von Claudio Niggli, Hans-Peter Schmidt, Jonathan Tudor
In den vergangenen Jahren wurden am Delinat-Institut die Einflüsse von Begrünungsvarianten ohne Bodenbearbeitung auf verschiedene Parameter der Rebkultur wie Bodenwerte, Blattstickstoff und Traubenaromatik untersucht. Die untersuchten Flächen mit Gründüngung wurden jeweils mehrmals pro Jahr geschnitten bzw. gewalzt und der natürlichen Humifizierung und Mineralisation überlassen. Wir dürfen annehmen, dass in permanent mit Leguminosen begrünten Rebkulturen die Versorgung mit Stickstoff ohne mineralische Düngung bereits im 3. Jahr auf einem Niveau zu liegen kommt, welches nach den Dünge-Richtlinien ausreichend ist. Die Versorgung durch Kalium und Phosphor wurde durch die Leguminosen-Begrünung spätestens im 4. Jahr nach Aussaat der Begrünung gewährleistet. Die biologische Aktivität des Bodens wird bereits im Jahr der Ausaat (1. Jahr) durch Begrünung mit tiefwurzelnde Leguminosen bis in mind. 60 cm Tiefe erhöht.
Viele Jahre galt die Begrünung im Weinberg als der Hauptgrund für die nur zaghafte Umstellung von konventionellem zu biologischem Anbau. Begrünung hieß in den meisten Fällen, dass auf Herbizid und tiefgründige Bodenbearbeitung verzichtet wurde, so dass sich eine von Gräsern dominierte Spontanbegrünung installierte.
Durch eine von Gräsern dominierte Begrünung entsteht in den obersten 5 - 10 cm eine extrem Wurzel verdichtete Bodenschicht. Durch diesen Wurzelhorizont gelangen nur sehr schwer Wasser und Nährstoffe in die unteren, für die Rebe entscheidenden Bodenhorizonte. Da in den mittleren und unteren Bodenhorizonten kaum noch Biomasse vorhanden ist, ist dort auch die mikorbielle Bodenaktivität entsprechend geringer, was zu niedrigerem Symbiosepotential für die Rebwurzeln führt, womit wiederum die Nährstoffaufnahmekapazität für die Rebe sinkt. Da so die mittleren und unteren Bodenhorizonte kaum von Regenwürmern und anderen Arthropoden besiedelt werden, kommt es zu schlechterer Bodenlüftung und -durchmischung. Die Folge davon ist u.a., dass die Kapilaren, durch die die Gräserwurzeln ihre Wasserversorgung sichern, kaum zerstört werden, womit dem Boden tiefgründig Wasser entzogen wird. Bei von Gräsern dominierten Begrünungen kommt es nur zu geringem Humusaufbau, was die Speicherfähigkeit von Nährstoffen und Wasser limitiert. Eine spontane Begrünung mit ausdauernden Gräsern zeigte daher auch bei den für den Weinbau wichtigen Parametern negative Auswirkungen auf Boden und Reben: Im 3. Jahr ist der Stickstoffgehalt des Bodens tiefer und der Blütenansatz schon deutlich geringer, als bei den anderen Bodenpflegeformen. Wasserstress ist in trockenen Jahren deutlich zu erkennen. Aus den dargelegten Gründen werden auf der Versuchsdomain des Delinat-Instituts seit 5 Jahren Begrünungsversuche auf Basis von Leguminosen durchgeführt. Ein Zwischenbericht über die bisher erlangten Resultate wurde im Herbst 2009 veröffentlicht (siehe hier), bei dem vorliegenden Artikel handelt es sich um eine Kurzfassung.
Nutzen von Begrünung
Begrünung hat im Weinbau eine lange Tradition. Bereits früh wurden die bodenschützenden Eigenschaften einer Begleitvegetation erkannt und deshalb ein spontaner Aufwuchs toleriert. Mit dem Aufkommen von Herbiziden im letzten Jahrhundert hat sich allerdings die Praxis durchgesetzt, Böden in Weinbergen offen, also frei von Vegetation zu halten, um eine Konkurrenzsituation mit der Rebkultur zu verhindern. Solch nackte Böden sind aber äusserst anfällig gegen Erosion. Als Folge von Niederschlägen wird wertvoller Humus abgetragen, die Bodenporen verschlämmen und die Oberfläche verkrustet. Gesundheitsschädliche Stoffe aus Pflanzenschutzmitteln können leichter in das Grundwasser geschwemmt und durch die verminderte Bodenaktivität weniger effektiv abgebaut werden. Ein geeigneter Bewuchs durch Begleitpflanzen hat folgende Funktionen: • Verbesserung des Wasserhaushalts im Boden • Aktivierung des Bodenlebens und damit der natürlichen Nährstoffkreisläufe • Regeneration und Verbesserung der Bodenstruktur • Eindämmung von Bodenerosion • Verminderung des Krankheitsbefalls der Reben • Erhöhung der Biodiversität, insbesondere der Arthropoden-Fauna • Abpufferung von Schadstoffen • Humusaufbau und C-Sequestrierung
Rebbegrünung in der Forschung
Zu den Auswirkungen von Begrünung auf die Rebkultur wurden bereits zahlreiche Studien durchgeführt. Am häufigsten wurden dabei Zusammenhänge zwischen Bodenbearbeitungs- bzw. Begrünungstypen und den für die Vitikultur besonders bedeutsamen Faktoren wie Ertrag, Wuchskraft, Mostgewicht und Säuregehalt des Weins untersucht. Das Zusammenspiel von Klima, Begrünung, Boden und Rebpflanzen ist höchst komplex, was die teils unterschiedlichen und widersprüchlichen Ergebnisse in der Begrünungs-Forschung erklärt. In einer zusammenfassenden Metastudie, welche eine engere Auswahl von 32 internationalen Studien ausgewertet hat, konnten aber einige wichtige Trends aufgezeigt werden (FLÜGEL 2007):
Methoden der Begrünungsversuche
Ökologischer Anbau: alle Versuchsparzellen werden streng nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaftet. Mit Ausnahme von sehr gemässigtem Einsatz von Kupferpräparaten werden keine synthetischen, industriell gefertigten Pflanzenschutzmittel oder Dünger verwendet. Bewässerung hat während der Datenaufnahme keine stattgefunden. Die Vergleichsparzelle (control) wurde nach konventionellen Richtlinien bewirtschaftet: NPK-Düngung, offen gehaltene Böden (Herbizideinsatz), Fungizide gegen Pilze. Alle Daten, welche im Rahmen dieser Publikation in die Auswertung eingeflossen sind, stammen von Parzellen welche mit der Rebsorte Pinot Noir bestockt sind und im Kerngebiet der Domaine Mythopia oberhalb Tsampon zwischen Ayent und St.Léonard liegen (789 m ü. M., Koordinaten 46°16'12'' N 7°24'27'' O). Die Messungen der Bodenparameter wurden in externen Labors durchgeführt. Die Blattstickstoff-Werte wurden mit dem N-Tester der Firma Yara (nur ein Modell erhältlich, keine Typenbezeichnung) jährlich jeweils kurz vor Beginn der Reifephase (véraison) gemessen (um Mitte August). Die Stichproben stammen jeweils von Blättern in der Traubenzone der Pflanzen.
5.Resultate
Legende: g = Gräser, l = Leguminosen, ch = Biokohle, co = Kompost, pl = Gepflügt, Ziffer = Standjahr der Begrünung
6.Diskussion
Das Hauptziel einer Dauerbegrünung durch Leguminosen ist die Etablierung integrierter, weitgehend autonomer Stoffkreisläufe, welche eine ausreichende Versorgung der Rebpflanzen ohne mineralische Düngung ermöglichen. Zudem sollen Symbiosen mit Mikroorganismen wie Rhizobakterien und Mykorrhiza-Pilzen gefördert und Nährstoffe durch Humusaufbau längerfristig gespeichert werden, wobei die damit verbundene C-Sequestrierung gleichzeitig mithilft, klimaaktives CO2 zu binden. Durch das diversifizierte Nährstoff- und Kommunikationsnetzwerk zwischen Pflanze und der Mikroorgansimen-Zönose soll die pflanzeneigene Resistenz soweit verbessert werden, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduziert werden kann. Auf eine mechanische Bearbeitung des Bodens soll möglichst verzichtet werden, da dadurch treibhausaktive Gase wie Lachgas freigesetzt werden, die Mikroorganismengemeinschaft massiv gestört und etablierte Symbiosen zerstört werden. Die Resultate zeigen, dass es möglich ist, innerhalb von zwei bis drei Jahre eine ausreichende Nährstoffversorgung der Kulturen zu erreichen. Bereits ab dem 1.Jahr wird die biologische Aktivität mindestens bis in Tiefen von mind. 60 cm erhöht. Die Zugabe von Kompost und Biokohle bewirkt eine zusätzliche Steigerung der mikrobiellen Biomasse, wobei der Kompost zudem die Nährstoffknappheit in den ersten Jahren offenbar etwas ausgleichen kann. In sehr trockenen Gebieten kann eine mögliche Konkurrenz um Wasser zwischen Kulturpflanzen und Begrünung verhindert werden, indem die Begrünung in sehr niederschlagsarmen Perioden gewalzt wird (Rolojack). Leguminose-Dauerbegrünungen können durchaus auch in anderen Kulturen, z.B. im Obstbau, zur Regeneration der Böden und Nährstoffversorgung eingesetzt werden. Bei der Etablierung der Symbiose zwischen Luzerne und stickstofffixierenden Rhizobien (Sinorhizobium meliloti) nach der Erst-Aussaat hat der Zustand des Bodens entscheidenden Einfluss. Sind bei der Umstellung große Reserven mineralischen Stickstoffs vorhanden, zehren die eingesäten Leguminosen vorerst von diesen und investieren kaum in die Symbiose (PERRET 1982), was offenbar zu einer Konkurrenz um Nährstoffe mit der Rebe führt (siehe Bilanzen für das 2. und 3.Jahr, Abb.3 und 4). Um diesem negativen Effekt entgegenzuwirken, sind Kompostgaben und allenfalls in den ersten Jahren eine Beschränkung der Begrünung auf jede zweite Zeile angeraten, was in zukünftigen Feldversuchen analysiert werden soll. Zudem können in Kulturböden, welche lange Zeit in intensiver Monokultur bewirtschaftet wurden, die benötigten Symbionten fehlen und deswegen die Fixierung von Stickstoff verzögert werden. Die Beimpfung des Saatgutes mit den entsprechenden Bakterien-Stämmen soll hier Abhilfe schaffen. Weitere wichtige Themata für künftige Untersuchungen sind Wechselwirkungen zwischen Mykorrhiza-Präparaten mit Weinrebe, Begrünung und Biokohle. Die ausführliche Fassung des Artikels Leguminosebegrünung im Weinberg - Zwischenbericht von Claudio Niggli et al, Ithaka-Journal, 2009, S.259-290, www.ithaka-journal.net/62, ISSN 1663-0521 - finden Sie hier. Informationen über die vom Delinat-Institut entwickelten Saatgutmischungen finden Sie hier. 7.Literatur FLÜGEL I., 2007: Gesunder Weinberg durch Begrünung: Erfolgsfaktoren für eine hohe Weinqualität in Weinanbau, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken. PERRET P., 1982: Ertrags- und Qualitätsbeeinflußung durch die Begrünung im Weinbau. Ergebnisse eines 10-jährigen Versuches. Schw. Zeitsch für Obst- und Weinbau, 118.Jahrgang. Schweiz, 1982, S. 470-480.
Leguminosenbegrünung im Weinberg - Kurzform
von Claudio Niggli, Hans-Peter Schmidt, Jonathan Tudor
Veröffentlicht am
13. Feb 2010
Zitierweise:
Niggli C, Schmidt HP, Tudor J, Leguminosenbegrünung im Weinberg - Kurzform, Ithaka-Journal 2010 Arbaz, Switzerland, pp. 450-454, www.ithaka-journal.net/de/ct/44
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