Pilzzucht in den Waldgärten von Nepal
von Simon Lotz
Seit 2014 führt das Ithaka Institut in der Region Ratanpur in Nepal vielfältige Projekte zur Etablierung von Waldgärten auf ehemaligen Reisterrassen durch. Die angelegten Waldgärten bestehen zumeist aus einer höheren Baumschicht (z.B. Werthölzer), einer niedrigeren Baumschicht (z.B. Obstbäume), und einer Bodenschicht (z.B. Bohnen, Mais, Ingwer). Wahlweise kann auch eine Strauchschicht (z.B. Beeren, Wein) und eine Krautschicht (Kräuter für Gewürze und Tee), aber auch schnellwachsende Gräser wie Miscanthus und Bambus integriert werden. Solche Waldgärten bieten im Gegensatz zum früheren Reisanbau, der heutzutage ohne Mechanisierung nicht mehr rentabel ist, die Möglichkeit, eine Vielzahl hochwertiger Lebens- und Futtermittel auf engem Raum anzubauen. Durch ihre Diversität bieten die Systeme zudem eine hohe Resilienz gegenüber Klimaextremen sowie ein großes Maß an Flexibilität hinsichtlich der Arbeitsintensivität. Stehen zum Beispiel in einer Saison mal keine Arbeitskräfte zur Verfügung, um einjährige Feldfrüchte anzubauen, tragen die Obstbäume und Sträucher auch ohne größere Arbeitseinsätze weiterhin Früchte und somit zur Ernährung und zum Einkommen der Familien bei.
Auch wenn anfangs immer wieder viel Überzeugungsarbeit gefragt war, da die erste Erträge eines Waldgartens eben auf sich warten lassen, haben die nach und nach sich einstellenden Erfolge gezeigt, welch großes Potential Waldgärten in den subtropischen Höhenlagen von Nepal haben. Das Konzept der Waldgärten orientiert sich an den Schichten, die in einem natürlichen Wald vorkommen und ermöglicht zwischen den verschiedenen Komponenten (Blattfall, Mulch, Wurzelexudate etc.) einen effizienten Nährstoffaustausch. Doch was ist ein Wald ohne Pilze? Pilze sind integraler Bestandteil unserer Waldökosysteme, und doch werden (Speise-)Pilze bei der Konzipierung von Waldgärten oft vergessen und ihr riesiges ökologisches und wirtschaftliches Potenzial nicht ausgeschöpft. In den Waldgärten von Ratanpur werden nun wir das Pilzuniversum der Waldökosysteme erstmals integrieren.
Kultivierung von Speisepilzen
Verschiedene Pilzarten können mit einfachsten Mitteln kultiviert werden. Am einfachsten ist es, größere Äste, wie sie beim Baumschnitt anfallen, mit Pilzsporen zu inokuliert. Es können aber auch direkt auf dem Boden „Pilzbeete“ angelegt werden. Besonders Austernpilze, Braunkappen, Rosenseitlinge und Parasol sind für solche Pilzbeete geeignet. Für die Kultivierung auf Ästen kommen sowohl Austernpilze als auch Shiitake und Stockschwämmchen in Frage.
Für die Pilzzucht auf Totholz werden kleine Löcher in das Holz gebohrt und mit Pilzsporen beimpft. Diese mit Pilzbrut (Pilzmyzel) inokulierten Äste und Stämme werden daraufhin im Schatten der Bäume aufgestellt. Das Pilzmyzel ernährt sich dabei vom Totholz. Bereits nach ein bis zwei Monaten sprießen die ersten Pilze aus dem Holz und können geerntet werden. Für ein Pilzbeet wird ein kleiner Erdaushub angelegt, welcher mit Laub oder Ernteresten (z.B. Maiskolbenreste) der letzten Saison gefüllt und mit Pilzsporen geimpft wird. Hierfür müssen Laub und Erntereste jedoch zunächst über dem Kon-Tiki pasteurisiert werden. Die dabei entstehende Pflanzenkohle erhöht die Fruchtbarkeit der Pilzbeete.
Das Pilzbeet wird schließlich mit einer Schicht Laub bedeckt und so vor dem Austrocknen geschützt. Für diese Methode eignen sich besonders Austernpilze, da sie robust und schnellwachsend sind. Die erste Ernte kann schon nach einem Monat eingebracht werden.
Eine weitere Möglichkeit für die Pilzzucht sind Reissäcke, die mit geimpften Pilzsubstrat gefüllt und an Bäumen oder auch im Haus aufgehängt werden. So kann während der Trockenzeit die Kultivierung von Speisepilzen fortgesetzt werden. In anderen südostasiatischen Ländern ist die Nachfrage nach Pilzen sehr hoch, Austernpilze sind begehrt, werden oft frisch oder getrocknet verkauft und als nährstoffreiche, bezahlbare Fleischalternative verwendet. In Nepal gewinnen Speisepilze zunehmend an Beliebtheit, sind aber nicht teil der traditionellen Ernährung. In den beiden größten Städten, Kathmandu und Pokhara, gibt es in der gehobenen Gastronomie bereits einen Markt . Für die Entwicklung der lokalen Märkte wird es allerdings wieder neue Vermarktungsstrategien brauchen. Für den Eigenverbrauch im Dorf selbst werden wir mit Kochkursen das Interesse an den hochwertigen Nahrungsmitteln wecken. Da sich die Pilze durch Sonnentrocknung leicht haltbar machen lassen, können die Märkte ohne den Druck schneller Verfallsdaten aufgebaut werden.Das so vielversprechende Projekt zum Anbau von Speisepilzen in Waldgärten von Nepal können wir ab Februar 2023 dank einer großzügigen Spende von Heureka durchführen. Im Namen der beteiligten Bergbauern bedanken wir uns herzlich.
Strategien zum Erfolg
Folgende Faktoren haben bisher dazu geführt, dass sich die Pilzzucht in Nepal nur auf wenige spezialisierte Betriebe konzentriert.
- Das Knowhow, wie Pilze effektiv aber dennoch mit einfachen Mitteln angebaut werden können fehlt
- qualitativ hochwertige kontaminationsfreie Pilzbrut zum Anlegen der Pilzkultur ist kaum verfügbar
- das Pasteurisieren des Pilzsubstrates (Erhitzen über 70 °C im Wasserbad, um Keime und Sporen von unerwünschten Pilzarten aus dem Substrat zu entfernen) erfordert viel Energie, welche oft nur mit großen Mengen Feuerholz zu beschaffen ist.
Um diese drei großen Hürden zu überwinden, haben wir folgendes Konzept erarbeitet:
- Das Knowhow zum Pilzanbau werden wir in kleinen Intensivkursen mit ca. 10 lokalen Bauernfamilien vermitteln. Diese werden wir mit hochwertiger Pilzbrut des Austernpilzes versorgen. Im Rahmen des Kurses wird das Anlegen der verschiedenen Pilzanbaumethoden trainiert.
- Die Vermehrung der Pilzbrut wird ein essenzieller Teil des Trainings sein, da die kontaminationsfreie Vermehrung der Pilzbrut über den Erfolg des Pilzanbaus entscheidet. Bei der Verwendung minderwertiger Pilzbrut kann es zu drastischen Ernteausfällen kommen. Um dem vorzubeugen und ein nachhaltiges System zu errichten, muss vor allem auch die Ausrüstung (z.B. sterile Handschuhbox) für die Vermehrung der Pilzbrut bereitgestellt und der Prozess geübt werden.
- Um den Energieverbrauch für die Pasteurisation zu minimieren und die Verwendung von großen Mengen Feuerholz einzudämmen, nutzen wir die Abwärme, die bei der Pflanzenkohleproduktion mit der Kon-Tiki Methode entsteht. So wird keine zusätzliche Energie oder Feuerholz verbraucht. Die Pflanzenkohleproduktion und -anwendung ist seit Beginn integraler Bestandteil der Waldgärten und sorgt für bessere Wachstumsbedingungen der Bäume. Zudem leistet sie als langfristige Kohlenstoffsenke einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels.
Nach den ersten Kursen und den ersten erfolgreichen Pilzernten können die ausgebildeten Bauernfamilien ihr Wissen an andere Interessierte weitergeben und diese mit hochqualitativer Pilzbrut ausstatten, so dass immer mehr Kleinbauern die Pilzzucht in ihren Waldgärten integrieren können.
Viele solcher Pilzarten kann man auch in europäischen Gärten und sogar auf einem schattigen Platz auf dem Balkon anbauen. Anbautipps und Pilzmyzel zum Animpfen finden Sie auf der Webseite von Pilzmännchen.
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