In der Erde kochen und Schwarzerde herstellen
von Haiko Pieplow
Das Phänomen der Gargruben
Bei den sogenannten Gargruben handelt es sich um ein Phänomen der jüngeren Bronze- sowie der Eisenzeit in Dänemark und Skandinavien, Nord- und Mitteldeutschland und auf den Britischen Inseln. Die neuere Forschung in Deutschland bezeichnet derartige Fundstellen als Kultfeuer- oder Feuerstellenplätze. Es handelte sich um runde, ovale oder rechteckige Gruben, die gelegentlich in geschlossene Gräben übergehen. Die muldenförmigen Erdgruben enthalten zum Teil gebrannte Steine an der Peripherie sowie schwarze Branderde mit Holzkohleanteilen. Auf der Mehrzahl der Plätze sind diese Gruben regellos verteilt. Sie können aber auch in langen Reihen angeordnet sein. Mangels besserer Deutungsmöglichkeiten werden die Feuerstellenreihen derzeit als Ausdruck kultisch-religiöser Handlungen angesehen, weshalb sie auch als Feuerkultplätze bezeichnet werden. Die größten bisher bekannten Ansammlungen liegen auf der Insel Fünen in Dänemark, wo etwa 500 solcher Feuergruben ausgegraben wurden.
Die tatsächliche Funktion der Erdgruben gibt immer noch zahlreiche Rätsel auf. Wenn Archäologen und Anthropologen nicht weiter wissen und keine einleuchtende Erklärung für bestimmte Funde vorbringen können, werden diese in der Regel als Kultstätten bezeichnet und eingeordnet. Es ist aber zumindest nicht ganz unwahrscheinlich, dass hinter dem mühsamen Ausheben so zahlreicher und in vielen Ländern gefundener Gruben auch ein praktischer Nutzen stand. Sicher ist bisher nur, dass in den Gruben Feuer brannten, denn man fand Holzkohle, geglühte Steine und gebrannte Erde darin.
Dass es lediglich Kultfeuerstellen gewesen sind, wie wir sie heute noch von Oster-, Sonnenwend- oder Martinsfeuern kennen, lässt sich nicht ausschließen. Dafür spricht, dass viele Gruben an exponierten Plätzen, aber eher fernab von Siedlungen gefunden wurden. Meist finden sich die Gruben in der Nähe fließender Gewässer, was ein Indiz dafür ist, dass für die Nutzung oder Unterhaltung der Gruben Wasser benötigt wurde.
Wird bei großen Menschenansammlungen über mehrere Tage gefeiert, liegt es auf der Hand, dass auch große Mengen an Lebensmitteln zubereitet werden. Doch wie wurde gekocht und gegart, als es noch keine Kochtöpfe aus Keramik oder Metall gab?
Insofern weltweit in fast allen Kulturkreisen das Garen von Speisen in Erdgruben oder Erdöfen bekannt ist, ist es nicht abwegig zu vermuten, dass die Feuergruben auch als riesige Kochtöpfe dienten. Diese Form der Essenszubereitung wird bis heute noch bei Festen praktiziert, beispielsweise auf Sardinien und Polynesien, in Lateinamerika, in Australien oder in Afrika. Zahlreiche Rezepte und Erfahrungsberichte findet man dazu inzwischen auch im
Es gibt viele verschiedene Varianten von Erdöfen. Das Grundprinzip besteht darin, den Boden einer Grube mit einer Schicht glühender Kohlen zu füllen. Darauf wird eine Trennschicht trockener Steine und darauf feuchtes Heu oder Kräuter gelegt. Auf das feuchte Heu werden die zu garenden Lebensmittel wie Gemüse, Fleisch oder Fisch ausgebreitet und abermals mit feuchtem Heu oder Stroh bedeckt. Das feuchte Heu wird schließlich mit glühender Holzkohle oder heißen Steinen und darüber mit Erde dicht abgedeckt, so dass weder die Hitze der Kohlen noch der aus dem feuchten Stroh aufsteigende Wasserdampf entweichen kann und dieser die Lebensmittel dämpft und gart. Nach dem eigentlichen Kochvorgang bleiben in der Kochgrube Pflanzenkohle, etwas Asche, Speisereste und gegartes Heu und Kräuter zurück, was sich hervorragend zur Bodenverbesserung eignet, insbesondere dann, wenn man diese Mischung auch mit organischen Abfällen der Feierlichkeiten und Opfergaben anreichert. Möglicherweise könnten unsere Vorfahren weltweit auf solchen verlassenen Festplätzen das Terra Preta Phänomen durch das ertragsreichere Pflanzenwachstum in und um die Gargruben beobachtet haben.
Das kleine Gargruben-Experiment mit Kon-Tiki
Beim diesjährigen Erdbeerfest und Tag der offenen Gärten auf dem Tria-Terra-Hof in Groß Pankow in Mecklenburg-Vorpommern wurde am 11. Juni 2016 ein Gargrubenexperiment angelegt. Es wurde dabei der Frage nachgegangen, wie traditionelle Pflanzenkohleproduktion mit der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und dem einfachen Zubereiten von Speisen verbunden werden kann. Für den Versuch wurden nur Materialien und manuelle Gerätschaften genutzt, die in jedem Hausgarten verfügbar sind, und die in ähnlicher Art auch schon vor ca. 30.000 Jahren hätten genutzt werden können: trockene Äste, Holzreste, Spaten, Schaufel und Gießkanne.
Zunächst wurde ein großer Erd-Kon-Tiki-Meiler als Dauerfeuerstelle angelegt, mit ca. 3 Meter Durchmesser und einem Kegel von ca. 1m30 Tiefe (siehe: Bauanleitung für Erd-Kon-Tiki). Die Seitenwände wurden mit Lehm ausgekleidet und der Rand mit Feldsteinen befestigt. In dem Meiler wurde aus trockenen Holzresten innerhalb von einer Stunde eine große Menge kleinstückiger Pflanzenkohle erzeugt. Wird der Erd-Kon-Tiki nicht abgelöscht, sondern nur abgedeckt, erhält sich die Glut über viele Tage und kann immer wieder für neue Feuer- und Kochstellen genutzt werden. Der Transport von glühender Holzkohle oder von heißen Steinen über längere Strecken ist auch in geschlossenen Gefäßen, beispielsweise aus Ton, problemlos möglich.
Bild 4: Erd-Kon-Tiki (3 m x 1m30), der zur Herstellung der Pflanzenkohle aus Strauchschnitt und Restholz verwendet wurde. Photo: Haiko Pieplow
Während es im Erd-Kon-Tiki brannte, wurden auf der Anbaufläche des Gartens drei kleine Gargruben mit dem Spaten ausgehoben. Sie hatten eine Breite von jeweils 3 Spaten und waren einen Spaten tief. Als Vorbild dienten die Maße des Golden Schnitts, was einen Neigungswinkel der Seitenwände von ca. 55 Grad ergibt. Der Abstand der Gargruben entsprach etwa dem Pflanzabstand von Mais, wie bei einer indianischen Milpa (Mischanbau von Mais, Bohnen, Kürbis). Die kleinen Gargruben wurden zu zwei Drittel mit kleinstückiger, glühender Holzkohle aus dem großen Erd-Kon-Tiki gefüllt und standen nun zunächst als Kochstelle zur Verfügung. Sowohl die Herstellung der Pflanzenkohle im Kon-Tiki als auch das Kochen in den Gargruben erfolgten weitgehend rauchfrei (siehe hier die Videodokumentation zum Versuch).
Die erste kleine Gargrube diente zum Braten von Würstchen. Anschließend wurde mit ca. 10 Liter Wasser die Pflanzenkohle abgelöscht, die nun in ausreichender Menge als Einstreumaterial für die Fermentation von täglich anfallenden Küchenabfällen oder als Toiletteneinstreu nutzbar ist.
Die zweite Gargrube diente zur Zubereitung einer Gemüsesuppe für ca. 10 Personen. Dazu wurde ein schwerer gusseiserner Dutch-Oven verwendet, der auch mit glühender Holzkohle für eine gleichmäßige Oberhitze abgedeckt werden kann. Die Hitze der Pflanzenkohle stand für mehr als zwei Stunden in ausreichender Menge zur Verfügung. Nach dem anschließenden Ablöschen blieb noch die Hälfte der Grube mit Pflanzenkohle übrig.
Bild 6: Abgelöschte Pflanzenkohle in der kleinen Gargrube. Dutch Oven mit Gemüseeintopf in der glühenden Pflanzenkohle. Fotos: Haiko Pieplow
Die dritte Grube wurde zur Zubereitung von Dampf-Kartoffeln genutzt. Dafür wurde auf die glühende Pflanzenkohle nasses Kräuter- und Wiesenheu in einer Schicht von 10 Zentimeter ausgebreitet. Darauf kamen die Kartoffeln, die mit einer 10 cm hohen Schicht nassen Heus, das zu Zöpfen verdreht war, abgedeckt wurden. Darüber wurde eine dicke Schicht glühender Holzkohle verteilt. Das Ganze wurde dann mit Erde und der vorher ausgehobenen Grasnarbe abgedichtet. Nach ca. 4 Stunden war der schonende Dampfgarprozess im Kräuterheu abgeschlossen. Die köstlich schmeckenden Kartoffeln konnten ohne Erdanhaftungen und verbrannte Stellen mit Schale gegessen werden. So lässt sich auch Fleisch wohlschmeckend und schonend ohne Metallfolien sauber zubereiten. Durch die Isolation der Erdabdeckung hat diese Gargrube die Hitze am längsten abgegeben.
Bild 7: Dampfkartoffeln aus der Gargrube in heißem nassem Kräuterheu. Foto: Haiko Pieplow.
Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit im Garten
Nach dem Ablöschen der Pflanzenkohle wurde ein Teil davon für das Abfallmanagement von Haus und Garten entnommen und die kleinen Gargruben mit fermentierten organischen Düngern aus Küchen- und Gartenabfällen verfüllt. Alternativ hätte das Kohle-Asche-Gemisch in den Pflanzlöchern auch mit Kompost oder Wurmerde und möglichst mit den flüssigen Reststoffen der Trenntoiletten angereichert werden können. Das Pflanzenkohle-Düngergemisch bekam dann eine ca. 5 cm dünne Erdabdeckung, in die unmittelbar je zwei Samen Mais, Stangenbohne und Kürbis zu einer traditionellen Milpa gesät wurden. Reich versorgt von dem in die Wurzelzone applizierten Pflanzkohle-Dünger streckt sich der Mais zur Produktion von Kohlehydraten in die Höhe, rankt sich die Stangebohne zur Produktion von Proteinen und Bodenstickstoff um den Mais und kriecht der Kürbis zur Produktion von Vitaminen und bedeckt unkrautverdrängend den Boden. Die Verbindung von Pflanzenkohle, Kompost und Urin als Unterfußdüngung mit der Mischkultur von Mais, Bohne und Kürbis ist eine der erfolgreichsten Kombinationen der Landwirtschaftsgeschichte, die langsam auch von der modernen Landwirtschaft wiederentdeckt wird.
Mit dem Versuch konnte gezeigt werden, dass mit der Kombination einer großen Feuerstelle und vielen kleinen Gargruben der Kreislauf vom Essen zum Essen in optimaler Weise geschlossen werden kann und sich selbst eine größere Fläche unter Verwendung traditioneller Hilfsmittel ressourcenschonend urbar machen ließ.
Pachamanca
Bei Fruchtbarkeits- und Feuerritualen zum Dank an Mutter Erde werden bei vielen indigenen Kulturen, wie beispielsweise bei den Inka-Nachfahren in Peru, in kleinen Erdgruben rituelle Feuer mit verschiedensten Flüssigkeiten gelöscht, so dass Pflanzenkohle zurückbleibt, die je nach verwendeter Flüssigkeit mit unterschiedlichen organischen Pflanzennährstoffen angereichert ist und als Dünger verwendet wird. Durch Rituale und regelmäßige Feste konnte könnendes Wissen für die Erhaltung der Grundlagen des Lebens und für den respektvollen Umgang mit den Gaben der Natur an viele Menschen weitergegeben und verbreitet werden.
Die Pachamanca (in Quechua „Erd-Topf/-Speise“) ist ein peruanisches Nationalgericht, das inzwischen zum nationalen Kulturerbe erklärt wurde. Die Pachamanca ist dabei meist mit einer Zeremonie verbunden, die der Kommunikation und Fruchtbarkeit gewidmet ist. Es werden die Lebensmittel verzehrt, die direkt aus dem Schoß der Mutter Erde kommen. Dabei wird die Verehrung, Bewunderung und der Dank gegenüber Mutter Erde zum Ausdruck gebracht. Es wird nicht nur die Verbundenheit mit der Erde zelebriert, sondern neben der Bereitung wohlschmeckender Speisen auch viel Pflanzenkohle mit Erde und organischen Abfällen vermischt. Möglicherweise erzählen uns die Pachamaca noch heute, wie man die Erde respektvoll behandelt und dauerhaft fruchtbar macht, wir müssen nur zuhören und selbst ausprobieren.
Bild 11: Pachamanca in Peru: rituelles Zubreiten von Speisen im Erdofen. Quelle: www.radioprimiciasuta.blogspot.com
Veranstaltungshinweis:
Am 13. August 2016 werden Sarah Wiener, die berühmte Restaurantchefin, und Haiko Pieplow bei einem Terra Preta Workshop in der Ückermark phantastische Gerichte in Gargruben zaubern, Pflanzenkohle herstellen und die Prinzipien der Terra Preta und organischen Nährstoffkreisläufe demonstrieren. (Programm und Anmeldung).
Samuel Moser
31.07.2016 08:34
Ein spannender Artikel! Zweifellos stand das Essen im Zentrum der täglichen Aktivitäten in der Bronze- und Eisenzeit. Die Namen der Zeitepochen weisen aber auch auf den Nutzen von Erzen hin, die ja bekanntlich auch sehr viel Hitze zur Gewinnung und Verarbeitung benötigen. Damit liegt doch ein weiterer "praktischer Nutzen" der Feuergruben auf der Hand.
Marko Heckel
31.07.2016 14:48
Hallo Haiko, hallo Hans-Peter,
hier noch der Link zum 56 min Video von Haikos Kon-Tiki-Aktion bei unserem Erdbeerfest (unser TriaTerra-Hoffest mit 300 Besuchern).
https://www.youtube.com/watch?v=o3gUa0cTzSI
Danke für die Aktion.
Gruß Marko