Kaskadennutzung von Pflanzenkohle in der Tierhaltung (Teil 1: Einstreu)
von Hans-Peter Schmidt
Holzkohle ist eines der ältesten Hausmittel bei der Behandlung von Verdauungsstörungen nicht nur bei Menschen, sondern vor allem auch bei Haustieren. Bemerkenswerterweise waren es häufig die Bäuerinnen, die sich um die Behandlung kranker Tiere kümmerten, was insbesondere daran lag, dass sie die Tiere genauer beobachteten. So bemerkten sie tiergesundheitliche Komplikationen häufig eher und konnten mit Hilfe von Kräutern und anderen sanften Hausmittel regulierend eingreifen, bevor es überhaupt zu einem massiven, dann für die ganze Tierherde gefährlichen Ausbruch von Krankheiten kam. Holzkohle war bei Verdauungsproblemen von Haustieren häufig das Mittel der Wahl, wobei die Kohle selten pur, sondern getränkt mit Kräuterauszügen und gemischt mit ein wenig Butter oder Eiweiß verabreicht wurde.
Es ist allerdings nicht bekannt, dass Holzkohle/Pflanzenkohle in früheren Zeiten als regelmäßiges Ergänzungsmittel im Futter eingesetzt wurde, sondern immer nur als Heilmittel. Von der bäuerlichen Vernunft her gibt man auch einem Haustier nichts regelmäßig ins Futter, was es nicht auch in der Natur finden würde. Es ist bekannt, dass zumindest gewisse Tiere zur Regulierung der Verdauung Pflanzenkohle aus Waldbrandflächen oder Feuerstellen aus der Erde wühlen, so z.B. der kuriose Sansibar Stummelaffe. Insofern ist Pflanzenkohle durchaus auch als natürlicher Rohstoff im Nahrungsspektrum von Tieren anzusehen, aber sicher nicht als täglicher Futterbestandteil.
Auch wenn es gewiss eine sichere Richtlinie ist, Tiere nur mit solchem Futter zu versorgen, das sie auch in ihrem natürlichen Lebensraum finden könnte, so ist doch bereits die Stallhaltung und insbesondere die Intensivstallhaltung alles andere als ein natürliches Lebensumfeld für die Tiere. Allein schon die Tatsache, dass die Tiere einen großen Teil ihres Tages im direkten Kontakt mit ihren Ausscheidungen verbringen müssen, stellt die Vorgabe einer rein natürlichen Futterversorgung zumindest in Frage.
Stallhaltung bietet kein natürliches Lebensumfeld für Tiere. Das bedeutet zunächst weder, dass diese gut oder schlecht für die Tiere ist, sondern einfach nur, dass die Lebens- und Ernährungsbedingungen im Stall nicht mit denen in der Natur übereinstimmen und hinsichtlich des Tierwohls genau zu betrachten und zu durchdenken sind. Einer der für die Tiergesundheit besonders wesentlichen Faktoren der Stallhaltung ist das tägliche Ausgesetztsein der Tiere mit den Fauldämpfen ihrer Ausscheidungen sowie mit den Mikroben, die sich in und auf den Ausscheidungen vermehren und das mikrobielle Milieu im Stall lenken. Kein Tier lebt in der Natur auf seinem eignen Mist und lässt den Platz der Futteraufnahme mit dem Platz seiner Ausscheidungen überlappen. Wo die technischen und wirtschaftlichen Vorgaben der Stalltierhaltung dies nicht anders möglich sein lassen, müssen zumindest Techniken und Stoffströme im Stall eingesetzt werden, die die Belastung der Tiere durch Fäulnis, giftige Gase und Krankheitserreger reduzieren.
Einsatz von Pflanzenkohle in der Einstreu
Die Hauptursache von Fäulnis und Gestank in Ställen ist die Vermischung von flüssigen und festen Ausscheidungen. Während über den Kot hauptsächlich schwer verdauliche Ballaststoffe, abgestoßene Darmzellen, Rückstände von Enzymen und bis zu 30% abgestoßene Mikroorganismen ausgeschieden werden, enthält der quasi sterile Urin die Abbauprodukte des Stoffwechsels, also vor allem Stickstoff, Phosphor und Mikronährstoffe. Bleiben Kot und Urin getrennt, fehlen den Bakterien im kohlenstoffreichen Kot die essentiellen Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor, um sich in entsprechendem Maße zu vermehren.
Werden die im Körper getrennten Kot und Urin auf dem Stallboden wieder zusammengeführt, kommt es zu einer mikrobiell explosiven Mischung, die zum Verfaulen des Kotes, zur Vermehrung schädlicher Mikroorganismen und zur Entstehung klima- und gesundheitsschädlicher Gase führt.
Leben die Tiere auf der Weide werden der Urin und das Kotwasser von der Erde aufgesogen. Die Feststoffe des Kots hingegen trocknen an der Luft aus, werden langsam von Bodenorganismen abgebaut und zumindest teilweise als Humus in die Bodenmatrix eingebaut. Idealerweise sollte also auch im Stall der Urin von einer saugfähigen Unterlage aufgenommen und damit vom Kot getrennt werden. So würde verhindert, dass sich Fäulnisbakterien mit den Nährstoffen aus dem Urin versorgen und maßlos auf dem Kot vermehren.
Zum Aufsaugen der flüssigen Ausscheidungen und zur Abdeckung der festen Ausscheidungen wird in der Regel viel Stroh im Stall ausgestreut. Die Saugkraft des Strohs ist allerdings zu gering, um den Kontakt des nährstoffreichen Urins mit dem kohlenstoffreichen Kot zu verhindern. Folglich fault es im und unter dem Stroh auf dem die Tiere stehen und liegen.
Terra Preta Produktion im Stall
Wird unter der Strohschicht eine ausreichend dicke Schicht aus Kompost, Pflanzenkohle und Bentonit eingetragen, wird der Urin ähnlich wie vom Boden auf der Weide aufgesogen. Durch die hohe biologische Aktivität des Pflanzenkohle-Komposts in der Unterlage werden auch die Feststoffe rasch abgebaut, kompostiert und in stabile Kohlenstoffverbindungen (Humus) umgebaut. Es findet also unter den Füßen der Kühe eine Art Schnellkompostierung statt. Die Pflanzenkohle hat dabei nicht nur die Wirkung, die flüssigen Ausscheidungen wie ein Schwamm aufzunehmen (1 Liter Pflanzenkohle kann bis zu 5 Liter Urin aufsaugen). Sie sorgt auch dafür, dass die Kompostunterlage unter den Hufen der Tiere locker und ausreichend mit Sauerstoff versorgt bleibt, so dass die Lebensbedingungen der ab- und umbauenden Mikroorganismen erhalten bleiben.
Beim Einsatz von Kompost sollte unbedingt darauf geachtet werden, nur reifen Kompost zu verwenden, da sich dieser sonst stark aufheizen kann. Die Zugabe von Gesteinsmehl und Tonerde unterstützt die Komplexbildung von organischer Substanz und Pflanzenkohle. Durch Zugabe von von Kompostwürmern kann die Aktivität und Funktionalität der Pflanzenkohle-Kompost-Unterlage noch weiter optimiert werden. Die Kompostwürmer sorgen nicht nur für einen schnelleren Ab- und Umbau der nicht verdauten Ballaststoffe und sonstigen Kohlenstoffverbindungen, sondern verhindern auch, dass sich die Unterlage zu stark verdichtet und nicht mehr genügend mit Sauerstoff versorgt wird, was wiederum Fäulnis zur Folge hätte.
Es gibt kein festgeschriebenes, für alle Ställe und Tierarten gültiges Rezept, sondern nur einige Grundprinzipien. Wichtig sind vor allem die Saugfähigkeit der Unterlage (durch Pflanzenkohle, Bentonit, Kompost) und die Steuerung des mikrobiellen Milieus durch aerobe oder anaerobe Verhältnisse in der Unterlage, um Fäulnis zu verhindern.
So besteht eine andere Möglichkeit z.B. darin, den Mist immer wieder mit viel Stroh zu überdecken und unter den Hufen der Tiere stark verdichten zu lassen. Durch die Verdichtung wird dem Mist der für die Fäulnisprozesse nötige Sauerstoff entzogen. Bei gleichzeitiger Anreicherung mit Milchsäurefermenten (z.B. EM-A oder Sauerkrautsaft) beginnt der Tretmist unter den Hufen der Tiere zu fermentieren, wobei er sowohl sterilisiert als auch geruchsneutral wird. In einigen Ställen funktioniert das System vor allem durch die regelmäßige Vernebelung der Milchsäurefermente sehr gut. Die Steuerung des mikrobiellen Milieus (überwiegende Aktivität von Milchsäurebakterien in anaerobem Milieu) ist allerdings relativ heikel und droht bei unkontrolliertem Saustoffeintrag (z.B. durch Scharren) oder unausgewogenen Nährstoffverhältnissen (zu wenig verfügbare Kohlenhydrate) zu kippen.
Unabhängig davon, ob aerobe oder anaerobe Verhältnisse zur Milieusteuerung in der Einstreu angestrebt werden, die Vernebelung von Laktofermenten wie EM-A, Sauerkrautsaft oder Magic Kraut sorgt sicher für die Verhinderung von beißenden Ammoniak- und Schwefelwasserstoff-Emissionen. Durch die sauren Nebeltropfen wird etwaiges Ammoniak in der Stallluft gebunden und fällt als Salz über der Einstreu aus, wo es von der Kohle, von Kompost und von Bentonit adsorbiert wird.
Anreicherung und Aktivierung der Pflanzenkohle
Die Pflanzenkohle-Kompost Unterlage reichert sich über den Zeitraum eines Winters oder einer Jahreszeit mit Nährstoffen und stabilen, humusähnlichen Kohlenstoffverbindungen an (das gleiche gilt auch für die unter Luftabschluss befindliche Stampfmistunterlage). Es entsteht ein fruchtbares, terra-preta-ähnliches Kultursubstrat, das weder stinkt noch schädliche mikrobielle Belastungen aufweist. Es kann direkt als Düngesubstrat und Bodenverbesserer zum Humusaufbau auf dem Feld eingesetzt werden.
In der Einstreu saugt sich die Pflanzenkohle nicht nur mit Nährstoffen auf, sondern wird einem beschleunigten natürlichen Alterungsprozess unterzogen, wobei sich die Oberflächen der Kohle mit Hydroxyl- und Karboxylgruppen sowie anderen funktionalen Gruppen anreichern. Die Oberflächen der Kohlen werden dadurch reaktiver, die Kationenaustauschkapazität (KAK) nimmt zu und die Pflanzenkohle kann verstärkt als Komplexbildner wirken. Durch die im Mist- bzw. im Kompostsubstrat erfolgende Nährstoffaufladung und organische Alterung der Pflanzenkohle, wird sie zu einem wertvollen Bodenhilfsstoff, der die Bodenfunktionalität verbessert. Wird die Kohle hingegen pur in landwirtschaftliche Böden eingetragen, sorgt die dann erst im Boden langsam stattfindende Nährstoffaufladung, mikrobielle Besiedelung und Oberflächenalterung für eine kurz- bis mittelfristige Abnahme der Bodenfruchtbarkeit und entsprechende Wachstumsdepression, wie sie in vielen Feldexperimenten nachgewiesen wurde.
Zusammenfassung
Der Einsatz von Pflanzenkohle in der Einstreu verbessert das Stallklima, verringert Klimagasemissionen (vor allem Ammoniak, Schwefelwasserstoff und Methan) und reduziert die Bildung und Ausbreitung von Krankheitserregern. Zugleich wird die Pflanzenkohle mit Nährstoffen aufgeladen, mit nützlichen Mikroorganismen besiedelt, und die reaktiven Eigenschaften der Kohle werden durch die Anreicherung mit funktionellen Gruppen auf den riesigen Kohleoberflächen erhöht. Neben der Verbesserung der Tiergesundheit und des Tierwohls, durch die sich die Pflanzenkohle hauptsächlich bezahlt machen muss, kann der Stall so zugleich zur Produktionsstätte Terra Preta ähnlicher Substrate genutzt werden.
Die Verwendung von Pflanzenkohle in der Einstreu von Tierställen stellt eine erste Stufe der Kaskadennutzung von Pflanzenkohle dar. Weitere Schritte in der Kaskade sind der Einsatz als Silagezusatz, als Futterergänzung und in der Güllebehandlung. In den nächsten Teilen der Artikelserie werden der neuste Forschungsstand und letzte Erfahrungsberichte über die weiteren Kaskadeschritte behandelt.
Matthias Büchler
21.04.2013 13:52
Lieber Herr Schmidt,
als Delinat Kunde seit mehreren Jahren
werde ich immer wieder auch mit Artikeln aus Ihrer Feder konfrontiert:
Immer wieder sind es erfreulich umsichtige, ausgewogene
Beiträge zur biol. Landwirtschaft, zum Respekt im Umgang mit der Natur.
Eindrucksvolle bestätigt dies die Abhandlung über die Tier-haltung.
Besten Dank
Matthias Büchler
Besten Dank für Artikel, welche auch mit dem Weinanbau direkt nichts zu tun haben
Paul
13.04.2014 10:29
Ich war an der Pflanzenkohle-Tagung in Wädenswil. Fazit: Faszinierend!
Allerdings bleibt bei mir ein Fragezeichen. Ich habe gelesen, dass man beim Verkohlen von Pflanzen den Kohlestoff aus dem CO2 der Luft für mehrere tausend Jahre fest bindet. Heisst das jetzt, dass die Kohle die ich dieses Jahr (2014) in meinem Betrieb einsetze, erst im Jahr 12014 abgebaut sein wird? Das bedeutet ja, dass sich die Kohle zuerst über mehrere tausend Jahre im Boden anreichert (jedes Jahr kommt ja aus dem Betrieb theoretisch neue hinzu). Diese Überlegung zeigt mir, dass man gut beraten ist, die Kohle eher sparsam einzusetzen!
hps
13.04.2014 10:49
Die Pflanzenkohle fungiert im Boden hauptsächlich als Trägermittel für Nährstoffe, verhindert, dass die Nährstoffe ausgewaschen werden und möglichst effizient den Pflanzen und Mikroorganismen zur Verfügung steht. Insofern ist es auch durchaus wünschenswert, dass die Pflanzenkohle längerfristig im Boden bleibt. Die Kohle wird über Jahrhunderte hinweg langsam abgebaut und bewirkt dort über diesen Zeitraum ihren Nutzen. Im Schnitt besteht etwa 20% des Humus unserer Böden aus natürlicher Pflanzenkohle, die hauptsächlich durch frühere Wald- und Steppenbrände eingetragen wurde. In den traditionellen Terra Preta Böden überall auf der Welt handelt es sich um Schwarzerde mit einem erhöhten Anteil an Pflanzenkohle, das Schwarz der Erde kommt aber hauptsächlich vom organischen Kohlenstoff, dem die Pflanzenkohle offenbar hilft in stabilen Aggregaten der Bodenfruchtbarkeit zu dienen. In Terra Preta Substraten beträgt der Pflanzenkohle-Anteil bis zu 80% und die Pflanzen lieben es. Der Anteil an Pflanzenkohle, der über die Tierfütterung in die Böden gelangt, ist allerdings so gering, dass solche Konzentrationen nie zustande kommen können.