Klimapositive Landwirtschaft

von Hans-Peter Schmidt & Claudia Kammann

Der landwirtschaftliche Sektor ist derzeit für rund ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemission verantwortlich. Hauptursachen sind Tierhaltung, fehlgeleitete Landnutzungsänderungen, Einsatz fossiler Treibstoffe für Landmaschinen und synthetische Düngemittel. Trotz dieses Zustands besteht kaum politischer Wille den landwirtschaftlichen Sektor zu wesentlichen Emissionsminderungen zu verpflichten. Dabei könnte mit den richtigen Weichenstellungen die Landwirtschaft das Klima schützen, statt zu belasten. Denn mangels großtechnischer Lösungen, sind es nur Bäume, sonstige Pflanzen und Algen, die CO2 in klimarelevanten Mengen aus der Atmosphäre entziehen können. Ein Schlüssel zur Rettung des Klimas liegt also in einer Landwirtschaft, welche dem Planeten zu mehr Biomasse verhilft und den so gewonnenen Kohlenstoff langfristig im Boden und in neuen Bio-Materialien speichert.

die zitierbare Druckausgabe des Artikels können Sie hier als PDF herunterladen

An einigen Orten der Welt gibt es bereits Pionierbetriebe, die den fundierten Nachweis erbringen, dass klimapositive Landwirtschaft mit hoher wirtschaftlicher Wertschöpfung möglich ist. Auf dem Hof Wies im zentralschweizerischen Neuheim wird eine Rinderwirtschaft (60 Rinder) mit lokalem Futteranbau, Humusaufbau und hochstämmigen Obstbäumen kombiniert und durch Pflanzenkohleherstellung sowie ein Kompostwerk ergänzt. Anstatt der für die Schweiz üblichen Emissionen von durchschnittlich 115 t CO2-Äquivalenten pro landwirtschaftlichem Betrieb entzieht der Hof Wies jährlich 380 t CO2 aus der Atmosphäre und ist damit deutlich klimapositiv. Auf 13 Hektar werden so die im Inland verursachten CO2-Emissionen von 65 Schweizer Bürgern kompensiert.

Klimabilanz der Schweizer Landwirtschaft

Sowohl global als auch in der Schweiz gehört die Landwirtschaft zu den wesentlichen Verursachern von Treibhausgasen (THG). Während weltweit der landwirtschaftliche Sektor (inkl. Forstwirtschaft und sonstiger Landnutzung) für 24 % der weltweiten THG verantwortlich ist (Abb. 1), betragen die landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen der Schweiz derzeit 12,7 % der Gesamtemissionen, also etwa 6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2eq) (Bretscher & Felder, 2015). Diese Gesamtmenge setzt sich im Wesentlichen zusammen aus den Methanemissionen (CH4), die bei der Verdauung der Nutztiere entstehen (3,2 Mio. t CO2eq), den Lachgasemissionen (N2O) aus den mit Stickstoff gedüngten Böden (1,5 Mio. t CO2eq), der Hofdüngerlagerung (0,8 bzw. 0,4 Mio. t CO2eq) und den CO2-Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Treib- und Brennstoffen in landwirtschaftlichen Maschinen und Gebäuden (0,7 Mio. t CO2eq) (Bretscher & Felder, 2015).

Bei einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 1,5 Millionen Hektar (ha) in der Schweiz entspricht dies einer Emissionsmenge von 4 t CO2eq pro Hektar bzw. durchschnittlich 115 t CO2eq pro landwirtschaftlichem Betrieb. Anders gesagt, ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Schweiz emittiert durchschnittlich ebenso viel CO2eq wie der Lebensstil von 20 Schweizer Bürgern. Oder noch anders ausgedrückt, in der Schweiz werden auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 1,5 ha (1,5 Fußballfelder) ebenso viele Klimagase ausgestoßen wie ein Schweizer Bürger im Inland verursacht. Würde auf der gleichen Fläche ein Mischwald oder Waldgarten wachsen, könnte die gleiche Menge CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre entzogen werden. Einen solchen Entzug von CO2 aus der Atmosphäre nennt man in der Fachsprache der Klimaforscher: Negativemissionen (NE), was ein etwas ungeschickter Fachbegriff ist, bei dem das positive Ziel, nämlich die Reduktion der CO2-Konzentration der Atmosphäre, mit einem „negativen“ Begriff assoziiert wird. Wissenschaftlich lässt sich der Begriff leicht erklären: Der Entzug von CO2 aus der Atmosphäre reduziert den CO2-Gehalt, es wird also von der CO2-Gesamtmenge in der Atmosphäre subtrahiert und folglich als negative Zahl geschrieben (z.B.: -4 t CO2eq) und daher als Negativemission bezeichnet. Emissionen aus der Esse eines Kohlekraftwerkes hingegen werden mit positivem Vorzeichen versehen, da sie die Gesamtmenge an CO2 in der Atmosphäre vergrößern, und folglich als Positivemissionen angesehen. Da lässt sich nur hoffen, dass sich diese Fachsprachenregelung überlebt und klimapositive Begrifflichkeiten für Politik und Bevölkerung geprägt werden.

Abb. 1: Verteilung der globalen Treibhausgasemissionen. Entnommen aus IPCC (2014); basierend auf den weltweiten Emissionen von 2010.

Im Zuge des Abkommens von Paris im Dezember 2015 (COP21) hat sich die Schweiz verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 50 % gegenüber 1990 zu senken. Ohne substanzielle Reduktionen der landwirtschaftlichen THG-Emissionen wird dieses Ziel jedoch nicht erreichbar sein. Zudem haben die Bundesämter für Umwelt und für Landwirtschaft (BAFU und BLW) bereits 2008 gesetzlich festgelegt, die Stickstoffemissionen (Ammoniak und Lachgas) von rund 48.000 t (Kupper et al., 2009) auf 25.000 t (BAFU & BLW, 2008) zu halbieren, um so eine substanziell schädigende Wirkung in sensiblen Ökosystemen zu verhindern. Die Schweiz wird dieses 2008 gesetzte Ziel deutlich verfehlen, da sämtliche bisher diskutierten Maßnahmen wie die Ausbringung von Gülle mit Schleppschläuchen, Güllelagerabdeckung, reduziertes Kraftfutter usw. nur ein verhältnismäßig geringes Einsparpotential haben (Peter, 2011). Maßnahmen wie Humusaufbau (also eine Zunahme des Bodenkohlenstoffgehalts), Mischkulturen, Agroforst, Güllefermentierung und der Einsatz von Pflanzenkohle, die sämtlich deutlich höhere Einsparpotentiale haben (Stavi & Lal, 2013; Lal et al., 2015), sind vermutlich aufgrund ihrer Komplexität bisher nur zaghaft von der traditionellen Agrarwissenschaft untersucht worden und entsprechend wenig in den Diskussionen der Amtsstuben präsent. Auch verteidigt die Agrar- und Agrochemielobby bisher ihre Investitionen, sprich ihre konventionellen Geschäftsmodelle, wodurch ökologische Innovationen, die weniger finanzstarke Advokaten haben, bisher eher von einzelnen Pionieren oder Bürgergesellschaften vorangetrieben werden. All dies ändert jedoch nichts an dem Faktum, dass das 1,5°C-Ziel, ebenso wie die Klimaneutralität der Schweiz, mittel- und langfristig nur dann zu erreichen sind, wenn die Land- und Forstwirtschaft de facto mehr CO2 aus der Atmosphäre entziehen und speichern als emittieren.

CO2-Entzug (Negativemissionen)

Der Weltklimarat (IPCC) und die Klimaforschung der letzten Jahre sind sich einig, dass der Klimawandel nur dann begrenzt werden kann, wenn neue Methoden und Technologien für den verstärkten Entzug von CO2 aus der Atmosphäre sorgen (Smith et al., 2015; Boysen et al., 2016; Hansen et al., 2017). Hierfür gibt es vier wesentliche Methoden:

CO2 technisch aus der Luft entziehen (Kumar et al., 2015; Sanz-Pérez et al., 2016).

Bindung von CO2 in Karbonaten durch Verwitterung von landwirtschaftlich oder im Ozean ausgebrachte Mineralien wie Basalt oder Olivin (Moosdorf et al., 2014; Koeve et al., 2017; Montserrat et al., 2017)

Gezielter Anbau von Biomasse und deren Verbrennung zur Energieerzeugung, bei Abscheidung des CO2 und Verpressung in geeignete geologische Lagerstätten (BECCS).

Vermehrtes Wachstum von Pflanzen (z.B. durch Agroforst, Waldgärten, Waldweiden etc.) und Algen kombiniert mit der langfristigen Nutzung und Speicherung des so gebundenen Kohlenstoffs in landwirtschaftlichen Böden oder in Materialien und Produkten, die für eine langfristige Speicherung sorgen.

Die Methoden 1 und 3 sind mehr oder weniger vielversprechende Formen des Geoengineerings, die derzeit jedoch entweder technisch noch nicht ausgereift sind, deren Auswirkung auf die lokalen und globalen Ökosysteme noch nicht hinreichend abgeschätzt werden können, oder deren Finanzierung und Skalierung auf globalem Niveau noch als problematisch eingeschätzt werden (Hansen et al., 2017). Die Erhöhung der terrestrischen und marinen Biomasseproduktion kombiniert mit der Sequestrierung eines erheblichen Anteils des in der Biomasse akkumulierten Kohlenstoffs (Methode 4) in Böden oder in Materialien könnte hingegen vergleichsweise rasch und mit geringem ökologischem Risiko umgesetzt werden (Smith et al., 2015; Hansen et al., 2017; Rockström et al., 2017; Werner et al., 2018).

Die Biomasse-Strategie

Die im Zusammenhang mit der Biomasse-Strategie vorwiegend diskutierte Methode 3 besteht darin, Biomasse-Plantagen anzulegen, die so erzeugte Biomasse energetisch zu verwerten und das dabei entstehende CO2 abzufangen, zu verflüssigen und unterirdisch zu lagern. Diese Methode wird als „Biomass to Energy, Carbon Capture & Storage“ (BECCS) bezeichnet. Es wird also die Energie der Biomasse genutzt, um fossile Rohstoffe bei der Strom- und Wärmeerzeugung zu ersetzen und das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 aus dem Abgas zu filtern. Zwar ist das theoretische Potential von BECCS hoch, aber eine Reihe von Nachteilen machen es unwahrscheinlich, dass es je in großem Stile umgesetzt wird:

  • Die Gewinnung von CO2 aus einem Abgasstrom von Verbrennungsanlage ist bisher teuer und höchstens für großtechnische Anlagen sinnvoll (Kemper, 2015; Vaughan & Gough, 2016).
  • Das Verpressen von flüssigem CO2 in tiefe Bodenschichten könnte sich als ökologisch riskant erweisen (Vaughan & Gough, 2016; Burns & Nicholson, 2017). Zudem könnten CO2-Lagerstätten in der Bevölkerung auf Gegenwehr stoßen („nimby“ Effekt – „not in my backyard“)
  • Strom aus Biomasse ist (auch ohne die kostspielige CO2-Abtrennung) bereits heute mehr als doppelt so teuer wie Solar- und Windenergie; zudem mindert die Abscheidung die Energieausbeute. Mit der zu erwarteten Preisentwicklung im Solarenergiebereich kann quasi ausgeschlossen werden, dass Strom aus Biomasse je so wirtschaftlich sein wird, dass es die Verstromung von fossilen Rohstoffen ersetzt.
Abb. 2: Der klimapositive Hof Wies, ein Mischbetrieb mit Rindern, Futteranbau, Biomasse, Kompost- und Pflanzenkohleproduktion.

Biomasse-Kohlenstoff kann aber auch anders genutzt und sequestriert werden. So können aus Holz oder Holzspänen Baumaterialien gefertigt werden (ein allgegenwärtiges Beispiel: MDF- oder OSB-Platten), die mehrere Jahrzehnte oder Jahrhunderte verbaut bleiben können, ohne dass der Kohlenstoff wieder als CO2 emittiert wird (Skog & Nicholson, 1998; Hashimoto et al., 2002). Eine andere Möglichkeit besteht darin, Biomasse ohne Zufuhr von Sauerstoff auf 400 bis 900°C zu erhitzen (Pyrolyse). Dabei entstehen ein brennbares Gas (permanentes Pyrolysegas), ein kohlenstoffreicher Feststoff (Pflanzenkohle) und eine kohlenstoffreiche Flüssigkeit (Bioöl).

Das Bioöl kann als Rohstoff für die biobasierte Chemieindustrie oder auch als Zuschlag für Asphalt und Baumaterialien verwendet werden (Dinesh Mohan et al., 2006; Crombie & Mašek, 2014; Raman et al., 2015). Wenn die Regierungen der Welt die Forderungen des Pariser Abkommens auch nur ansatzweise einhalten würden und bis 2050 die Förderung fossiler Brennstoffe um mindestens 90% reduziert, werden auch die Rohstoffe für fast die gesamte Chemieindustrie wegfallen, womit Bioöl zum wichtigsten Rohstoff der Industrie würde. Unterdessen könnte Bio-Öl, sofern es einzig um die sichere Lagerung biogenen Kohlenstoffs geht, zunächst in alte Erdöllagerstätten gepumpt und zwischengespeichert werden.

Das permanente Pyrolysegas ist die Fraktion des Pyrolysegases, die bei Raumtemperatur immer noch gasförmig ist. Es ist brennbar und kann zur Wärmegewinnung und/oder Verstromung eingesetzt oder zu Treibstoffen aufgearbeitet werden. Das bei der Verbrennung der Pyrolysegase entstehende CO2 kann theoretisch ebenso wie beim konventionellen BECCS aus dem Abgasstrom gefiltert, verflüssigt und geologisch gelagert werden (Werner et al., 2018). Vielversprechend ist auch ein neuer, inzwischen bereits sehr aktiver Forschungsbereich, in dem versucht wird, CO2 als Rohstoff für die Chemieindustrie zu etablieren. Unter entsprechendem Energieaufwand lassen sich aus CO2 fast sämtliche, mehr oder weniger komplexe organische Moleküle synthetisieren (Aresta, 2010; Rahaman et al., 2011; Omae, 2012).

Pflanzenkohle

Das dritte Produkt des Pyrolyseprozesses, die Pflanzenkohle, wird bisher vorwiegend in der Landwirtschaft und Tierhaltung verwendet (O’Toole et al., 2016). Wird die Pflanzenkohle mit organischen Nährstoffen beladen, dient sie als Trägermatrix für Düngemittel, und kann so besonders effizient das Pflanzenwachstum fördern, vermutlich die Auswaschung von Nitrat ins Grundwasser reduzieren, die Emissionen von Treibhausgasen verringern und Humus aufbauen (Kammann et al., 2015, 2017; Liu et al., 2016; Tian et al., 2016; Hagemann et al., 2017; Schmidt et al., 2017). Da die in den Boden applizierte Pflanzenkohle mikrobiell kaum abgebaut wird, kann davon ausgegangen werden, dass der ursprüngliche Kohlenstoff aus der Biomasse für mehrere Jahrhunderte stabil im Boden gespeichert wird (Zimmerman & Gao, 2013; Lehmann et al., 2015) und damit eine Kohlenstoffsenke darstellt.

Wird die Pflanzenkohle in der Fütterung, für die Stalleinstreu oder in der Güllebehandlung eingesetzt, können weitere Klimagasemissionen reduziert werden (Kammann et al., 2017). So stoßen Rinder, zu deren Futter 1 % Pflanzenkohle hinzugegeben wird, vermutlich weniger Methan beim Wiederkäuen aus (Leng et al., 2013; Schmidt et al., 2016). In der Einstreu sorgt die Pflanzenkohle für die Verhinderung von Fäulnis, womit weniger CH4, NH3 und N2O emittiert werden (Kammann et al., 2017). Zugleich wird die Kohle mit sonst flüchtigen Nährstoffen beladen, womit die Düngeeffizienz verbessert wird und mehr Nährstoffe rezykliert werden, anstatt dass sie ins Grundwasser ausgeschwemmt oder in die Atmosphäre emittiert werden (Kammann et al., 2017). Diese neuen Methoden des agronomischen Pflanzenkohleeinsatzes haben sich vielerorts bereits in der Praxis bestätigt, doch besteht trotzdem noch viel Forschungsbedarf, um die Effekte verlässlich zu quantifizieren und die grundlegenden Mechanismen der Dynamik von organischen Nährstoffen, Mikroorganismen und Pflanzenkohle zu verstehen.

Die Applikation von Pflanzenkohle in landwirtschaftlichen Böden wird schon seit Beginn des Jahrtausends als Methode zur Sequestrierung von Kohlenstoff diskutiert (Lehmann et al., 2006; Laird, 2008; Woolf et al., 2016). Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten haben sich seither mit der Stabilität des Kohlenstoffs im Boden beschäftigt. Es besteht robuster wissenschaftlicher Konsens, dass die mittlere Verweildauer des Pflanzenkohle-Kohlenstoffs im Boden höher als die aller anderen organischen Kohlenstoffverbindungen ist und mehrere Jahrhunderte beträgt, womit eine langfristige Sequestrierung sichergestellt wäre (Zimmerman & Gao, 2013; Lehmann et al., 2015). Bei üblichen Marktpreisen von 600 Euro pro Tonne Pflanzenkohle (Schmidt & Shackley, 2016) wäre die Methode jedoch viel zu teuer und damit unwirtschaftlich, wenn das Ziel lediglich die Sequestrierung von Kohlenstoff wäre. Allerdings verspricht die Pflanzenkohle neben der C-Sequestrierung zahlreiche weitere landwirtschaftliche Vorteile, was somit die C-Sequestrierung kofinanzieren könnte:

  • Einsatz als Trägermatrix für (organische) Dünger (Joseph et al., 2013; Qian et al., 2014)
  • Organische pflanzenkohlebasierte Dünger könnten bei gleichen oder sogar höheren Erntemengen konventionelle Chemiedünger ersetzen (Schmidt et al., 2017)
  • Reduktion der Nährstoffauswaschung, insbesondere Nitrat (Kammann et al., 2015; Hagemann et al., 2017)
  • Erhöhung des Humusgehalts im Oberboden (Weng et al., 2015; Tian et al., 2016, 2018)
  • Verbesserung der Futtereffizienz und Tiergesundheit bei Zufütterung (Schmidt et al., 2016; Toth & Dou, 2016)
  • Reduktion der Ammoniak- und Methanemissionen im Stall (Tiergesundheit, Arbeitsmilieu, THG) (Kammann et al., 2017)
  • Reduktion der Nährstoffverluste in der Tierhaltung (Nährstoffrecycling) (O’Toole et al., 2016; Kammann et al., 2017)
  • Erhöhung der Energieeffizienz und Reduktion der Nährstoffverluste in Biogasanlagen (Monlau et al., 2015)
  • Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Stadtbäumen und Verbesserung des Regenwassermanagements in Städten (Embren, 2016)

Neben dem Einsatz in Landwirtschaft und Tierhaltung kann Pflanzenkohle auch in zahlreichen anderen Bereichen so eingesetzt werden, dass der Kohlenstoff gebunden bleibt. So wird Pflanzenkohle z.B. zunehmend als Betonzusatzstoff und als Sandersatz in der Bauindustrie eingesetzt und findet Verwendung in der Papier-, Textil- und Elektronikindustrie (Schmidt, 2012; Qian et al., 2015; García et al., 2017; Gupta & Kua, 2017; Wang et al., 2017; Callegari & Capodaglio, 2018). Die Pyrolyse von Biomasse führt folglich zu kohlenstoffreichen Materialien, die sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Industrie so eingesetzt werden können, dass der ursprünglich von den Pflanzen aus der Atmosphäre entzogene Kohlenstoff langfristig im Erdsystem gespeichert bleibt.

Im Gegensatz zu BECCS wird die Biomasse also nicht in Strom und Wärme umgewandelt, sondern zu kohlenstoffreichen Materialien für die Bio-Ökonomie aufgearbeitet. Der dafür geprägte Begriff lautet seit 2018 PyCCS (pyrogenic carbon capture and storage = einfangen und lagern von pyrogenem Kohlenstoff) (Werner et al., 2018).

Abb. 3: Herstellung von höchst fruchtbarem Pflanzenkohle-Kompost: Swiss Terra Preta. Der Kompost aus Rindermist, Stroh, Grünschnitt, Gesteinsmehl und Pflanzenkohle wird in der ersten zwei Wochen täglich gewendet und wird zum Schutz vor Austrocknung abgedeckt.

Künftig sollten sich landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr nur auf die Produktion von ein oder zwei Kulturen wie zum Beispiel Mais und Raps oder Weidewirtschaft spezialisieren. Vielmehr wird es entscheidend sein, neben den produzierten Nahrungs- und Futtermitteln auch sämtliche Biomassen als wesentliches landwirtschaftliches Produkt zu erkennen, ohne dabei einen schädlichen (z.B. Mais-) Monokulturweg einzuschlagen. Zudem muss die Kohlenstoffbilanz zu einem verpflichtenden Ausweis landwirtschaftlicher Praxis werden. Durch die Verarbeitung von Biomassen, die parallel und ergänzend auf den Flächen der Nahrungs- und Futtermittelproduktion kultiviert werden, kann die Landwirtschaft zu einem Netto-Kohlenstoffproduzenten, also klimapositiv werden. Die landwirtschaftlichen Betriebe würden so von CO2-Emittenten zu Kohlenstoff-Sequestrierern. Die Landwirtschaft würde neben ihrer Aufgabe als Nahrungs-, Futter- und Faserproduzent zum Klima-Dienstleister, die Bauern also, wie wir es früher schon nannten, zu Klimafarmern. Die Landwirtschaft ist der Schlüssel für die Erreichung des 2°C Ziels des Pariser Klimaabkommens, denn nur die Land- und Forstwirtschaft kann kurz- bis mittelfristig für relevanten CO2-Entzug aus der Atmosphäre (Negativemissionen) sorgen.

Traurig und eigentlich unfassbar ist, dass die Schweiz ebenso wie quasi alle anderen Staaten der Welt diese Schlüsselfunktion der Landwirtschaft noch nicht erkannt haben, und allein schon daran verzweifeln, die landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen auch nur um 10 % zu senken. Um den Strategiebeauftragten in Landwirtschafts- und Umweltämtern, den Medien und Lobbygruppen, den Schulen und Politikern und den Landwirten selbst das Klimapotential innovativer Landnutzung nahezubringen und Auswege aufzuzeigen, wie die gesetzlich verankerten Reduktionsziele doch erreicht werden können, müssen sowohl die wissenschaftliche Forschung viel mehr unterstützt als auch vermehrt Pilotprojekte einzelner Landwirte initiiert und gefördert werden. Es braucht dringend die positiven Beispiele, die vor aller Augen zeigen, dass es geht.

Einer dieser wegweisenden Landwirte ist Franz Keiser, der als erster schweizerischer Landwirt eine professionelle Pyrolyseanlage betreibt und seinen Hof zu einer Klimafarm umgewandelt hat. Die Geschichte des Hofs Wies ist zugleich eine Zeitreise in die Schweizer Landwirtschaft der letzten 100 Jahre.

Der klimapositive Hof Wies

Als Ende des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung in Schwung kam und insbesondere die Textilindustrie in den ost- und mittelschweizer Städten gut bezahlte Arbeitsplätze schuf, wanderten viele der unterbezahlten Landarbeiter aus den ländlichen Regionen ab. Dies führte zum Bankrott zahlreicher Herrenhöfe der Innerschweiz, die nun günstig von nachziehenden Bergbauern gekauft werden konnten. Auf diese Weise kam 1898 die Großfamilie Keiser in den Besitz des Hofes Blachen in Neuheim im Zuger Land. 1922 heiratete Josef Keiser, der Großvater des heutigen Besitzers, die Tochter des Eigentümers vom Nachbarhof Hof Wies und unterzeichnete am Hochzeitstag zugleich den Kaufvertrag für den Hof der Schwiegereltern. Gemäß Kaufvertrag „ertrug der Hof 10 Kühe im Winter und Sommer“. Das Haupteinkommen wurde allerdings mit Kirschen und Obst bzw. den daraus gewonnenen Getränken erwirtschaftet. Zum Hof gehörte eine große Mosterei samt Trestertanks, deren gegorener Saft ebenfalls auf dem Hof zu Schnaps gebrannt wurde. Der Most- und Schnappsverkauf waren ein wesentlich gewichtigeres Einkommen als die Milch. Auf einer Höhe von 720 m gelegen und damals mit recht fruchtbaren Böden gesegnet, konnten auf dem knapp 13 ha großen Hof eine Großfamilie samt Angestellten vom Fruchtertrag, weiteren Mischkulturen, Getreide und einigen Tieren versorgt werden.

Als jedoch die Alkoholverwaltung des schweizerischen Bundes 1949 eine deftige Steuer auf den Alkohol erhob, brachen die Erträge des Hofes ein. Um dieser existenziellen Krise beizukommen, wurde für einige Jahre Schwarzbrennerei betrieben. Doch 1954 wurde der Hof schließlich von der Alkoholverwaltung überführt. Unmittelbar vor dem Prozess verstarb Josef Keiser. Um der horrenden Nachsteuer, die das Ende des Hofes bedeutet hätte, zu entkommen, verkaufte der Sohn die Brennerei an den Bund. Zehn Jahre später finanzierte die Alkoholverwaltung das Fällen der Obstbäume. Zum Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Fruchtschnaps wurde das Land zur kahlen Fläche.

Heute wird der Hof von Franz Keiser in der dritten Generation geführt und auch die Übergabe an die vierte Generation ist bereits geregelt. Anhand der knapp 100jährigen Geschichte dieses Hofs lässt sich ein wesentlicher Teil der schweizerischen Agrargeschichte ablesen und, wie es scheint, auch ein Blick in die Zukunft der Landwirtschaft in Europa gewinnen.

Bis Mitte der 1960er Jahre wurde der Hof Wies als traditionelle Mischfarm mit Rinderhaltung, Obst-, Gemüse- und Getreideanbau betrieben. Doch dann machten sich die staatlichen Bemühungen zur Intensivierung und Spezialisierung der Landwirtschaft (und Schutz vor Trunkenheit) bemerkbar. Mischkulturen und Destillate waren zu sehr auf Selbstversorgung und lokale Märkte ausgerichtet. Der Staat aber wollte effizient und somit billig hergestellte Massenprodukte für die Versorgung der wachsenden Städte und deren Supermärkte.

Abb. 4: Die Familie Keiser-Christen etwa 1935. In der Mitte der Gründer des Hofes, Josef Keiser.

Im Jahr 1965 sah sich die Familie Keiser gezwungen, in die Modernisierung ihres Hofs zu investieren und sie zu einem Milchbetrieb umzubauen. Der Staat unterstützte dies mit Subventionen. Allerdings wurden diese an Bedingungen geknüpft, die aus heutiger Sicht unglaublich klingen. Die staatliche Unterstützung für die Intensivierung der Rinderhaltung und den Bau neuer Stallanlagen wurde nur dann ausgezahlt, wenn wenigstens 400 der 560 Hochstamm-Obstbäume gefällt würden, so dass der Bauer auch wirklich auf Gedeih und Verderb auf den Verkauf der Milch angewiesen war. Später wurden dann auch noch die restlichen Bäume entfernt, um größere Getreideflächen für die Anbauprämien des Bundes deklarieren zu können. Subventioniert wurde zudem der Bau eines großen Güllebeckens mit Schwemmkanal. Seither wurde Sägemehlgülle auf den Feldern und Weiden ausgebracht, was den Ertrag im Futterbau extrem zurückgehen ließ. Der Einkauf von Chemiedünger und Kalk wurden daher unumgänglich.

In den folgenden 30 Jahren waren die Hauptprodukte des Hofes Milch und gelegentlich Fleisch. Kahl lagen nun die Felder und Weiden auf dem Berghügel. Gedüngt mit fauliger Gülle und chemischen Düngern nahm der Humusgehalt der Böden ab, die Weiden mergelten aus. Die Klimabilanz, die damals noch niemanden interessierte, war nun ebenfalls durchweg negativ (die Böden verloren Kohlenstoff; die Rinder stießen Methan auf und aus; Mist und Gülle emittierten Methan, Ammoniak und Lachgas; die Traktoren und Maschinen wurden mit Diesel betrieben, und Bäume, die Kohlenstoff akkumuliert hätten, fehlten).

Im Frühjahr 1983 übernahm Franz Keiser die Bewirtschaftung des Hofes von seinem Vater. Mit stetig sinkendem Milchpreisen, abnehmender Bodenqualität und zunehmenden Lebenshaltungskosten, wurden die 13ha bald zu wenig, um eine Familie allein mit Milchviehhaltung zu ernähren. Es wurde unübersehbar, dass am ganzen System etwas faul war und etwas Grundsätzliches an der Bewirtschaftung verändert werden musste. Aber was? Damals gab es noch kein Internet, „Bio“ war noch nicht in aller Munde, von den Landwirtschaftsämtern kamen Richtlinien und Subventionen für Maßnahmen, die häufig die Situation eher verschlechterten. Gute Ideen begannen zwar hier und da zu zirkulierten, aber es brauchte einen Zufall, um Anschluss an diese Kreise zu finden und dann mit Mut und Weitsicht den Wandel einzuleiten. Für Franz Keiser kam dieser im Herbst 1993 durch einen Bodenkurs von Uta und Siegfried Lübke. Hier erfuhr er die Hintergründe für die abnehmende Bodenqualität seines Hofes und erlernte die Technik und das Verständnis, um den Prozess wieder umzukehren. Als erstes wurde die Güllewirtschaft auf Mistdüngung umgestellt. Die Tiere bekamen wieder mehr Stroh und der Mist wurde nach der Lübke-Methode unter häufigem Wenden kompostiert. Kunstdünger wurde abgeschafft. Dank seiner neuen Erfahrung als Kompostierer und wegen der Notwendigkeit eines regelmäßigen Zuverdiensts, übernahm Franz Keiser 1996 die Kompostierung des Grünguts seiner Gemeinde Neuheim. Über die Jahre entstand daraus ein professioneller Betriebszweig zur Herstellung hochwertiger Erden. Heute produziert der Betrieb Wies hochwertigen Nährhumus für die Bodenbelebung und den Humusaufbau.

Klimabilanz des Pionierbetriebs

In den biologisch sehr aktiven, unter häufigem Wenden entstandenen Erden und Komposten liegt der ursprüngliche Kohlenstoff der Biomassen in einer vergleichsweise stabilen, humusähnlichen Form vor. Diese Komposte verbessern somit nicht nur die allgemeine Bodenfruchtbarkeit und liefern Nährstoffe, sondern führen vor allem auch zur Erhöhung des Humusgehalts des Bodens. Humusaufbau ist direkte, biologische C-Sequestrierung (Zomer et al., 2017). Wird der Humusgehalt eines Bodens um 1 % erhöht, so entspricht dies etwa 30 t Kohlenstoff pro Hektar bzw. rund 100 t CO2eq [bei einer Bodendichte von 1200 kg pro m3, rechnet man eine einprozentige Zunahme des C-Gehaltes auf den obersten 25 cm: CM=1,2 t/m3 * 1 % * 10.000 m2 * 0,25 m = 30 t].

Auf den bewirtschafteten Flächen des Hof Wies ist seit 1996 der Humusgehalt von ursprünglich 3 % auf heute 5 % gestiegen. Erreicht wurde dies vor allem durch nachhaltige Bodenwirtschaft, geschickte Fruchtfolgen, Kompost und Verzicht auf Güllewirtschaft und Chemiedünger. Hochgerechnet auf die 13 ha des Hofes entsprechen die 2 % Humuszuwachs über 20 Jahre einer jährlichen Sequestrationsleistung von 130 t CO2eq. Ein jährlicher Humuszuwachs von 0,1 % ist als relativ hoch einzuschätzen, aber angesichts der umgesetzten Maßnahmen und Bodengeschichte keineswegs unrealistisch und vergleichbar mit Werten aus der Literatur (Kätterer et al., 2011; Henryson et al., 2018). Da die Bilanzierung der Zunahme des Bodenkohlenstoffs nur auf zwei Messungen aus dem Jahre 1996 und 2016 beruht, sind die absoluten Werte jedoch nur von bedingter Aussagekraft und müssten durch umfangreichere und systematisch vorgenommene Messungen bestätigt werden.

Zwischenzeitlich hat Franz Keiser auch wieder 80 hochstämmige Obstbäume sowie 280 m Hecken gepflanzt und unterhält einen halben Hektar Wald, welche zusammen das C-Äquivalent von rund 19 t CO2 pro Jahr akkumulieren. Im Stall werden regelmäßig Milchsäurefermente versprüht, was sowohl in den Liegeflächen und im Auslauf als auch im Mistlager Fäulnis verhindert und somit Ammoniak, Lachgas und Methanemissionen reduziert. Besucher können dies unmittelbar feststellen und kontrollieren: in den Ställen stinkt es nicht. Das Futter für die 60 Rinder wird quasi komplett auf dem Hof selbst erzeugt. Es werden lediglich 12 t Getreide und 5 t Heu pro Jahr und nur wenig eiweißhaltiges Kraftfutter hinzugekauft (siehe Tabelle 1).

Der Treibstoffverbrauch für Fahrzeuge und Maschinen sowie der Stromverbrauch für Betriebsgebäude und Stall sind mit 24,5 t CO2eq überschaubar (siehe Tabelle 1).

Abb. 5: Die Rinder liegen auf einer dicken Strohschicht, die mit Pflanzenkohle vermischt wurde. Zudem werden im Stall regelmäßig Milchsäurefermente ausgesprüht und die Rinder auch mit Pflanzenkohle gefüttert. Die Einstreu wird schließlich kompostiert und zu fruchtbarer Schwarzerde.

Die mit Abstand meisten Treibhausgasemissionen entstehen jedoch durch die Verdauungsprozesse der Rinder. Beim Wiederkäuen entstehen erhebliche Methanemissionen, die hauptsächlich beim Aufstoßen der Tiere durch das Maul entweichen. Pro Großvieheinheit (GVE) macht dies jährlich etwa 60 kg Methan und 165 kg CO2 aus (Johnson & Johnson, 1995; van Lingen et al., 2017). Für die gesamte Rinderherde addiert sich dies zu rund 47 t CO2eq. Hinzu kommen rund 35 t CO2-Emissionen durch den Abbau des Rindermists während der Lagerung und Kompostierung (siehe Tabelle 1).

Auf dem Hof werden pro Jahr zusätzlich 150 m3 Komposterden produziert und hauptsächlich an Gärtner und Gemüsebauern verkauft. Während der Mist für den Kompost aus den eigenen Ställen kommt, stammt ein großer Teil der kompostierten Biomassen aus dem Grünschnitt der umliegenden Gegend. Würde der Grünschnitt nicht auf die von Keiser praktizierte Weise kompostiert, würde der Kohlenstoff zu über 90 % nach 2 Jahren zu CO2 umgewandelt sein. Für die Klimabilanz kann die Hälfte des Kohlenstoffgehalts des aeroben Komposts angerechnet werden (macht für 150 m3 Kompost insgesamt 50 t CO2eq). Es wird hier die stabile Kohlenstofffraktion des Komposts als langfristige C-Senke angesehen, da dieser Kohlenstoff, wenn er in den Boden eingearbeitet wird, nur langsam mikrobiell zersetzt wird. Dies wäre nicht der Fall, wenn die für die Kompostierung verwendeten Biomassen unkontrolliert verrotten oder, wie im häufigen Fall von Industriekompostierung, teils anaerob abgebaut werden.

Abb. 6: Trocknung von bis zu 2000 m3 Hackschnitzel durch Nutzung der Abwärme aus der Pflanzenkohle-Produktion.

Insgesamt ergibt dies für den Hof Wies Emissionen von rund 128 t CO2eq und ohne Einbezug der Kompostierung und Pyrolyse eine C-Sequestrierung von 31,6 t CO2eq (siehe Tabelle 1). Dank des Humusaufbaus und der Bäume ist der Betrieb trotz klimaintensiver Rinderhaltung deutlich klimapositiv. Werden die zusätzlichen C-Senken durch den verkauften Kompost hinzugerechnet ist der Betrieb sogar mit 81,6 t CO2eq pro Jahr klimapositiv (siehe Tabelle 1).

Hofeigene Pyrolyse

Franz Keiser hat hier aber noch längst nicht mit der Umwandlung seines Hofes innegehalten. Im Jahre 2012 installierte er mit einigen Partnern und Freunden eine der ersten Pyrolyseanlagen der Schweiz auf seinem Hof (www.verora.ch). Hiermit werden pro Jahr 390 m3 Pflanzenkohle (ca. 120 t) produziert. Als Biomasse für die Pflanzenkohleherstellung wird der ausgesiebte Feinanteil von Holzhackschnitzel verwendet. Für diesen Feinanteil gäbe es sonst keine sinnvolle Nutzung, da er in Hackschnitzelheizungen den Luftdurchsatz für eine saubere Verbrennung behindert und zudem zu höheren Aschegehalten und Feuchtigkeitsbelastungen führt.

Die Abwärme der Pyrolyse (576 MWh) wird für die Trocknung der Hackschnitzel verwendet, wobei nicht nur der ausgesiebte Feinanteil zur Pflanzenkohleherstellung, sondern auch 700 - 2000 m3 Hackschnitzel für kommunale und private Heizungsanlagen getrocknet werden. Durch das Aussieben und Trocknen wird der Energiegehalt der Hackschnitzel verdoppelt. Zudem führt die Trocknung der Hackschnitzel zu Emissionsminderungen bei der Hackschnitzelverbrennung und verhindert erhebliche Kohlenstoffverluste bei der Lagerung der Hackschnitzel. Denn wenn Hackschnitzel feucht gelagert werden, kommt es zu mikrobiellem Abbau, was nicht nur für Geruchsbelastungen sorgt, sondern auch CO2 und Methan in die Atmosphäre ausstößt.

Das Aussieben und Trocknen der Hackschnitzel reduziert zwar die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zur üblichen Praxis der feuchten Verbrennung und Lagerung, bedeutet aber nicht, dass dieser Betrag in die Klimabilanz des Hofes eingerechnet werden kann. Durch die Hackschnitzeltrocknung wird ja kein Kohlenstoff sequestriert, sondern es werden nur Emissionen im Vergleich zu einer schlechteren Praxis verringert. In Klimabilanzen eines Betriebes geht es aber grundsätzlich nur um die Differenz zwischen dem tatsächlich emittierten CO2eq und dem im Betrieb langfristig sequestrierten Kohlenstoff.

Die Pflanzenkohle hat einen Kohlenstoffgehalt von durchschnittlich 80 %. Sie wird bei ca. 650°C hergestellt und weist ein H/Corg-Verhältnis von < 0,3 auf. Wird diese Pflanzenkohle im Boden appliziert - egal ob zuvor kompostiert, von Tieren verdaut oder anderweitig mit Nährstoffen aufgeladen – kann mit einer mittleren Verweildauer von über 700 Jahren gerechnet werden (Zimmerman & Gao, 2013; Camps-Arbestain et al., 2015; Lehmann et al., 2015). Es kann also mit guter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass nach der Einbringung in den Boden wenigstens 90 % des Kohlenstoffs bis zum Ende des Jahrhunderts sequestriert bleibt.

Abb. 7: Pyreg 500 - Anlage, wie sie baugleich auf dem Hof Wies zur Herstellung von ca. 400 m3 Pflanzenkohle und 575 MWh Wärme verwendet wird.

10 m3 der hergestellten Pflanzenkohle werden jährlich in Mischung mit Kompost auf den Feldern des Hofes ausgebracht. 2 m3 der Pflanzenkohle werden an die Rinder verfüttert und über den kompostierten Mist ebenfalls auf die eigenen Felder ausgebracht. Beides zusammen sequestriert insgesamt 15,8 t CO2eq in den Böden des Hofs. In kommenden Jahren wird diese Menge nicht mehr extra erfasst, sondern fließt dann in die Analyse des Bodenkohlenstoffs (Humus) ein, da die applizierte Pflanzenkohle ja als Teil des Kohlenstoffgehaltes des Bodens sichtbar wird. Für die Jahre 2016 – 2018 wurde dies gesondert berechnet, da die Humusbilanz auf der Entwicklung der Jahre 1996 – 2016 beruht, mit der Einbringung der Pflanzenkohle aber erst vor zwei Jahren regelmäßig begonnen wurde.

Die verbleibenden 378 m3 Pflanzenkohle, die die Anlage auf dem Hof Wies produziert, werden einerseits direkt in der Kompost- und Substratproduktion eingesetzt und andererseits als Futterkohle oder Pflanzenkohle für sonstigen landwirtschaftlichen Einsatz verkauft. Sämtliche 390 m3 Pflanzenkohle werden also schließlich in landwirtschaftliche Böden anderer Höfe eingebracht und dort sequestriert. Die dementsprechende Sequestrationsleistung von jährlich 300 t CO2eq (siehe Tabelle 1) wird in der vorliegenden Klimabilanz dem Hof Wies zugerechnet. Sollten in den kommenden Jahren die Kunden, die die Pflanzenkohle einkaufen und in ihren Feldern sequestrieren, diese Sequestrationsleistung für ihre eigene Klimabilanz anrechnen wollen, könnte diese natürlich nicht mehr dem Hof Wies gutgeschrieben werden. Vorläufig erscheint es aber sinnvoll, es dem Herstellungsbetrieb anzurechnen, da er mit seiner Technologie und Arbeit den labilen (Biomasse-) Kohlenstoff in eine stabile Form bringt und so verhindert, dass der Kohlenstoff als CO2 wieder in die Atmosphäre zurückkehrt.

Zusammenfassung der Klimabilanz

In Tabelle 1 werden die einzelnen Posten der Kohlenstoffbilanz des Hofs Wies detailliert aufgeführt, kommentiert und zu einer Bilanz zusammengerechnet. Wir gehen hier von dem Ansatz aus, dass wir grundsätzlich nur das berechnen, was tatsächlich der Atmosphäre entzogen wird und im irdischen System gespeichert bleibt. Wir berechnen hier also nicht die Mengen an THG, die im Vergleich zu anderen Methoden (z.B. Verbrennung oder Verrottung) verringert werden, sondern wirklich nur den Kohlenstoff, der am Ende mehr oder weniger in der Atmosphäre bzw. in der Biomasse, dem Boden oder Materialstoffen vorhanden ist. Es geht immer um die Bilanz zwischen Atmosphäre und Biosphäre/Boden.

Abb. 8: Franz Keiser bei der Prüfung der Pflanzenkohle - Qualität.

Insgesamt ergibt sich für den landwirtschaftlichen Betrieb unter Einbezug der Kompostierung und Pyrolyse eine positive Klimabilanz von 379 t CO2eq pro Jahr. Es werden also rund 100 t Kohlenstoff langfristig im Betrieb sequestriert, also deutlich mehr als in die Luft ausgestoßen. Zieht man in Betracht, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb dieser Größe durchschnittlich 50 t CO2eq emittiert, ist dies eine sehr beachtliche Pionierleistung und Beispiel für das Klimapotential der Schweizer Landwirtschaft. Die Klimabilanz wurde um 860 % im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt verbessert! Da jeder Schweizer im Inland für den jährlichen Ausstoß von durchschnittlichen 5,8 t CO2eq sorgt, bedeutet diese Zahl, dass der 13 ha Betrieb von Franz Keiser die Emissionen von 65 Schweizer Bürgern kompensiert (siehe Tabelle 1). Als einer der ersten Landwirte Europas demonstriert Franz Keiser somit, wie die Landwirtschaft zu einer wesentlichen Kohlenstoffsenke werden und damit zur Rettung des Klimas beitragen kann.

Möglichkeiten zur weiteren Verbesserung der Klimabilanz

Auch auf diesem Pionierhof gibt es noch Möglichkeiten, die Kohlenstoff-Sequestrierung weiter zu verbessern. Hierzu gehören die Installation von Solaranlagen, um mindestens den Eigenstromverbrauch abzudecken und in Zukunft mehr elektrisch angetriebene Fahrzeuge und Maschinen klimaneutral einzusetzen zu können.

Das größte Klimapotential liegt allerdings in der Erhöhung der Biomasse-Kapazität der gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche. Im Moment stammt der überwiegende Teil der Biomassen, die auf dem Hof pyrolysiert und kompostiert werden, von Biomassen, die außerhalb des Hofes heranwachsen. Auf dem Hof selbst wächst außer Gras und Futtergetreide, 280 m Hecke und 80 Fruchtbäumen noch immer zu wenig. Es könnten ohne Weiteres noch über 500 Hochstammbäume auf den 13 ha gepflanzt werden. Die Weideproduktivität würde sich nicht wesentlich verringern, aber die Biomassekapazität würde entscheidend erhöht. Zudem könnten weitere Windschutzstreifen mit Haselnusssträuchern angelegt werden, die Wasser speichern und zudem jährlich zu erntende Biomasse liefern. Nicht nur könnte ein Teil der Baum-und Strauchbiomasse pyrolysiert werden, sondern die Bäume würden auch über ihre Wurzeln Kohlenstoff in den Boden pumpen, der insbesondere in Verbindung mit Pflanzenkohle zu deutlichem und noch über viele Jahre fortgesetztem Humuszuwachs führen würde.

Das Potential eines traditionellen schweizerischen Bauernhofes zur Verbesserung der nationalen Klimabilanz ist somit sogar noch höher, als es der Hof Wies der Familie Keiser vorführt, und doch ist der Hof Wies schon jetzt ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie das Klimadilemma der Landwirtschaft gelöst und die negative Klimabilanz sehr deutlich ins Positive umgekehrt werden kann.

Danksagung

Diese Studie zur Berechnung der Klimabilanz des Hofs Wies und des konkreten Potentials landwirtschaftlicher Negativemissionen wurde mit Unterstützung des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Projektes BioCAP-CCS, Nr. 01LS1620A und 01LS1620B, durchgeführt. Wir danken unseren Projektpartnern Constanze Werner, Dieter Gerten und Wolfgang Lucht vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung für zahlreiche anregende Grundlagendiskussionen und die gemeinsame Entwicklung des PyCCS-Modells.

Literatur

das Literaturverzeichnis finden Sie in der Druckausgabe des Artikels (klicken Sie hier)
  • Fredy Kyburz
    05.03.2020 10:24

    Guten Tag
    Gibt es eine einfach Berechnungstabelle, -vorlage, um die Klimabilaz eines Landwirtschaftsbetriebs zu berechnen ? In etwa so wie im Artikel "Klimapositive Landwirtschaft" betreffs "Klimabilanz Landwirtschaftsbetrieb Franz Keiser".
    Danke für eine Antwort und noch einen schönen Tag
    Fredy Kyburz

    • hps
      05.03.2020 21:14

      Das ist leider nicht ganz so einfach. Es gibt auf Englisch das https://coolfarmtool.org/, aber das ist nicht sehr übersichtlich und ziemlich komplex. Unsere eigene Berechnungsgrundlage, wie wir sie für den Betrieb von Franz Keiser verwendet haben, ist leider nicht so allgemein, dass so einfach auf jedweden Hof übertragen werden kann. Es müsste dafür zunächst jemand die wichtigsten Betriebsdaten aufnehmen, die Berechnung daraus ist dann einigermaßen überschaubar und nicht allzu aufwändig.

  • Wolfgang Verch
    24.04.2021 07:55

    Sehr geehrter Herr Schmidt,
    heute habe ich erfahren, dass Elon Musk 100 Mio USD auslobt, um 1000 t CO2 für 100 Jahre der Atmosphäre zu entziehen und mindestens 100 Jahre im Boden zu speichern. Gilt das auch für Ihre Aktivitäten? Das haben Sie ja schon in Thailand bewiesen und in Ihrer Rückschau auf 2020 grob skizziert. Ich glaube, Musk will anhand der Wüsten nach dem Braukohle-Tagebau nachweisen, dass sogar in der Nähe seiner Gigafactory das machbar ist, wenn man nur will, z.B. durch das Anlegen von Waldgärten.

    Ich hoffe, dass Sie irgendwie von Musk profitieren können.
    Einen schönen Tag noch.

    Wolfgang Verch

    • hps
      24.04.2021 08:16

      Vielen Dank, sehr geehrter Herr Verch. Die 100 Millionen sind einerseits zu viel (für Forschung und Entwicklung) und andererseits zu wenig (für die Umsetzung tatsächlicher Maßnahmen). Mit 100 Millionen lassen sich grob überschlagen 100 größere Pyrolyseanlagen bauen, welche pro Jahr zusammen rund 100.000 t Pflanzenkohle, rund 200.000 t CO2eq (das Äquivalent der Emissionen einer deutschen Kleinstadt mit knapp 20.000 Einwohnern). Um einen tatsächlichen Klimaeffekt zu bewirken, braucht es in jedem Dorf der Welt eine oder mehrere entsprechende Pyrolyseanlagen (mindestens 8 Millionen Anlagen, die aber wie Autos in Serie produziert werden und entsprechen günstiger angeboten werden können - 100.000 € Investition für eine Jahresproduktion von 1000 t). Damit käme man auf 8 Gt Pflanzenkohle bzw. 16 Gt CO2eq. Um das zu erreichen braucht es aber auch eine Biomassestrategie, also überall, wo ein Flecken Erde nicht bewachsen ist, müssen Bäume, Hecken, Gräser gepflanzt werden oder die Bedingungen geschaffen werden, damit es auf natürliche Weise anwächst. Es braucht einen Markt für C-Senken, eine Saubere Zertifizierung und Registrierung. Es braucht einen Schutz der kleinen Landbesitzer, um Landgrabbing für C-Senken zu verhindern. Es braucht klare gesetzlich Vorgaben, dass Biomasse nicht als Monokultur, nicht mit Pestiziden und mit nachhaltiger Düngung und Bewässerung angebaut wird. Da sind noch viele offene Fragen, aber im Grunde ist der Weg klar. Das Geld vom entwaldenden Autobauer, der für die Emissionen seiner Milliarde Bitcoins nicht kompensiert und der daran verdient, den Herstellern besonders dreckiger Autos Elektrozertifikate zu verkaufen, ist gut für sein Marketing angelegt, aber was wir brauchen ist die Übernahme staatlicher Verantwortung und den Mut zu Innovationen, anstatt deren staatlicher Ausbremsung. Herzliche Grüsse, Hans-Peter Schmidt

  • Wolfgang Verch
    28.04.2021 15:17

    Sehr geehrter Herr Schmidt,
    danke für Ihre umfassende Antwort. Sie haben recht, in Deutschland ist sowas nicht zu machen. Nicht einmal die Grünen in Brandenburg zeigen Fortschrittsinitiative.
    Aber woanders wird das, was Sie in Nepal erreicht haben, aufmerksam verfolgt und in die eigenen Ziele eingearbeitet. Apple hat in seinem Umwelt-Fortschrittsbericht für 2021 angekündigt, bis zu 200 Mio USD in den Restore Fund zu investieren, um jährlich damit 1 Mio t CO2 zu entziehen. allerdings verwaltet Goldmann Sachs diesen Fonds, was eher nicht für ein Modell Nepal spricht, aber natürlich wollen sie auch einen gewissen Ertrag erzielen. Also vermutlich das befürchtete Landgrabbing. Quelle: https://www.apple.com/environment/pdf/Apple_Environmental_Progress_Report_2021.pdf
    Einen schönen Abend noch

    Wolfgang Verch

Bitte schreiben Sie uns Ihren Kommentar