Manifest der Winzer Europas

von Hans-Peter Schmidt

Angesichts des drohenden ökologischen Kollapses der europäischen Weinberge versammelten sich über 500 Winzer aus ganz Europa, um vor einem unwiderruflichen Bruch der 7000jährigen Kulturgeschichte des Weines zu warnen. Am 7. Dezember 2009 verabschiedeten sie im Florentiner Palazzo Vecchio in einem bewegenden historischen Moment das Manifest der Winzer Europas.

Auf Einladung der internationalen SlowFood Organisation waren Winzer aus sämtlichen Weinbauregionen Europas für 2 Tage im Herzen der Toskana zusammengekommen. In simultan übersetzten Seminaren und Diskussionen wurden Wege erörtert, wie sich die kulturelle und ökologische Identität des Winzers und die Lebensgeschichte seiner Weine gegen die Übermacht der Agrochemie, der Bürokratie und des Massenkonsums verteidigen lässt.

Die Geschichte des Weinbaus ist eine Geschichte der Vielfalt, die aus der Liebe zur Natur, zum eigenen Land, zur Kultur, zur Schaffenskraft und zur Schönheit erwächst. In 20 verschiedenen Muttersprachen fanden die Winzer zueinander, weil sie alle die gleiche Sprache der Ehrfurcht vor der Natur und der Tradition ihrer Vorväter sprechen.

Wir haben von Bäumen inmitten der Monokultur, von den Billionen Helfern jeder gesunden Rebwurzel, vom genetischen Gedächtnis der Rebsorten, den Schmetterlingsarten, die wieder ihre Heimat zwischen den Weinstöcken finden, vom handwerklichen Lebensstolz jedes Winzers gesprochen. Bis spät in die Nächte, in denen wir uns untereinander die besten authentischen Weine aus allen Regionen des Alten Kontinents vom Douro bis zum Kaukasus zu verkosteten gaben.

Der Höhepunkt war ohne Zweifel, als wir über alle Sprachgrenzen hinweg in der Nacht vom Sonntag zum Montag das Manifest verfassten, engagiert  an jedem Satz und Wort diskutierten, feilten, um schließlich in einem gemeinsamen Akt das italienische Original in alle Landessprachen zu übersetzten.

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Dass wir das Manifest am nächsten Morgen übernächtigt und mit gut zwei Stunden Verspätung vor über 1000 geladenen Gästen im Palazzo Vecchio unter den Blicken der Helden Michelangelos und Leonardo da Vincis verlesen durften, war nicht nur eine Ehre, sondern vor allem ein Zeichen, dass wir nicht aufgeben, das Leben gegen unsere eigenen Dummheit zu verteidigen.

Manifesto dei “Vignerons d’Europe 2009”

Die Arbeiten im Weinberg, im Keller und im Verkauf liegen in der Hand des Winzers.

Der Winzer produziert lebendige, genussvolle Weine. Sie sind die Frucht seines Terroirs, seinere Leidenschaft und des authentischen Ausdrucks einer Tradition.

Der Winzer sieht den Verbraucher als seinen Koproduzenten.

Der Winzer bewahrt und gestaltet die Landschaft, indem er die Biodiversität bereichert und die Kulturgeschichte seines Weinbergs respektiert und fortschreibt.

Der Winzer übernimmt die Verantwortung für die Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit sowie für die Harmonie des Ökosystems Weinberg.

Der Winzer setzt sich zum Schutz der Lebewesen für den Verzicht auf Kunstdünger, synthetische Pflanzenschutzmittel und gentechnisch veränderte Organismen ein.

Der Winzer geht bewusst mit seinen Grenzen um und sucht in all seinem Tun das Optimum, nicht das Maximum.

Der Winzer übernimmt die Verantwortung für sein Tun. Er handelt aus Respekt vor der Umwelt und vor der Gesundheit des Konsumenten sowie der Bewohner seiner Region und der Erde überhaupt.

Der Winzer bemüht sich um den Aufbau von lokalen und weltweiten Netzwerken mit anderen Winzern, Landwirten, Lebensmittelproduzenten, Köchen, Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie Lehrern und der Bevölkerung.

Der Winzer arbeitet transparent: er sagt, was er tut und er tut, was er sagt.

Die in Florenz versammelten Vignerons d’Europe fordern die nationalen und europäischen Behörden auf, nicht durch bürokratische Hürden und eher für die Industrie geeignete Regelungen die Arbeit und die Besonderheit der europäischen Winzer zu behindern.

  • Fredy Weber
    09.12.2009 18:55

    Ich bin 66 Jahre alt, war "nur" Lehrer und habe nur etwa 80 Rebstöcke. Die pflege ich aber seit etwa 15 Jahren mit ständig wachsender ökologischer Sorgfalt.
    Deswegen freue ich mich über dieses Manifest und hoffe inständig, daß den professionellen, ökologisch orientierten und so engagierten Winzern die Chancen für ihre bewährte Arbeit erhalten bleiben.

    Fredy Weber

  • Gitta Rupp
    05.02.2010 22:17

    Ein schöner Bericht von HPS.
    Jetzt heißt es das Manifest unter die Leute zu bringen.
    Ich werde mein Scherflein dazu beitragen.

    Beste Grüße aus den winterlichen Windischen Büheln

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