20 Ideen zur Rettung der Welt - Auswertung

von Tim Caspar Boehme

Der Ideenwettbewerb zum Klimawandel der britischen Zeitung The Guardian ist abgeschlossen. Per Online-Abstimmung haben die Leser ihre favorisierten Klimaschutzkonzepte gewählt. Erstaunlicherweise haben sich die meisten Leser für verbesserte Kernkraft entschieden, die wenigsten Hoffnungen setzen sie in Kohlenstoffspeicherung durch spezielle Kraftwerke.

Im Ithaka-Artikel „Zehn Ideen zur Rettung der Welt" wurde ein von der britischen Zeitung The Guardian veranstalteter Wettbewerb zum Klimawandel vorgestellt. Eine Jury hatte in Manchester aus zwanzig präsentierten Beiträgen (Zusammenfassung siehe unten) die zehn besten ausgewählt. Im nächsten Schritt sollten die Leser der Zeitung per Online-Abstimmung entscheiden, welche Vision zum Klimawandel ihnen am überzeugendsten erscheint. Die Ergebnisse liegen nun vor und bieten so manche Überraschung.

Auf den ersten drei Plätzen landete das ungleiche Trio aus Flüssigfluorid-Thorium-Reaktoren (22 Prozent), Regeneration von Weideland (18,9 Prozent) und verbesserten geothermischen Kraftwerken (12 Prozent). Dass ausgerechnet die Neuauflage eines Reaktorkonzepts aus den fünfziger Jahren, das nie umgesetzt wurde, im Ideenwettbewerb das Rennen gemacht hat, mag man mit dem nüchternen Pragmatismus der Briten erklären, denen kühne Visionen schon vom Temperament her suspekt sein dürften - wobei die Bemühung dieses Stereotyps voraussetzt, dass sich mehrheitlich Briten an der Abstimmung beteiligt haben.

Platz 1: Flüssigfluorid-Thorium-Reaktoren

Flüssigfluorid-Thorium-Reaktoren haben gegenüber mit Uran betriebenen Kernreaktoren den Vorteil, dass die Thoriumvorkommen auf der Erde reicher sind als bei Uran, angeblich fällt weniger gefährlicher Atommüll an, die Halbwertszeit beträgt lediglich einige hundert statt mehrerer tausend Jahre (was immer noch eine lange Zeit ist), außerdem kann Thorium nicht zu Atomwaffen weiterverarbeitet werden. Untersuchungen in den achtziger Jahren ergaben allerdings, dass die Nutzung von Thorium wirtschaftlich nicht rentabel ist und im Vergleich zu Uran keinesfalls weniger Atommüll produziert. Die Innovationskraft dieses Konzepts ist daher zweifelhaft.

Platz2: Regeneration von Weideland

Eine buchstäblich bodenständige Idee ist die Regeneration von Weideland. Im Kern läuft dieser Ansatz auf ein verändertes Graseverhalten von Vieh hinaus. Kühe sollen lernen, wie die Gnus der Savanne von Wiese zu Wiese über Land zu ziehen. [Ithaka: Das brauchen die Kühe nicht erst zu lernen, die Bauern müssen sie nur lassen...] Dadurch lässt sich Erosion als Folge von Überweidung verhindern, und das Weideland kann sein Potential als Kohlenstoffsenke deutlich erhöhen. Dieser Vorschlag erscheint so vernünftig wie praktikabel, allerdings bremsen die Ergebnisse einer Studie in China die Hoffnung auf Weideland als CO2-Senke: Wie Münchner Forscher herausfanden, entstehen auf ungenutztem Weideland so viele Pflanzenreste, dass der Kompost im Boden neues CO2 freisetzt (siehe hier). [Ithaka-Kommentar: Die Regeneration von Weideland wäre allein schon zur Verhinderung von Erosion und Humusabbau bedeutsam. Wenn zudem die zusätzlich erzeugte Biomasse für die Biokohleherstellung genutzt würde, könnte die Erweiterung des obigen Konzeptes einen wertvollen Beitrag leisten]

Platz3: Geothermische Kraftwerke

Die Hoffnung der Briten in neue geothermische Kraftwerke, im Vergleich zu den beiden Favoriten der Umfrage ein durchaus innovatives Konzept, ist schon deutlich geringer. Bei petrothermalen Systemen (Hot-Dry-Rock-Systeme) wird Wasser unter hohem Druck auf heiße unterirdische Felsen gepumpt. Die Felsen brechen unter dem hohen Wasserdruck auf und erhitzten das Wasser zu Dampf, der als Elektrizität oder als Warmwasser genutzt werden kann. Geothermie hat im Vergleich zu vielen anderen regenerativen Energien den Vorzug, dass sie rund um die Uhr Energie erzeugen kann. Petrothermale Systeme sind im Unterschied zu herkömmlichen Geothermie-Anlagen nicht auf das Vorkommen porösen Felsgesteins im Boden angewiesen, weil sie die nötigen geologischen Bedingungen selbst herstellen.

Am anderen Ende der Abstimmungsskala findet sich die CO2-Abscheidung und -Speicherung durch speziell ausgerüstete fossile Kraftwerke (2,9 Prozent). Das CO2 wird tief in den Boden gepumpt, wo es sich theoretisch für Millionen Jahre speichern lässt. Nachteile dieser Technik sind die hohen Kosten für den Aufbau der erforderlichen Infrastruktur und der hohe Energieverbrauch, der beim Abscheiden von CO2 anfällt. Überdies gewähren Bodenformationen keine hundertprozentige Dichte, theoretisch können Lecks entstehen, durch die das CO2 wieder austritt. Die Skepsis der Briten ist hier durchaus nachvollziehbar.

Doch auch gegenüber Biokohle zeigten sich die Guardian-Leser reserviert (4,2 Prozent). Bei diesem Verfahren wird organisches Material durch Sequestrierung in Kohle umgewandelt. Biokohle macht Böden auf natürliche Weise fruchtbarer, sie bindet zugleich Pestizide und speichert C02 im Boden, wodurch sie für klimapositive Landwirtschaft genutzt werden kann. Möglicherweise hat jedoch die Biokohle-Polemik des Journalisten George Monbiot im Guardian das Ergebnis mit beeinflusst. [Zudem funktioniert das Biokohle-Konzept nur in Einheit mit dem ökologisch ganzheitlichen Konzept des Klimafarmings, was im Guardian nicht dezidiert vorgestellt wurde. hps]

Die verbleibende Hälfte der Vorschläge bildet ein heterogenes Mittelfeld, das sich zwischen effizienten Billigherden für Entwicklungsländer (6,5 Prozent) und dem globalem Zugang zur Familienplanung (10,8 Prozent) bewegt. Gerne hätte man Begründungen für die jeweiligen Entscheidungen zu lesen bekommen, doch war dies nicht bei der Abstimmung vorgesehen. Eine wenig überraschende Botschaft des Gesamtergebnisses scheint zu lauten, dass es nicht nur eine Universallösung gegen den Klimawandel gibt, sondern verschiedene Strategien gleichzeitig und kollektiv gewählt werden müssen. Im Übrigen ist die Liste des Guardian nicht erschöpfend, sondern gibt nur ein Stimmungsbild ab, aus dem man eine Tendenz herauslesen kann, wie in Großbritannien über den Klimawandel gedacht wird. Für die Aufgabe, den Klimawandel als gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen, liefert der Wettbewerb daher wichtige Anhaltspunkte.

Zusammenfassung der 20 vorgestellten Ideen des Wettbewerbs ohne Rangfolge

1. Kalkstein in die Meere

Schüttet man Milliarden Tonnen Kalk in die Ozeane, lässt sich die weitere Versauerung der Meere verhindern und die Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre erhöhen.

2. Ein künstlicher Magen, der Algen frisst

Seetang wird im großen Stil im Meer angebaut und anschließend von gigantischen „Plastikmägen" verdaut, wobei CO2 und Methan entstehen. Das CO2 wird auf dem Grund des Ozeans gelagert, während das Methan als erneuerbarer Brennstoff dient.

3. Wolken mit Meerwasser weißer machen

Auf der Meeresoberfläche patrouillieren unbemannte Schiffe und sprühen Meerwasser in die Atmosphäre. So entstehen größere und weißere Wolken, die mehr Sonnenlicht reflektieren - und damit die Erwärmung der Meere abschwächen.

4. Kühen das Wandern beibringen

Überweidung führt zu Erosion. Lässt man die Kühe wie die Gnus der Savanne über das Land wandern, können die geschonten Wiesen ihr beträchtliches Potential als Kohlenstoffsenken entfalten.

5. Brennstoffzellen für den Haushalt

Mit erheblich geringeren Verlusten als bei der Erzeugung in konventionellen Kraftwerken lässt sich Ernergie und Wärme dezentral z.B. durch Brennstoffzellen im Haushalt gewinnen. Die Geräte, die in etwa den Abmessungen einer Waschmaschine entsprechen, verwenden regenerative Gase wie Methan, das zum Beispiel bei der Biokohlegewinnung entsteht, und sparen jährlich mehrere Tonnen CO2 pro Haushalt.

6. Biokohle

Statt Biomasse zu kompostieren, wandelt man sie durch Sequestrierung in Biokohle um, wodurch weniger CO2 freigesetzt wird. Biokohle erhöht als Düngemittel die Fruchtbarkeit von Böden, bindet Schadstoffe und eignet sich für eine klimapositive Landwirtschaft.

7. CO2 in „Benzin" umwandeln

Aus CO2 lässt sich auf chemischem Wege Methanol herstellen, das zur Elektrizitätsgewinnung verbrannt oder als Brennstoff für Fahrzeuge benutzt werden kann.

8. Solarfarmen in der Sahara

Ein Teil der Fläche der Sahara könnte die gesamte Erde mit Strom versorgen - dank Sonnenspiegeln und Solarkollektoren.

9. Effiziente Kochherde für Entwicklungsländer

Kochen mit Holz, wie es in Entwicklungsländern üblich ist, erzeugt große Mengen CO2. Mit billigen effizienten Herden lassen sich die Emissionen stark reduzieren.

10. Staatliche Energieanleihen

Durch die Ausgabe von Energienanleihen können Staatsregierungen die Bevölkerung dazu bewegen, mit ihren angelegten Ersparnissen die Förderung grüner Technologien zu unterstützen.

11. Verbesserte Geothermie

Neue geothermische Techniken wie petrothermale Systeme (Hot-Dry-Rock-Systeme) verbessern die Wärmegewinnung aus der Erdkruste: Wasser wird mit Hochdruck auf heiße Felsen in der Tiefe gepumpt, so dass diese zerbrechen und aufsteigende Wasserdämpfe erzeugen, die sich als regenerative Energiequelle nutzen lassen.

12. Wachstum als ökonomisches Grundziel verabschieden

Ökonomisches Wachstum ist kein unendlicher Prozess und begünstigt unter den gegenwärtigen Bedingungen die Verschwendung von Ressourcen. Statt des Bruttoinlandprodukts sind neue Indikatoren für ökologische Effizienz erforderlich.

13. Kohlenstoffreduktion zur gesellschaftlichen Norm machen

Um die Reduktion von CO2-Emissionen zu fördern, werden neue gesellschaftliche Institutionen geschaffen, die einen Bewusstseinswandel einleiten sollen. Zu diesem Prozess könnten sowohl die Wissenschaften, insbesondere die Psychologie, als auch die Künste beitragen.

14. Meeresturbinen unter der Wasseroberfläche

Meeresturbinen wandeln die Energie der Meeres- und Gezeitenströmungen in elektrische Energie. Die Meeresströmungen sind konstanter und besser vorhersagbar als Wind und Sonne.

15. CO2-Abscheidung und -speicherung

Spezielle Kraftwerke, die mit einem Mix aus Kohle und Holz betrieben werden, scheiden das entstehende CO2 ab, um es anschließend in geologischen Formationen als Kohlenstoffsenken dauerhaft zu lagern.

16. Neue Ansätze für das Auto

Statt konventionelle Autos aus Metall mit Elektromotoren auszustatten, ließen sich wesentlich leichtere und damit energieeffizientere Autos aus Kohlenfaser herstellen, die mit Brennstoffzellen betrieben werden.

17. Energie-Hypotheken

Finanziell gut ausgestattete Institutionen bezahlen Haushalten die energieeffiziente Sanierung ihres Eigenheims. Hält der Haushalt seine Energiekosten niedrig genug, muss er nichts zurückzahlen.

18. Globaler Zugang zur Familienplanung

Stellt man ausreichend Mittel für Familienplanung auf der gesamten Welt bereit, lässt sich das schnelle Bevölkerungswachstum abschwächen und ein weiterer Anstieg von CO2-Emissionen verhindern.

19. Nuklearreaktoren aus Thorium

Thorium kommt häufiger auf der Erde vor als Uran. Es produziert angeblich weniger Atommüll, seine Halbwertszeit ist deutlich kürzer und es eignet sich nicht zum Herstellen von Atomwaffen. Flüssigfluorid-Thorium-Reaktoren benötigen zudem weniger Energie als Uranreaktoren.

20. Photovoltaik als Wachstumsmarkt

Dank verbesserter Technologien werden Sonnenkollektoren immer günstiger und konkurrenzfähiger gegenüber herkömmlicher Elektrizitätserzeugung.

  • Steffen Walter
    16.08.2009 08:49

    Die auf Platz 1 und 3 gewählten Ideen erscheinen mir mehr als zweifelhaft. Wie im Kommentar angemerkt, hinterlässt auch eine modifizierte Kernenergiegewinnung beträchtliche Mengen radioaktiven Abfalls, und die Endlagerfrage ist nach wie vor ungeklärt. Die Alternative der (petrothermalen) Geothermie wiederum birgt Risiken seismischer Störungen in sich, die durch den Eingriff des Menschen in die "gewachsene" Erdkruste entstehen können. Mich wundert auch, dass die Photovoltaik wohl nur unter "ferner liefen" auftaucht (was aus Sicht Großbritanniens aber nicht ganz unplausibel ist, obwohl der PV-Wirkungsgrad durch den technischen Fortschritt stetig steigt) und dass eine dezentrale Energieversorgung von Privathaushalten bzw. Wohngebieten mit (Mini-)Blockheizkraftwerken offenbar überhaupt nicht erwähnt wird, obwohl hier ungeahnte Energieeffizienz-Potentiale brachliegen.

  • XAR61
    16.08.2009 17:16

    Ich habe mal gelernt das Bäume und Pflanzen das CO2 umwandeln - somit brauchen wir uns eigentlich nicht in ein neues Abenteuer zu stuerzen, dessen Ausgang wir derzeit noch nicht kennen, weil wir von Seiten der Wissenschaft noch nicht so weit sind - sondern wir sollten der Natur einfach mehr Spielraum gönnen - weniger Beton und Monokultur. Die Klimaerwärmung kommt. Meiner Meinung nach wiederholt sich die Zeit wie eine Uhr nur mit einem Jahrhunderttakt und somit bekommen wir die Erwärmung aus dem 20. Jahrhundert ab und nicht wie zum Teil über unsere Medien oft verbreitet aus dem derzeitigen Jahrhundert - die Quittung für die Rodung der Regenwälder allerdings auch noch dazu - das badet dann die naehste Generation aus, und wir sind fein raus.

  • joggeli bohnenblust
    17.08.2009 08:29

    Leider ist nur wenigen Menschen aufgefallen, dass das Phänomen "Globale Erwärmung" zeitgleich mit der subtilen Sensiblisierung "pro AKW" in den Medien aufgetreten ist. Zu diesem genialen Marketing-Coup kann man den Verantwortlichen nur gratulieren.
    Dass nun ein grosser Teil der Menschen die Atomkraft plötzlich als Lösungsmöglichkeit ins Auge fasst und der Widerstand zu bröckeln beginnt, ist nicht das Resultat eines Umdenkens, sondern das eigentliche Ziel dieser Aktion.
    Noch einmal: weder die Sonnenstrahlung noch CO2 sind das Problem, sondern sie sind der eigentliche Motor des irdischen Lebens und Gedeihens. Problem ist die allgegenwärtige Strahlung, von der Infrarot-Tastatur über DECT-Telefone und Handies, Radaranlagen, Sateliten über die friedliche und kriegerische Nutzung von atomarer Technologie bis hin zum CERN. Die Strahlung hat unsere Welt in einen Mikrowellenofen verwandelt. Mikrowellen führen zu einer erhöhten Schwingung (insbesondere von Wasserstoffmolekülen) von Atomen, den Bausteinen der irdischen Materie.
    Wer verstanden hat, warum im Mikrowellenofen die Lebensmittel heiss werden, das Geschirr aber nicht, der hat auch verstanden, warum ein Schneehaufen trotz tagelanger dichter Bewölkung (also keine direkte Sonnenstrahlung) und Temperaturen unter 0 Grad Celsius (also keine Wärme) schmelzen kann.

  • Mikrowelle Edelstahl
    23.03.2010 13:32

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