Phytotherapie für Pflanzen

von Hans-Peter Schmidt

Jede landwirtschaftliche Produktion bedeutet eine Zuchtwahl bestimmter Pflanzenarten, deren massives Auftreten auf einer mehr oder weniger großen Fläche das natürliche Gleichgewicht des entsprechenden Ökosystems angreift. Das natürliche System reagiert mit Maßnahmen zur Beseitigung dieses Ungleichgewichts, und ...

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t die Invasion biologischer Einfalt. Die Folge sind epidemische Krankheiten der großflächig angebauten Nutzpflanzen, seien es Kartoffel- oder Weizenfelder, Apfelplantagen oder Weinberge. Verursacht werden diese Krankheiten zumeist durch eigentlich harmlose Schädlinge, die sich jedoch maßlos vermehren, da in der einseitig ausgerichteten Feldpflanzung die jeweiligen natürlichen Feinde keinen Lebensraum mehr finden. Um diesem Krankheitsdruck entgegenzuwirken, versucht der Mensch seit dem Beginn der Landwirtschaft vor über 5000 Jahren die angebauten Pflanzen zu schützen, indem er entweder möglichst häufig die Kulturen wechselt, um so der relativ träge reagierenden Natur beständig zuvor zu kommen, oder mittelfristig resistente Sorten züchtet oder indem er mit pflanzlichen Heilmitteln den Krankheitsdruck mindert und die pflanzeneigenen Abwehrkräfte stimuliert.dpp_0015

Als die moderne Chemie noch nicht der Natur die pflanzlichen Wirkstoffe abschaute, um sie kostengünstig und standardisiert zu Insektiziden, Fungiziden, Herbiziden zu synthetisieren, war der Mensch darauf angewiesen, seine landwirtschaftliche Tätigkeit so genau zu durchdenken und zu beobachten, dass er durch rechtzeitige Anpassung seiner kultureller Maßnahmen den Verlust seiner Nahrungsgrundlage verhinderte. Der Bauer stand unter dem beständigen Zwang, seine Methoden immer wieder zu überdenken, mit ungewohnten Maßnahmen zu experimentieren und seine Umwelt zu erforschen, um aus der Natur selbst die Pflanzen, Extrakte und Essenzen zu gewinnen, durch die sich die Krankheiten der Kulturpflanzen wirkungsvoll bekämpfen ließen.

Während in der Humanmedizin Arzneimittel auf pflanzlicher Basis nie aus den Hausapotheken verschwunden sind und trotz aller Entwicklungen der Pharmakologie mittlerweile Jahresumsätze von über 200 Milliarden Dollar generieren, kommen bei der Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten in der Landwirtschaft nahezu ausschließlich chemisch synthetisierte Wirkstoffe zum Einsatz, wodurch nicht nur das Ökosystem noch stärker als ohnehin angegriffen wird, sondern die Ernährung des Menschen zur Krankheitsfalle wird.

Um dieser fatalen Entwicklung entgegenzuwirken, kommen in der nachhaltigen Landwirtschaft neue Strategien der Biodiversifizierung sowie des Pflanzenschutzes auf pflanzlicher Basis zum Einsatz. Im Rahmen des Forschungsprojekts Mythopia werden seit 2005 phytotherapeutische Mittel und Methoden im Wein- und Obstbau entwickelt, erprobt und angewandt.

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Der hauptsächliche Unterschied zwischen pflanzlichen und chemischen Pflanzenschutzmitteln besteht darin, dass sich die Wirksamkeit der pflanzlichen Heilmittel nicht auf einen Wirkstoff reduzieren lässt, sondern stets auf dem von der heutigen Wissenschaft noch nicht vollständig erklärbaren Zusammenspiel mehrerer Inhalts- und Botenstoffe beruht. Doch anders als die synthetischen Heilmittel sind die Pflanzenextrakte wie die unterschiedlichen Millesime eines Weines von Jahr zu Jahr verschieden und müssen für jede Saison neu dosiert werden. Dank der neu entwickelten Labormethoden sind diese Bestimmungen jedoch mittlerweile auf wissenschaftlichem Niveau möglich und können zumindest teilweise von uns vorgenommen werden.

Die Phytotherapie in der Landwirtschaft verfolgt drei prinzipielle Strategien:

1. Die Stärkung der Pflanzen und die Verbesserung ihrer eigenen Abwehrkräfte durch kontinuierliche Regenerierung der Bodenkultur (Komposte, Zwischenbepflanzung, Bodenbearbeitung), durch Raumaufteilung der Kulturpflanzen sowie durch Behandlung mit Pflanzenstärkungsmitteln (z.B. Brennesselsud, Schachtelhalm etc.).

2. Die Eindämmung des Krankheitsdrucks durch Biodiversifizierung und Zwischenpflanzung von Antagonisten, also durch Anbau von anderen Pflanzen innerhalb des Bereichs der Kulturpflanzen, die der Natur gewissermaßen eine biologische Vielfalt vortäuschen und die Verbreitung der einseitigen Schädlinge behindern.

3. Die direkte Bekämpfung der Krankheiten und Schädlinge durch natürliche Pflanzenschutzmittel, die entweder direkt auf die Schädling einwirken oder deren Wirkstoffe die pflanzeneigenen Abwehrmechanismen rechtzeitig auslösen und verstärken.

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