Der Fluch der Ordnung: Kulturwüsten

von Claudio Niggli

Die Weinbaugebiete präsentieren sich grossflächig als gleichförmige Kulturwüsten, in denen ausser Reben nichts wächst. Auch das Mittelland und die einst so vielfältigen Voralpen verkommen immer mehr zu üppig grünen, aber steril anmutenden und extrem artenarmen ökologischen Einöden. Wo sind Gotthelfs bunte Blumenwiesen, in denen es einst gezirpt, gesummt, geschnarrt und jubiliert hat? [caption id="attachment_2372" align="alignleft" width="272" caption="Intensive Rebmonokultur"][/caption] Die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft sowie die gestylte Gartenpflege hat zu einer starken Abnahme der Biodiversität im Kulturland und in Siedlungsgebieten geführt. Im Zuge der Produktionssteigerung hat der massive Einsatz von Herbiziden, Pestiziden und Düngern die natürliche Vielfalt immer mehr aus den Kulturflächen verdrängt. Auf überdüngten Wiesen und Weiden gedeihen nur noch einige wenige Arten, welche bei Nährstoffüberschüssen konkurrenzfähig sind. Die Rationalisierung der Bewirtschaftung hat zu einseitigen Denkmustern geführt: alles, was nicht Kulturpflanze ist, bringt keinen Ertrag und darum auch keinen Nutzen. In Kombination mit dem ausgeprägten Ordnungssinn der westlichen Kulturen hat diese Einstellung das Problem des Artenschwunds in Feld und Wald und auch in den Siedlungsgebieten massiv verschärft. Flurbereinigung Mit dem Ziel der Rationalisierung der Bewirtschaftung und Verwaltung von landwirtschaftlichen Flächen sind in der Vergangenheit viele kleine Felder zu grösseren zusammengefasst worden. Dabei gingen viele ungenutzte Grenzflächen wie Brachstreifen, Säume und mit Wildpflanzen bestückte Feldränder verloren. Diese Landschaftselemente bringen zwar keine Ernte, sind aber ökologisch besonders wertvoll und zeichnen sich durch eine deutlich höhere Biodiversität aus, als die eigentlichen Kulturen. Sie dienen als Lebensraum und Rückzugsgebiet für verschiedene Tiere. Wenn zum Beispiel eine Wiese gemäht wird, können sich Insekten in den Schutz von Wiesensäumen zurückziehen, um später wieder in die Fläche zurückzukehren. Der Grund der Flurbereinigung liegt freilich nicht nur in der tatsächlichen Rationalisierung, sondern nicht zuletzt in einem zwanghaften Sauberkeits- und Ordnungsverständnis. Kulturfremde Strukturen wie Gebüsche, Steinhaufen, Hecken und Totholz werden vielerorts konsequent entfernt. Dabei böten diese besonders wertvolle Lebensräume für verschiedene gefährdete Tiere und wären auch eine optische Bereicherung. Durch den verbreiteten Einsatz von Herbiziden verschwinden auch aus den Reblandschaften die typische Begleitpflanzen der Weinstöcke. Zeig mir deinen Garten und ich sage dir, wer du bist [caption id="attachment_2375" align="alignleft" width="333" caption="Pflegeleichter, ökologisch wertloser Garten"][/caption] Das übertriebene Bedürfnis nach Sauberkeit und klar definierten Formen hat auch im Garten- und Parksektor zu einer Verarmung geführt. Die Grünflächen von Siedlungen sollen nach Wunsch der Planer möglichst pflegeleicht angelegt werden, was meist zu monotonen Einöden mit Zierrasen und exotischen Sträuchern und Stauden führt, welche für die einheimische Fauna nutzlos sind. Was nicht absichtlich gepflanzt wurde, hat im Garten nichts verloren, auch wenn es z.B. eine sehr dekorative und unproblematische Königskerze ist. Im Unterhalt wird alles was auch nur entfernt nach Vernachlässigung aussehen könnte, stur weggestutzt, pingelig gesäubert, radikal weggespritzt. Viele sonst so politisch korrekte, mülltrennende Schweizer scheren sich als Gärtner oft keinen Deut um das Verbot für den Einsatz von Herbiziden auf Kiesoberflächen und Pflasterritzen. In den Weinbergen im Wallis setzen sogar Gemeindearbeiter systematisch Herbizide zur Wegreinigung ein, obwohl es gesetzlich verboten ist. Privatgärten werden allzu oft überpflegt, jede Nische herausgeputzt, englische Rasen mit synthetischen Düngern zwecksernährt. Den meisten Menschen ist es wichtiger, dass ihr Garten möglichst sauber erscheint, als dass er vielen Pflanzen und Tieren eine Lebensgrundlage bieten kann. Vielfältige Naturgärten mit einheimischen Wildstauden sind für neugierige Menschen mit Beobachtungsgabe und Geduld eine Offenbarung. Das Leben drängt sich hier nicht mit saftigen Grüntönen und knalligen Farben von überzüchteten Mutanten auf, die Schönheit liegt hier in der Vielfalt und im Detail. Viele Wildpflanzen haben verhältnismässig kleine Blüten, welche ihre Ästhetik manchmal erst aus nächster Nähe offenbaren. Ein Garten mit grosser Vielfalt einheimischer Blütenpflanzen zieht viele Insekten und andere Tiere an, welchen man bei ihrem Treiben zuschauen kann. Schädlinge haben in einem vielfältigen, pestizidfreien Garten dank der Nützlinge kaum eine Chance auf Massenvermehrung. Besonders für Kinder ist es spannend, den natürlichen Zusammenhängen im eigenen Garten auf die Spur zu kommen. Der pädagogische Wert eines reich strukturierten und vielfältigen Gartens wird leider oft nicht wahrgenommen. Das Gesicht wahren – Schein und Sein Eine Krankheit, die vielerorts grassiert, ist die Angst, negativ aufzufallen. Man ist darauf erpicht, den Nachbarn zu gefallen, auf dass man nicht als Querulant, Chaot oder Müssiggänger in Verruf komme. Bauern haben Angst, als Faulpelze abgestempelt zu werden, wenn sie neben ihren Äckern ökologische Ausgleichsflächen anlegen. Den Schein eines ordentlichen, gewissenhaften Bürgers zu wahren, ist den meisten Menschen, egal aus welcher Schicht sie stammen, von überlebenswichtiger Bedeutung. Der Herdentrieb macht die Stärke aber auch Schwäche der menschlichen Gesellschaft aus. In der Masse fühlt sich der Mensch sicherer, selbst wenn er mit der Masse in den Abgrund rennt. Genau darin liegt das entscheidende Problem der überspitzten Globalisierung. [caption id="" align="alignleft" width="236" caption="Naturgarten"][/caption] Es ist daher auch weniger der totale Ordnungswahn als vielmehr die Unfähigkeit, sich mitunter gegen die vorherrschenden Meinungen der Nachbarn und umhegenden Gemeinschaft zu stellen. Die gesellschaftliche Gemeinschaft ist für den einzelnen Menschen zur wichtigsten Bezugsgröße geworden. Die natürliche Umwelt hingegen wirkt nicht mehr unmittelbar regulierend auf die Entscheidungen der einzelnen Menschen. Seit die Natur aus dem Erfahrungshorizont des Menschen gerückt ist, besitzt der Mensch keinen direkten Spiegel mehr für seine Fehler der Lebensart. Dies ist ein weiterer Grund, warum jede Wildpflanze, sei es nun tatsächlich Problemunkraut oder eine wertvolle Bereicherung, kleinlich aus den Gärten und öffentlichen Anlagen verschwinden muss. In einer zielorientierten Leistungsgesellschaft gibt es keinen Platz für spontane Dynamik und wenig geordnete Vielfalt. Auch unser neuer Ansatz im Weinbau und die vielfältig begrünten Rebberge auf Mythopia treffen die konventionell arbeitenden Nachbarn mitten ins Herz ihres Ordnungstriebes und geben offenbar reichlich Anlass für Gerede. Im Herbst letzten Jahres hat ein Winzer-Kollege an einem strahlenden Tag den Forschungsleiter des Delinat-Institutes, Herrn Schmidt, zur Seite genommen und gefragt: „Sag mal, Hans-Peter, kannst du überhaupt noch ruhig schlafen, bei allem was hier über euch geredet wird?“. „Naturberufe“? Vielen Landwirten und auch zahlreichen Gärtnern fehlt mehr und mehr der tiefere Bezug zur Natur. Dies mag paradox scheinen, gelten doch beide Berufe als besonders naturverbunden. Der Zwang, hohe Erträge mit geringst möglichem Aufwand zu erzielen, hat zur Industrialisierung der Landwirtschaft geführt. Industrialisierung aber bedeutet Standardisierung, und dies wiederum bedeutet, dass unterschiedlichste Situationen in gleiche Schemen gepresst werden. Auf diese Weise lässt sich Landwirtschaft am Computer des Fachhändlers für Agrochemie planen. Die einst so stolzen, wildromantisch angehauchten Landbauberufe verkommen. Anstatt mit Intelligenz und Sensibilität die natürlichen Prozesse zu steuern, werden sie blind und gewalttätig außer Kraft gesetzt. Man rast auf dem schnellsten Weg zum einfachsten Ziel und vergisst die grundlegenden ökologischen Zusammenhänge des Lebensraums. Weder die meisten Landwirte noch die meisten Kleingärtner kennen sich mit Wildpflanzen aus, es mangelt an einem grundlegenden Verständnis für Biologie und ökologischem Bewusstsein. Sie erkennen zwar die wichtigsten Schädlinge und wissen, mit welcher Chemikalie diese zu bekämpfen sind, doch da sie die Wildpflanzen nicht mehr kennen, können sie auch nicht mehr differenzieren zwischen harmlosen Begleitarten und problematischen Unkräutern. So wird konsequent alles beim Jäten ausgemerzt oder mit Herbiziden vernichtet. Der fragwürdige Pragmatismus und die Ignoranz, mit denen der Natur zunehmend begegnet wird, führt zur Verarmung der Umwelt, aber auch des Menschen selbst. Die Folgen des masslosen Umgangs mit der Erde werden auch in unserer verwöhnten Konsumgesellschaft mehr und mehr spürbar. Glücklicherweise entwickeln sich auch immer stärkere Gegenbewegungen, welche durch Bildung und Aufklärung das nötige Bewusstsein vermehren.

Die Weinbaugebiete präsentieren sich grossflächig als gleichförmige Kulturwüsten, in denen ausser Reben nichts wächst. Auch das Mittelland und die einst so vielfältigen Voralpen verkommen immer mehr zu üppig grünen, aber steril anmutenden und extrem artenarmen ökologischen Einöden. Wo sind Gotthelfs bunte Blumenwiesen, in denen es einst gezirpt, gesummt, geschnarrt und jubiliert hat?

Einöde
Intensive Rebmonokultur

Die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft sowie die gestylte Gartenpflege hat zu einer starken Abnahme der Biodiversität im Kulturland und in Siedlungsgebieten geführt. Im Zuge der Produktionssteigerung hat der massive Einsatz von Herbiziden, Pestiziden und Düngern die natürliche Vielfalt immer mehr aus den Kulturflächen verdrängt. Auf überdüngten Wiesen und Weiden gedeihen nur noch einige wenige Arten, welche bei Nährstoffüberschüssen konkurrenzfähig sind. Die Rationalisierung der Bewirtschaftung hat zu einseitigen Denkmustern geführt: alles, was nicht Kulturpflanze ist, bringt keinen Ertrag und darum auch keinen Nutzen. In Kombination mit dem ausgeprägten Ordnungssinn der westlichen Kulturen hat diese Einstellung das Problem des Artenschwunds in Feld und Wald und auch in den Siedlungsgebieten massiv verschärft.

Flurbereinigung

Mit dem Ziel der Rationalisierung der Bewirtschaftung und Verwaltung von landwirtschaftlichen Flächen sind in der Vergangenheit viele kleine Felder zu grösseren zusammengefasst worden. Dabei gingen viele ungenutzte Grenzflächen wie Brachstreifen, Säume und mit Wildpflanzen bestückte Feldränder verloren. Diese Landschaftselemente bringen zwar keine Ernte, sind aber ökologisch besonders wertvoll und zeichnen sich durch eine deutlich höhere Biodiversität aus, als die eigentlichen Kulturen. Sie dienen als Lebensraum und Rückzugsgebiet für verschiedene Tiere. Wenn zum Beispiel eine Wiese gemäht wird, können sich Insekten in den Schutz von Wiesensäumen zurückziehen, um später wieder in die Fläche zurückzukehren.

Der Grund der Flurbereinigung liegt freilich nicht nur in der tatsächlichen Rationalisierung, sondern nicht zuletzt in einem zwanghaften Sauberkeits- und Ordnungsverständnis. Kulturfremde Strukturen wie Gebüsche, Steinhaufen, Hecken und Totholz werden vielerorts konsequent entfernt. Dabei böten diese besonders wertvolle Lebensräume für verschiedene gefährdete Tiere und wären auch eine optische Bereicherung.

Durch den verbreiteten Einsatz von Herbiziden verschwinden auch aus den Reblandschaften die typische Begleitpflanzen der Weinstöcke.

Zeig mir deinen Garten und ich sage dir, wer du bist

Bünzligarten
Pflegeleichter, ökologisch wertloser Garten

Das übertriebene Bedürfnis nach Sauberkeit und klar definierten Formen hat auch im Garten- und Parksektor zu einer Verarmung geführt. Die Grünflächen von Siedlungen sollen nach Wunsch der Planer möglichst pflegeleicht angelegt werden, was meist zu monotonen Einöden mit Zierrasen und exotischen Sträuchern und Stauden führt, welche für die einheimische Fauna nutzlos sind. Was nicht absichtlich gepflanzt wurde, hat im Garten nichts verloren, auch wenn es z.B. eine sehr dekorative und unproblematische Königskerze ist. Im Unterhalt wird alles was auch nur entfernt nach Vernachlässigung aussehen könnte, stur weggestutzt, pingelig gesäubert, radikal weggespritzt. Viele sonst so politisch korrekte, mülltrennende Schweizer scheren sich als Gärtner oft keinen Deut um das Verbot für den Einsatz von Herbiziden auf Kiesoberflächen und Pflasterritzen. In den Weinbergen im Wallis setzen sogar Gemeindearbeiter systematisch Herbizide zur Wegreinigung ein, obwohl es gesetzlich verboten ist. Privatgärten werden allzu oft überpflegt, jede Nische herausgeputzt, englische Rasen mit synthetischen Düngern zwecksernährt. Den meisten Menschen ist es wichtiger, dass ihr Garten möglichst sauber erscheint, als dass er vielen Pflanzen und Tieren eine Lebensgrundlage bieten kann.

Vielfältige Naturgärten mit einheimischen Wildstauden sind für neugierige Menschen mit Beobachtungsgabe und Geduld eine Offenbarung. Das Leben drängt sich hier nicht mit saftigen Grüntönen und knalligen Farben von überzüchteten Mutanten auf, die Schönheit liegt hier in der Vielfalt und im Detail. Viele Wildpflanzen haben verhältnismässig kleine Blüten, welche ihre Ästhetik manchmal erst aus nächster Nähe offenbaren. Ein Garten mit grosser Vielfalt einheimischer Blütenpflanzen zieht viele Insekten und andere Tiere an, welchen man bei ihrem Treiben zuschauen kann. Schädlinge haben in einem vielfältigen, pestizidfreien Garten dank der Nützlinge kaum eine Chance auf Massenvermehrung. Besonders für Kinder ist es spannend, den natürlichen Zusammenhängen im eigenen Garten auf die Spur zu kommen. Der pädagogische Wert eines reich strukturierten und vielfältigen Gartens wird leider oft nicht wahrgenommen.

Das Gesicht wahren – Schein und Sein

Eine Krankheit, die vielerorts grassiert, ist die Angst, negativ aufzufallen. Man ist darauf erpicht, den Nachbarn zu gefallen, auf dass man nicht als Querulant, Chaot oder Müssiggänger in Verruf komme. Bauern haben Angst, als Faulpelze abgestempelt zu werden, wenn sie neben ihren Äckern ökologische Ausgleichsflächen anlegen. Den Schein eines ordentlichen, gewissenhaften Bürgers zu wahren, ist den meisten Menschen, egal aus welcher Schicht sie stammen, von überlebenswichtiger Bedeutung. Der Herdentrieb macht die Stärke aber auch Schwäche der menschlichen Gesellschaft aus. In der Masse fühlt sich der Mensch sicherer, selbst wenn er mit der Masse in den Abgrund rennt. Genau darin liegt das entscheidende Problem der überspitzten Globalisierung.

Vielfältiger Naturgarten
Naturgarten

Es ist daher auch weniger der totale Ordnungswahn als vielmehr die Unfähigkeit, sich mitunter gegen die vorherrschenden Meinungen der Nachbarn und umhegenden Gemeinschaft zu stellen. Die gesellschaftliche Gemeinschaft ist für den einzelnen Menschen zur wichtigsten Bezugsgröße geworden. Die natürliche Umwelt hingegen wirkt nicht mehr unmittelbar regulierend auf die Entscheidungen der einzelnen Menschen. Seit die Natur aus dem Erfahrungshorizont des Menschen gerückt ist, besitzt der Mensch keinen direkten Spiegel mehr für seine Fehler der Lebensart.

Dies ist ein weiterer Grund, warum jede Wildpflanze, sei es nun tatsächlich Problemunkraut oder eine wertvolle Bereicherung, kleinlich aus den Gärten und öffentlichen Anlagen verschwinden muss. In einer zielorientierten Leistungsgesellschaft gibt es keinen Platz für spontane Dynamik und wenig geordnete Vielfalt.

Auch unser neuer Ansatz im Weinbau und die vielfältig begrünten Rebberge auf Mythopia treffen die konventionell arbeitenden Nachbarn mitten ins Herz ihres Ordnungstriebes und geben offenbar reichlich Anlass für Gerede. Im Herbst letzten Jahres hat ein Winzer-Kollege an einem strahlenden Tag den Forschungsleiter des Delinat-Institutes, Herrn Schmidt, zur Seite genommen und gefragt: „Sag mal, Hans-Peter, kannst du überhaupt noch ruhig schlafen, bei allem was hier über euch geredet wird?“.

„Naturberufe“?

Vielen Landwirten und auch zahlreichen Gärtnern fehlt mehr und mehr der tiefere Bezug zur Natur. Dies mag paradox scheinen, gelten doch beide Berufe als besonders naturverbunden. Der Zwang, hohe Erträge mit geringst möglichem Aufwand zu erzielen, hat zur Industrialisierung der Landwirtschaft geführt. Industrialisierung aber bedeutet Standardisierung, und dies wiederum bedeutet, dass unterschiedlichste Situationen in gleiche Schemen gepresst werden. Auf diese Weise lässt sich Landwirtschaft am Computer des Fachhändlers für Agrochemie planen. Die einst so stolzen, wildromantisch angehauchten Landbauberufe verkommen. Anstatt mit Intelligenz und Sensibilität die natürlichen Prozesse zu steuern, werden sie blind und gewalttätig außer Kraft gesetzt. Man rast auf dem schnellsten Weg zum einfachsten Ziel und vergisst die grundlegenden ökologischen Zusammenhänge des Lebensraums.

Weder die meisten Landwirte noch die meisten Kleingärtner kennen sich mit Wildpflanzen aus, es mangelt an einem grundlegenden Verständnis für Biologie und ökologischem Bewusstsein. Sie erkennen zwar die wichtigsten Schädlinge und wissen, mit welcher Chemikalie diese zu bekämpfen sind, doch da sie die Wildpflanzen nicht mehr kennen, können sie auch nicht mehr differenzieren zwischen harmlosen Begleitarten und problematischen Unkräutern. So wird konsequent alles beim Jäten ausgemerzt oder mit Herbiziden vernichtet.

Der fragwürdige Pragmatismus und die Ignoranz, mit denen der Natur zunehmend begegnet wird, führt zur Verarmung der Umwelt, aber auch des Menschen selbst. Die Folgen des masslosen Umgangs mit der Erde werden auch in unserer verwöhnten Konsumgesellschaft mehr und mehr spürbar. Glücklicherweise entwickeln sich auch immer stärkere Gegenbewegungen, welche durch Bildung und Aufklärung das nötige Bewusstsein vermehren.

  • Paul
    28.03.2010 08:51

    Alle wollen gepflasterte Wege, und dann wundern sie sich, wo all die schönen Blumen geblieben sind.
    Ja, ja, so ist das heute. Wer nicht einen "unkrautfreien" Rasen vorweisen kann, versteht das Gartengeschäft nicht. Schon seit 20 Jahren lass ich den Rasen wachsen, wie er kommt. Kein Unkraut entfernen, kein Dünger, rein gar nichts nur mähen. Und, was ist passiert? Ich habe heute wunderschöne Feldblumen, Hummelnester, Sandwespen und Unmengen von anderen Insekten. Es ist so schön zuzuschauen, wie die überall herumfliegen. Und, ich habe auch viele Vögel im Garten welche nach diesen Insekten jagen.

    Auf einem echten englischen Rasen würde ich sowas nicht suchen.

    Es lebe der Fortschritt........PJ

  • Althaus Hans Peter
    02.04.2010 04:41

    Wer andere Gärten hegt und Beziehung zu wilden Pflanzen und Tieren hat, trägt meiner Meinung nach auch die Verantwortung, dies in verschiedensten Formen nach aussen zu tragen. Das Motto: Tue Gutes und rede darüber!
    Die vermeintliche Zeitersparnis mit pflegeleichten Gärten
    geht meist drauf, um in eine "intakte" Naturlandschaft zu fahren oder im Fitnesszenter die Muskeln zu trainieren.
    Solche Überlegungen dürfen aber nicht der Antrieb für Gespräche sein, sondern wir Naturgärtner sollten unsere Freude an der Vielfalt als Botschaft übermitteln.

  • Samuel Hochauf
    14.04.2010 07:02

    Ich frage mich häufig, ob nicht "sterile Garten"besitzer mittlerweile soweit entfernt von jeglicher Realität sind, dass man sie mit einem komplett naturnahen Ansatz gleich verschrecken würde. Persönlich finde ich es einfach überirdisch, im Garten zu sitzen, den Vögeln und Bienen zu lauschen, und das mögen die meisten von diesen Leuten auch, aber leider kann man viele nicht davon überzeugen, ihre Wege im Garten nicht zuzubetonieren oder jegliches Gänseblümchen aus dem Rasen zu zupfen. In der Hinsicht braucht es häufig eine sehr langsame und gefühlvolle Herangehensweise. Ich persönlich empfinde es immer schon als Erfolg, wenn Menschen sich dazu bewegen lassen, wenigstens keine Gifte mehr in ihrem Garten einzusetzen, aber selbst das ist ja bei den meisten bei der nächsten Ameise auf dem Kaffeetisch vergessen.
    Ich sag gern - wenigstens ein wenig Naturnähe und die Leute werden schon merken, was sie davon haben :-)

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