchschnittliche Saharahöhe von 450 m über Meeresspiegel gepumpt werden, was einen zusätzlichen Energieaufwand von 2.46 kWh/m3 bedeutet. Insgesamt würden pro Kubikmeter also rund 4 kWh Strom vom Meer über die Entsalzungsanlage bis zum bewässerten Baum im Wald verbraucht werden.

CO2-Bilanz der Bewässerung

Würde der Strom, der für die Entsalzung und das Heraufpumpen des Wassers eingesetzt werden muss, in Meeresnähe mittels Solar- und Windanlagen produziert (20 Milliarden MWh pro Jahr für den ganzen Wald !!!), entspräche dies 100 g CO2 pro Kubikmeter Wasser. Bei einem Erdgaskraftwerk, dessen Abwärme für Meerwasserverdunstung eingesetzt wird, würden pro Kubikmeter rund 600 g CO2 verbraucht.

Rechnet man dies bezogen auf den gesamten Wald von 1 Milliarde Hektar und jährlich 5 Billionen Kubikmeter Wasser hoch, so ergibt sich für die Bewässerung ein CO2-Verbrauch von 0,5 Gt bei der Stromerzeugung aus Wind und Sonne bzw. 3 Gt aus Erdgas. Geht man davon aus, dass der Wald 20 – 35 Gt CO2 aus der Atmosphäre entziehen würde, so würde der CO2-Aufwand für die Bewässerung je nach verwendeter Energieart zwischen 2 % und 15% liegen. Die CO2-Bilanz des Waldes wäre also trotz der energieaufwändigen Meerwasserentsalzung und des langen Transportweges höchst positiv.

Kosten

Würde man die Kosten für die der Atmosphäre entzogene Tonne CO2 nur aus den Kosten für die Meerwasserentsalzung und den Transport des Bewässerungswassers berechnen, so würde der Preis für die Tonne CO2 zwischen 70 und 125 Euro liegen ( 20 – 35 Gt CO2 stehen Kosten von 5 Billionen m3 Wasser * 0,5 Euro / m3 Wasser = 2,5 Billionen Euro gegenüber).

Selbstverständlich kostet die Anlage und Pflege eines solchen Waldes viel mehr als die bloßen Bewässerungskosten, doch scheint es durchaus legitim, die weiteren Kosten gegen die sonstige Wertschöpfung des Waldes zu rechnen. Den Kosten für Pflanzgut, Pflanzung, Anlage und Steuerung der Bewässerung, Überwachung, Brandschutz usw. steht der vielfältige Nutzen des Holzertrages, Wildaufkommens, zusätzlichen Regens sowie sonstige Ökosystemdienstleistungen, Fruchtertrag und nicht zuletzt die Wertzunahme des Landes gegenüber.

Es wäre naheliegend, die Waldflächen zumindest teilweise auch als Ackerforst zu nutzen, um zugleich die Lebensmittelversorgung der wachsenden Bevölkerung Nordafrikas sicherzustellen. Die Bewirtschaftungsform ließe sich dann auch mit Terra Preta Techniken ergänzen, womit nicht nur in der Biomasse, sondern insbesondere auch im Boden Kohlenstoff gespeichert würde. Allein durch die Erhöhung des Humusgehaltes auf 5 % könnten auf der einen Milliarde Hektar großen Fläche in 50 Jahren zusätzliche 500 Gt CO2 aus der Atmosphäre entzogen und in Form von organischem Kohlenstoff im Boden gespeichert werden. Das wären pro Jahr 10 Gt CO2, ein Drittel der von Menschen verursachten CO2-Emissionen.

Risiken

Das größte Risiko eines solchen Projektes besteht sicher darin, dass die Wälder in geraden Linien aus lediglich ein oder zwei schnellwachsenden Eukalyptus-Baumarten angelegt würden. Um sich ein Bild davon zu machen, muß man sich nur einmal in Portugal umschauen. Aus der Sahara würde eine Klimafarm, die ebenso wie die gesamte Landwirtschaft des Industriezeitalters als Monokultur angepflanzt würde.  Der Wald wäre kein Wald, sondern eine irrsinnige Farm zur Tilgung der Klimaschulden der Industrieländer. Die Wüstenvölker würden ihre Heimat verlieren, die Sahara ihre einmalige Schönheit. Schnell kann so aus einer ökologischen Utopie eine Katastrophe werden. Die Baummonokultur würde schnell zum Opfer von Schädlingen, die sich wie in jeder Monokultur rasend vermehren würden. Über der Sahara würden dann bald Flugzeuge und Hubschrauber zur Spritzung von Pestiziden fliegen. Man kennt schon die Firmen, die daran verdienen würden.

Mammutprojekte des Menschen, die so groß sind, dass sie innert kürzester Zeit das Klima und das Angesicht eines ganzen Kontinentes verändern, sind äußerst gefährlich und vollkommen vermessen.

Es ist beeindruckend, sich das enorme Potential der großflächigen Wüstenbewaldung vor Augen zu führen, wirtschaftlich durchzurechnen und die klimatischen Auswirkungen in Computermodellen abzuschätzen. Die ökologischen und sozialen Folgen eines solchen Projektes allerdings sind bisher noch in keiner Weise abzuschätzen. Um so mehr sollten wir uns an die Arbeit begeben, fachübergreifend diskutieren, wie ein solches Projekt nachhaltig verwirklicht werden könnte und beginnen, mit der Pflanzung erster kleinerer Wüstenwälder wichtige Erfahrungen zu sammeln. Man könnte sofort mit 10'000 oder 100'000 Hektar an verschiedenen Orten der Sahara und des australischen Outbacks, in der Namib oder in der Wüste von Nevada beginnen. Lernen, wie man verwüstetes Land ökologisch sinnvoll aufforstet, was die tatsächlichen Kosten und Probleme sind, was der Einfluss auf das lokale und das angrenzende Klima ist. Für ein Projekt wie Desertec, das nur Maschinen in die Wüste stellen will und zudem die größten Probleme mit Sandstaubablagerungen auf den Solarspiegeln hat, wäre ein ausgedehnter Wald um die Solaranlagen die perfekte Ergänzung.

Klimafarming mit hoher Biodiversität ist womöglich die letzte Chance gegen den Klimawandel. Vergeben wir sie nicht durch Größenwahn und lassen uns trotzdem nicht ausbremsen von blinden Besserwissern.

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Literatur

Anthes RA (1984) Enhancement of convective precipitation by mesoscale variations in vegetative covering in semiarid regions. J Clim Appl Meteorol 23:541–554

Bala G, Caldeira K, Wickett M, Phillips TJ, Lobell DB, Delire C, Mirin A (2007) Combined climate

and carbon-cycle effects of large-scale deforestation. Proc Natl Acad Sci 104:6550–6555

CannellMGR(1999) Environmental impacts of forest monocultures: water use, acidification, wildlife conservation, and carbon storage. New Forests 17:239–262

Forrester DI, Bauhus J, Cowie AL, Vanclay JK (2006) Mixed-species plantations of Eucalyptus with nitrogen-fixing trees: a review. Forest Ecol Man 233:211–230

Ornstein L, Aleinov I, Rind D (2009) Irrigated afforestation of the Sahara and Australian Outback to end global warming. Climatic Change 97: 409 - 437, DOI 10.1007/s10584-009-9626-y

Stape JL, Binkley D, Ryan MG (2004a) Eucalyptus production and the supply, use and efficiency of use of water, light and nitrogen across a geographic gradient in Brazil. For Ecol Man 193:17–31

Stape JL, Ryan MG, Binkley D (2004b) Testing the utility of the 3-PG model for growth of Eucalyptus grandis × urophylla with natural and manipulated supplies of water and nutrients. For EcolMan 193:219–234

Vengosh A, Hirschfeld D, Vinson D, Dwyer G, Raanan H, Rimawi O, Al-Zoubi A, Akkawi E, Marie A, Haquin G, Zaarir S, Ganor J (2009): High Naturally Occurring Radioactivity in Fossil Groundwater from the Middle East, Environ. Sci. Technol., 2009, 43 (6), pp 1769–1775, DOI: 10.1021/es802969r

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