Die Landschaft der Tausend Teiche

von Klaus-Bernhard Kühnapfel

Eine der artenreichsten Kulturlandschaften Europas wurde im Mittelalter von Menschhand angelegt. Trotz Agrarrevolution, Industrialisierung und Erfindung der Chemie beweist das Teichgebiet der Oberlausitz noch heute, dass Landwirtschaft und Naturschutz sich nicht ausschließen müssen, sondern zusammen gehören und sich zu gegenseitigem Nutzen entfalten können.

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Schon seit Jahrtausenden verändert der Mensch die Natur, um sich günstigere Bedingungen zur Sicherung der eigenen Existenz zu schaffen. So entstand auch die nördlich von Dresden gelegene Landschaft der Tausend Teiche, wie die größte zusammenhängende Teichlandschaft Europas genannt wird. Durch das gestalterische Eingreifen des Menschen und die durchdachte Vernetzung der natürlichen Ressourcen entstanden im Mittelalter nicht nur tausende Teiche zur Fischzucht, sondern Lebensräume für unzählige neue Arten.

Ithaka Kommentar

Der Lebensstil jedes Einzelnen der globalen Gesellschaft ist in den letzten zehn, zwanzig Jahren trotz Kläranlagen, Mülltrennung und Abgasfiltern nicht im Mindesten ökologischer geworden. Gewachsen allerdings ist das schlechte Gewissen und das Bewusstsein für die menschliche Verantwortung für die Natur, was wiederum Verzweiflung und Lethargie generiert, weil man sich für immer unfähiger erachtet, einen wirklich nennenswerten positiven Beitrag gegen die Umweltzerstörung zu leisten. Das Absurde dieser Entwicklung ist jedoch, dass sich der Mensch selbst immer mehr als geradezu unausweichlichen Feind und Zerstörer der Natur betrachtet.

Diese Selbsteinschätzung führt dazu, dass wir uns selbst immer mehr Grenzen setzen und versuchen, uns vor uns selbst in Schutz zu nehmen. Wir erlassen tausenderlei Verbote, um die Natur vor dem Menschen zu schützen, und erreicht letztlich nur, dass sich der Mensch immer weiter von der Natur entfernt, immer weiter vom Verständnis der Natur entfernt, immer weiter vom Begreifen der menschlichen Einheit mit der Natur entfernt. Auf diese Weise werden überall Naturschutzgebiete errichtet, in denen der Mensch nur noch als Museumsbesucher zugelassen wird. Pflanzen wie der Gelbe Enzian dürfen nicht mehr geerntet werden, obwohl die Pflanze überhaupt nur durch ihre jahrhundertlange nachhaltige Ernte durch Wurzelteilung und Heilpflanzennutzung so weite Verbreitung auf den schweizerischen Almen fand. Für Frösche und Kaulquappen, an denen die Kinder früher die Faszination an den Wundern der Natur erlernten, gilt längst das gleiche wie für all die ökologischen Ausgleichsflächen, die irgendwo an den steilen, ohnehin unnutzbaren Rändern der Monokulturen bei Katasteramt gemeldet werden müssen.

Der Artikel über die Teichwirtschaft in der Oberlausitz berührt uns eben aus dem Grunde, dass die menschliche Gestaltung von Ökosystemen und deren landwirtschaftliche Nutzung keineswegs im Widerspruch zum Naturschutz stehen müssen, sondern ganz im Gegenteil für Lebensräume unzähliger Arten sorgen kann. Genau das ist in der Ökologisierung des Weinbaus auch unser Ansatz. Die Einflechtung von Sekundärkulturen inmitten der Weinberge, die Bienen, Trüffel, Gemüse, Beeren, Hühner, Schafe und Feuchtbiotope, sollen die Weinberge in den nächsten Jahren zu ebenso reichen und vielfältigen Lebensräumen unzähliger Arten erheben, wie es die Teichwirtschaft der Oberlausitz schon seit Jahrhunderten vorführt.

Im Laufe von Jahrhunderten erwuchs so eine Kulturlandschaft, deren biologische Vielfalt zum Teil bedeutend höher ist, als in Naturschutzgebieten, die dem bloßen Wildwuchs überlassen wurden. Das Festhalten an den alten Traditionen bei der Bewirtschaftung der Teiche hat diesen „hot spot" der Biodiversität bis in unsere Zeit erhalten.

Die Oberlausitz weist eine sehr bewegte Besiedlungsgeschichte auf, die nach der letzten Eiszeit begann. Seit dem 6. Jahrhundert wird sie vom westslawischen Volk der Sorben besiedelt, das noch heute als anerkannte Minderheit eine eigenständige Volkskultur und Sorbisch als Muttersprache pflegt.

Bereits seit dem 13. Jahrhundert wurden auf versumpften Geländesenken und Flussniederungen, die landwirtschaftlich nur schwierig zu kultivieren waren, zahlreiche Teiche zur Fischzucht angelegt. Durch die Teichnutzung konnte eine erhebliche Steigerung des Flächenertrages erzielt werden. Insgesamt entstand in der Oberlausitz eine Teichfläche von etwa 4.000 ha, das bis heute größte wirtschaftlich genutzte Teichgebiet Europas.

Der Hauptnutzfisch ist seit dem Mittelalter der Karpfen, daneben werden Schleien, Hechte, Welse und andere Fischarten kultiviert. Der Karpfen ist der ideale Teichfisch. Er ist unempfindlich und verkraftet problemlos das jährliche Trockenlegen und Abfischen der Teiche sowie die notwendigen Transporte. Zudem ist der Karpfen der einzige Fisch, der das gesamte Spektrum der Naturnahrung der Teiche vom Plankton über Wasserinsekten bis zur Gewässervegetation nutzen kann und somit mit dem auskommt, was er natürlicherweise vorfindet.

Durch die Anlage an natürlichen Feuchtstandorten sind die Teiche in ein naturnahes Umfeld eingebettet und bezüglich Struktur, Größe, Nährstoffhaushalt und Stoffkreisläufe jeweils sehr unterschiedlich. Charakteristisch ist die große Vielfalt verschiedener Lebensräume auf kleinstem Raum wie Schwimmblatt- und Unterwasservegetation, Röhrichte, Seggenriede und Bruchwälder und ein außergewöhnlicher Artenreichtum. Neben Fischotter und Seeadler kommen in den Teichen zahllose, ansonsten seltene Frösche, Kröten und Unken, Libellen, Muscheln und Wasserschnecken vor. In den riesigen Röhrichten brüten Rohrdommel und Kranich und ihre Zuflüsse sind wichtige Rückzugsgebiete für bedrohte Wildfische. Etwa ein Drittel der gefährdeten oder vom Aussterben bedrohten Arten Sachsens sind auf Feuchtbiotope angewiesen und finden in den Teichen einen wichtigen Rückzugsraum.

In der Teichlandschaft wird die Abhängigkeit der Artendiversität von der Landnutzung besonders deutlich. Die traditionelle Teichwirtschaft bietet zahlreiche ökologische Nischen, durch die eine Vielzahl neuer Arten aus anderen Gebieten einwanderten. Über Jahrhunderte entwickelten sich so eine höchst artenreiche Lebensgemeinschaften, deren Fortbestand unmittelbar vom Erhalt der Teiche und der Weiterführung ihrer Bewirtschaftung abhängt. Der Schutz dieser Gebiete bedarf daher eines durchdachten agroökologischen Managements, welches sowohl die ökologischen Anforderungen berücksichtigt als auch den Teichwirten dauerhaft ihre Existenz sichert. Die große Bedeutung dieser Region wird nicht zuletzt durch die Ernennung zum UNESCO-Biosphärenreservat deutlich.

Eine große Bedrohung für das Teichgebiet waren die Intensivierungsbestrebungen in den 70er und 80er Jahre, die durch Zufütterung mit Fischmehl sowie die Belüftung mit Sauerstoff das Ertragsniveau teilweise verzehnfachen konnten, teich-fischotterund somit die Teiche zu industriellen Produktionsstätten degradierten. Damals wurden viele Arten wieder zurückgedrängt, doch da es trotzdem genügend Rückzugsmöglichkeiten gab und die intensive Bewirtschaftung bereits in den 90er Jahren wieder zum Erliegen kamen, blieb die Artendiversität bis heute weitgehend erhalten, auch wenn einige Arten seltener geworden sind.

Nach der Wiedervereinigung hat die Bewirtschaftung der Teiche wieder zu den alten Traditionen zurückgefunden, und viele Teichwirte sind ebenso stolz auf ihre Erträge, wie auf die kulturellen und ökologischen Werte, die sie durch ihre extensive Bewirtschaftungsweise ermöglichen. Die Verwaltung des Biosphärenreservates setzt inzwischen auf die Zucht von Bio-Karpfen, die in weitgehend naturbelassenen Teichen mit Verlandungs- und Röhrichtzonen aufwachsen müssen.

Zum Thema siehe auch: Amphibien in Not.

  • Michael Bauch
    09.03.2009 14:14

    Ein sehr interessanter Artikel, der ausgezeichnet die" Wechselwirkungen " zwischen Natur und Mensch aufzeigt.
    Ich esse schon seit einigen Jahren keine Karpfen mehr, weil sie einfach nur noch fett sind, deshalb wäre ich sehr gespannt auf solch einen Bio-Karpfen der ebend nach Karpfen schmecken sollte.

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