Aromatische und phenolische Traubenreife

von Volker Schneider

Jeder weiß es: Mit steigendem Ertrag fällt die Qualität. Das Menge-Güte-Gesetz ist keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. Doch seine reale Bedeutung ist manchen Erzeugern aus dem Bewusstsein gerückt. Anders ist es nicht zu erklären, dass im Einzelfall immer noch weit über 150 hL/ha eingebracht werden. In vielen Ländern können solche Weine

als Qualitätsweine vermarktet werden, nur weil ein gesetzlich gefordertes Mindestmostgewicht erreicht ist. Dem Mostgewicht haftet eine geradezu mythische Bedeutung an.

Es steht außer Frage, dass Erzeugnisse aus Massenträgern nicht als Genussmittel und Kulturgut überzeugen können. Mehr als anonyme, austauschbare Konsum- oder Verarbeitungsweine können sie nicht sein, weil wesentliche wertbestimmende Inhaltsstoffe im Mangel vorliegen. Wein ist mehr als eine wässrige Lösung von Alkohol, Zucker und Säure. Reife im Sinne von Mostgewicht allein garantiert noch lange kein Genusserlebnis. Dennoch gibt es einen immer noch weit verbreiteten Irrglauben, die Qualität allein mit dem Mostgewicht beurteilen zu können.

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Das Mostgewicht definiert ausschließlich die alkoholische Reife. Darüber hinaus kennt man auch eine physiologische Reife, genauer definiert als aromatische und phenolische Reife. Sie ist verantwortlich für die innere Qualität eines Weins und keineswegs direkt an die alkoholische Reife gekoppelt. Deshalb kann es völlig ausdruckslose und eindimensionale Weine trotz hohem Mostgewicht geben.

Aromatische Reife

Während der Reife geschiehen weitaus mehr als nur eine Zunahme des Mostgewichts und eine Abnahme der Säure. Diese beiden Parameter stehen bei Reifemessungen jedoch einseitig im Vordergrund, weil sie einfach zu ermitteln sind. Der Begriff der aromatische Reife wird dabei vernachlässigt. Lange nachdem die Zunahme des Mostgewichts zum Stillstand gekommen ist, läuft die Synthese von Aromastoffen weiter. Sie sind es, die bei vergleichbaren makroanalytischen Parametern die Weine untereinander differenzieren und einen einfachen Konsumwein von einem großen Wein mit Identität unterscheiden. Andernfalls würde sich die Weinbeschreibung auf eine monotone Wiederkehr der vier Grundgeschmacksarten süss, sauer, bitter und salzig beschränken.

pinot-noir-traubeNicht nur hohe Erträge sind für Defizite in der aromatischen Reife verantwortlich. In Zeiten fortschreitenden Klimawandels läuft die aromatische Reife der alkoholischen Reife zunehmend hinterher. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass Trauben von 13 % potenziellem Alkohol und mehr einen Wein liefern, dessen Aromaprofil an das eines einfachen Tafelweins erinnert. Trocken-heiße Reifebedingungen verlangsamen die Synthese traubenbürtiger Aromastoffe ebenso wie überzogene Fungizidbehandlung. Rohfäule durch Pilzbefall kann die Entwicklung reifer Aromen vollständig zum Stillstand bringen.

Eine mangelnde aromatische Reife kann sich sensorisch in drei Formen äußern:

- Die völlige Abwesenheit von Aroma.

- Entstehung eines untypischen Alterungstons (UTA) in Weißwein. Das Geruchsbild solcher Weine erinnert an Mottenkugeln, Seife, Citronenblüten, Kleiderschrank, Waschmaschine usw. Ursache dieses oft schon im Jungweinstadium auftretenden Aromadefektes ist ein Hormonstress in der Weinrebe.

- Grün-vegetative Aromen, welche das Kennzeichen unreifer Trauben schlechthin darstellen und auf die Stoffgruppe der Methoxypyrazine zurückzuführen sind.

Vegetatives Aroma durch Methoxypyrazine

Die grün-vegetative Aromakomponente erinnert an den Geruch von frisch gemähtem Gras, Rasenmäher oder anderen grünen Pflanzen. Dieser Geruch ist jedem aus dem täglichen Leben bekannt, wird aber vom Kellermeister oft aus optimistischer Erwartungshaltung oder emotionaler Nähe zum eigenen Wein selten in diesem erwartet, gesucht oder identifiziert. Er kann so intensiv auftreten, dass er schließlich die Aromatik dominiert in einer Weise, dass positiv empfundene Aromaattribute wie solche reifer Früchte, Blumen oder Mineralien nicht mehr zu erkennen sind. Über den Geruch hinaus werden auch Mundfülle und Textur über sensorische Synergismen negativ beeinflusst. Es wird mehr Säure vorgetäuscht, als der Wein wirklich aufweist. Das Tannin der Rotweine wirkt adstringierender und unreifer.

Im deutschsprachigen Raum wird diese Aromatik selten als solche angesprochen, sondern oft mit gängigen Weinfehlern verwechselt und durch Schönungen erfolglos zu entfernen versucht. Trotzdem muss festgehalten werden, dass ein vegetatives Aroma nach frischem Gras ein önologisch nicht zu reparierender Defizit an aromatischer Reife darstellt.

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  • Hubert Pomplun
    15.10.2009 15:39

    Das Thema ist hoch interessant. Die Kurzfassung sagt natürlich zu wenig, die "Druckfassung" ist zwar sehr viel länger und mit Fachausdrücken aufgebläht, sagt aber - jedenfalls mir als Laien - ebenfalls wenig aus. Man verliert dadurch die Lust, das alles zu lesen. Ideal wäre eine Fassung, bei der jemand sich die Arbeit macht, alles für die Sache wichtige in einigen gut formulierten Kernsätzen zusammenzufassen.

    Aber trotzdem erst einmal vielen Dank für die vielen Anregungen, die wir aus Ihren Ithaka-Berichten mitbekommen.
    MfG

  • Johannes Hügle Biowinzer aus Baden
    16.10.2009 10:14

    Sehr interessanter Beitrag,
    über ein Thema das schon einen langen Zopf hat!
    Bevor man über hochwertiges Traubengut spricht, sollte man zuvor über Traubenpreise und Weinpreise, Deckungsbeitrag,Subvenzionen, Weinimporte und Bevölkerungseinkommen sprechen!!
    Dann können auch 60Kg/ar Traubenertrag für einen halbwegs intelligenten Rebmann rentabel sein.
    Und er selbst sollte auch eine ganze Flasche davon trinken können, ohne dass ihm von den konzentrierten Inhaltstoffen und Spritzmitteln schlecht wird. Denn Arzneimittel mit Nebenwirkungen gibt es genug in der Apotheke um die Ecke!
    Recht schönen Tag noch!
    Johannes Hügle

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