Mozart für Reben

von Hans-Peter Schmidt

Wenn wilder Oregano und Thymian in voller Blüte zwischen den Rebzeilen leuchten, kommt für den Winzer die Zeit, wo er für seine Reben nicht mehr allzu viel tun kann, außer den Trauben bei der Reifung zuzusehen. Es sei denn, er stelle Lautsprecher auf und spiele den Reben aller Stunden Mozarts Violinenkonzerte, denn

was im australischen Gewächshaus bei Tomaten zu größeren und kulinarisch höherwertigen Früchten führte, dürfte auch bei Reben ähnlich erfolgreich sein. Allerdings glauben wir, dass bei diesem berühmten wissenschaftlichen Versuch mit klassischer Musik, wie so oft, die falsche Schlussfolgerung aus einer richtigen Beobachtung gezogen wurde. Denn das Entscheidende ist nicht etwa, dass klassische Musik wachstumsfördernd auf Tomaten oder Reben wirkt, sondern dass die Ausschaffung aller natürlichen Geräusche vom Gesumm der Bienen und Geschwirr der Insekten bis zum Zirpen der Grillen und dem Zwitschern der Vögel auch für die Tomaten und Reben bedeutet, dass in ihrem Lebensraum das natürliche Gleichgewicht gestört ist und sie an der freien Entfaltung ihrer biologischen, kulinarischen und ästhetischen Möglichkeiten gehindert werden.

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Die Überlegung, dass wir mit der Wiederbelebung der natürlichen Vielfalt im Umkreis der Reben quasi zum Musikdirektor im Weinberg avancieren, stand freilich keineswegs am Beginn unserer Versuche am Delinat-Institut, denn auch wenn wir Vieles unternahmen, von dessen Nutzen wir im Voraus überzeugt waren, so war das, was wir anstießen, als wir die Monokultur aufbrachen, schon nach kurzer Zeit so komplex, dass wir unmöglich alle Folgen und Resultate hätte vorherahnen können. Erst durch das intensive Erlebnis der unerwartet mannigfaltigen Musik, die sich seit unseren Maßnahmen zur Biodiversifizierung im Weinberg jeden Tag neu, jeden Tag auf andere Weise zur Aufführung bringt, kamen wir letztes Jahr auf den Gedanken das Mozartexperiment auf etwas andere Weise zu wiederholen.

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Unter dem Motto: Biodiversität durch Landwirtschaft, Landwirtschaft durch Biodiversität haben wir von Beginn an versucht, die natürlichen Systemzusammenhänge im Weinberg zu verstehen und durch agronomische Maßnahmen entsprechend zu unterstützen. Die Blumen, Gräser, Aroma- und Heilkräuter, die in den Rebzwischenräumen wachsen, die Büsche und Bäume, die sich majestätisch über die flache Monokultur erheben, die durchlüfteten Böden, die wieder duften, haben jedoch nicht nur die Reben gekräftigt und gesunden lassen, sondern auch einer überwältigenden Anzahl von Schmetterlingen, Käfern, Hummeln, Heuschrecken, Insekten, Fröschen und Vögeln eine neue Heimat geschenkt. Täglich im Morgengrauen stimmen sie ihr Konzert an. Auf den zarten Saiten der Stille spielen sie alle gemeinsam ein ungeheuer komplexes, subtiles Stück, dessen betörende Schönheit nicht zuletzt auf die Abwesenheit des Dirigenten zurückzuführen ist.

Wir könnten auf Mozart also im Grunde verzichten, aber insofern wir die klassische Musik ebenso lieben wie die Musik der zurückgekehrten Fauna, und da wir zudem unseren natürlichen Partnern auch gern einmal beweisen, dass wir als Winzer nicht nur Maschinenkrach erzeugen können, wird der DI-Erlebnistag am 19. September mit einem Violinenkonzert an verschiedenen Orten inmitten der Reben enden. Miyuzu Yamaguchi und Alexander Galaganov spielen ab 15 Uhr folgendes Programm:

John Dowland (1563 - 1626)

1) Come again! Sweet love doth now invite

2) Shall I sue

3) I saw my lady weep

4) Awake sweet love

Johann Sebastian Bach (1685 - 1750)

5) Aria (from suite for orchestra  D-dur)

Antonio Vivaldi (1678 - 1741)

6)  L'hiver - Largo (Les saisons)

Luigi Boccherini (1743 - 1805)

7) Minuet

Fernando Sor (1778 - 1839)

Preparame la tumba

De amor en las prisiones

El que quisiera amando

Astor Piazzolla (1921 - 1992)

11) Histoire du Tango - 1ère partie

Da die Anzahl der Plätze für den Erlebnistag mit Führung, Degustation und Konzert begrenzt ist, empfehlen wir, sich schnellstmöglich unter folgendem Link anzumelden.

  • jutta schwarting
    16.09.2009 21:56

    Wunderbar, diese Idee! Warum soll das, was für Hühner gilt, nicht auch für die Trauben stimmen?
    Das ganze Programm des nun abgesagten (leider) Tages deutet darauf hin, dass die Veranstalter wenn nicht Künstler, so doch begnadete Genießer sind, die ich gern kennengelernt hätte...
    Trotzdem Ihnen ein schönes und gutes "Ersatz-Wochenende" wünscht
    Jutta Schwarting

  • Carl Smith
    24.01.2011 05:47

    Musik könnte man als Homöopathie betrachten. Die Informationsbeigaben können interessante und starke Reaktionen hervorrufen.
    Die Wahl von Mozarts Violinkonzerten ist insofern günstig, da Pflanzen positiv auf Geigenmusik reagieren. Mozarts Musik, aber, beinhaltet Melancholie. Nur ein Werk von ihm läßt die Sonne scheinen - das "Dissonanz"-Streichquartett KV465. Sehr gut geeignet für Pflanzen ist die Violinmusik von Vivaldi und Bach. Und auf welche Musik Pflanzen richtig stehen, sind indische Ragas mit Sitar.
    Wer seinen Garten mit Sitar Ragas beschallt, läuft aber Gefahr, von Männerm in weissen Jacken abgeholt zu werden! Vielleicht ist diese Musik besser im Gewächshaus abgespielt...

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