Der Tod aus dem Weinberg - ein Teelöffel Pestizide

von Hans-Peter Schmidt

Für die Herstellung einer Flasche konventionellen Weins wird durchschnittlich ein Teelöffel Pestizide in die Umwelt versprüht. So geht im Weinberg die Artenvielfalt zugrunde und die Lebenserwartung der Winzer sinkt drastisch. Die Schädlinge allerdings werden immer resistenter, denn nur die Stärksten überleben und pflanzen sich fort.

Anfang 2008 hat die so genannte PAN-Studie über Pestizidrückstände in konventionellen Weinen erhebliches Aufsehen erregt. In allen 34 konventionellen Weinen aus verschiedenen Regionen Europas wurden Rückstände von bis zu 10 verschiedenen Pestiziden gefunden. Da alle Pestizidspuren jedoch weit unterhalb der Grenzwerte für Lebensmittel liegen, wurde die PAN-Studie weithin als Panikmache und Ökohysterie abgetan. Doch egal, wie man dazu stehen mag, dass sich gering dosiert krebserregende, mutagene, reproduktionstoxische und hormonell wirksame Stoffe in dem Glas befinden, mit dem man auf die Gesundheit seiner Freunde anstößt, so liegt die eigentliche Katastrophe nicht in diesem konventionellen Cocktail begründet, sondern ereignet sich tagtäglich in der angeblich so idyllischen Natur des Weinbergs.

Durch den ökonomischen Zwang zur Industrialisierung haben sich die Weinberge in den letzten Jahrzehnten zu riesigen monokulturellen Flächen und völlig aus dem Gleichgewicht geratenen Ökosystemen entwickelt. Je geringer die Biodiversität eines Ökosystems ist, desto größer ist jedoch auch der Krankheitsdruck durch Schädlinge, die sich mangels natürlicher Feinde ungehindert vermehren. Während in der biologischen Landwirtschaft möglichst hohe Biodiversität und ökologische Vernetzungen zum Aufbruch der Monokultur angestrebt werden, reagiert die konventionelle Landwirtschaft mit immer neuen, immer stärkeren Pestiziden, um Nützlinge wie Schädlinge gleichermaßen auszumerzen. Die Folge dessen ist allerdings nicht nur die Zerstörung gesunder Ökosysteme, sondern gewissermaßen eine Zuchtwahl der Schädlinge, von denen Jahr um Jahr stets nur die Stärksten und Monströsesten  überleben und sich vermehren.

In Deutschland macht der Weinbau nur 0,8% der landwirtschaftlich genutzten Fläche aus, verbraucht mit rund 30 kg pro Hektar und Jahr aber 13,2 % aller Pestizide.

Pestizid-Aktivstoffe (AS)

Deutschland

EU

Fungizide

28,35 kg AS / ha

68,7 kg AS / ha

Herbizide

1,30 kg AS / ha

4,5 kg AS / ha

Insektizide

0,25 kg AS / ha

1 kg AS / ha

Geht man davon aus, dass pro Hektar etwa 5000 Flaschen Wein produziert werden, so ergibt sich, dass für jede Flasche Wein ein gehäufter Teelöffel Pestizide in die Natur gesprüht wurde. Jedes einzelne Pulverkorn dieses Teelöffels besitzt dabei die Kraft zur Vernichtung zahlloser Mikroorganismen und schwächt, degeneriert, tötet Schmetterlinge, Bienen, Libellen, Grashüpfer, Käfer, Eidechsen, Gottesanbeterinnen.  Doch dass auch jedes Insekt eine Welt für sich ist, vermag vor dem Zynismus fortwährender Ertragsoptimierung natürlich nicht Stand zu halten. Mit dem Alibi des weltweiten Bevölkerungswachstums waschen die Hexenmeister in den multinationalen Laboratorien ihr Gewissen.

Leben im Weinberg
Leben im Weinberg

Pestizide zerstören nicht nur die Nervenzellen von Insekten, sondern auch die Nervenzellen der Arbeiter im Weinberg. Die Gefahr an Parkinson zu erkranken wächst um 50% bis 70%. Gehirnkrebs tritt bedeutend häufiger auf. Erbgutschädigungen, Sterilität, Atemwegprobleme kommen noch hinzu (Studien und Literaturhinweise hier). Eine wissenschaftliche Studie, die in den besten Lagen von Bordeaux an 528 Winzern durchgeführt wurde, ergab erst kürzlich, dass die Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit bei langfristigem Kontakt mit Pestiziden deutlich abnimmt.

Es ist also nicht nur eine Frage der eigenen Gesundheit, wenn man statt zu einem konventionellen Wein zu einem Biowein greift, sondern vor allem eine Frage der Verantwortung für die Natur und die Gesundheit der Arbeiter im Weinberg.

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