Wein der Wikinger
von Yörn Kreib
Auch wenn der dänische Erfahrungsschatz in Sachen moderner Weinanbau und Vinifizierung kaum mehr als eine Zeitspanne von etwa 30 Jahren umfasst, können die Nachfahren der Wikinger durchaus auf historische Phasen des Weinbaus zurück blicken.
Klostergründungen brachten Weinanbau nach Dänemark
Der Fund von Weintraubenkernen und Pollen in Steinzeitgräbern sowie Resten hölzerner Weinfässer belegen, dass den Wikingern sowohl die Trauben als auch der Wein bekannt gewesen sein müssen. Im Zuge der Christianisierung um 1000 wurden die Gärten zahlreicher dänischer Klostergründungen neu mit Weinstöcken bestückt. Dank der neuen Religion wurde der Wein bald zu einem wichtigen Bestandteil der nordischen Gesellschaft, wobei der Anbau durch die damals herrschenden höheren Temperaturen begünstigt wurde.
Die Schließung zahlreicher Klöster als Folge der Reformation läutete Anfang des 16.Jahrhunderts eine kurze Unterbrechung des dänischen Weinanbaus ein. Dann nahm sich jedoch der Adel der Sache an. 1560 machte sich der Weinbauer Mertten Ende aus Radebeul bei Dresden mit einer Bootsflotte und nicht weniger als 7.500 Weinpflanzen (Muskateller, Traminer) auf den Weg über die Elbe nach Hamburg und weiter nach Dänemark. Auftraggeberin war Königin Dorothea, deren Tochter Prinzessin Anne mit dem Kurfürsten August von Sachsen verheiratet war. Über den Verbleib dieser Lieferung ist aber ebenso wenig bekannt wie über die Aktivitäten des sächsischen Weinexperten am dänischen Königshof. So ist es unklar, ob es sich bei der erneuten Bestellung von Weinpflanzen in Sachsen im Jahre 1581 um einen Ausdruck des Erfolgs oder Misserfolgs der vorherigen Initiative handelte. Aber auch über den Verbleib dieser Lieferung kann lediglich spekuliert werden. Wahrscheinlich waren die Pflanzen für die in diese Zeit fallende Neuanlage der Gärten um Schloss Koldinghus auf Jütland bestimmt.
Dänische Winzer organisieren sich
Selbst bei Flaschenpreisen ab 20 Euro finden die dänischen Weiß-, Rosé- und Rotweine mittlerweile ihren Weg in Restaurants und zu privaten Weinliebhabern im ganzen Königreich. Das war nicht immer so, wie leidvolle Erfahrung des dänischen Weinpioniers Niels Vilhelm Nielsen zeigt. Aus dem Ertrag seiner 1.800 Weinstöcke (u. a. Pinot Noir, Aligoté, Baco Noir) produzierte er ab 1939 zwischen 700 und 1.000 Flaschen Schaumwein pro Jahr nach der klassischen Champagnermethode. Mit seinem Weingut „Furesødal Vingard“ im Norden Seelands bewies er eindrucksvoll, dass Weinanbau und Weinproduktion in Dänemark trotz klimatischer Widerstände sehr wohl möglich. Nielsens Einsatz für sein Unternehmen gilt als legendär. So soll er beispielsweise schwarz gefärbte Steine unter die Weinstöcke gelegt haben, um die Sonnenwärme zu speichern. Doch die Dänen verweigerten ihm die Gefolgschaft und blieben beim Bier. 1956 wurden seine Weinstöcke gerodet und durch Obstpflanzungen ersetzt.
Mit einem Artikel über neue Traubensorten in Dänemark brachte eine Gartenzeitschrift 1980 wieder Bewegung in den Weinanbau. Im ganzen Land wurden kleine Weingärten angelegt und 1993 gründeten die dänischen Winzer ihre eigene Interessenvertretung. Der Verband „Foreningen af Danske Vinavlere“ zählt heute knapp 1.400 Mitglieder, darunter immerhin etwa 45 Erwerbswinzer mit einer Anbaufläche von insgesamt etwa 50 ha.
Nur die wenigsten, nämlich ca. 50, produzieren bisher nach den Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft. Unterstüzung und Argumentationshilfen finden die Ökowinzer im Ökogarten des Städtchens Odder. Der rund 25 km südlich von Arhus gelegene „Økologiske Have“ ist mit seinen 10 ha der größte Ökogarten Skandinaviens. Engagierte Ökowinzer und Gärtner haben dort begonnen, einen Weinversuchsgarten aufzubauen.
Weinanbau zwischen Legoland und Wattenmeer
Vor allem der gezielten Sortenwahl (Interspezifische Rebsorten, sog. „Piwis“) verdanken die dänischen Winzer einen Großteil ihres Erfolgs. Neue Züchtungen wie beispielsweise Orion, Regent, Rondo zeichnen sich durch ausgesprochene Frosthärte (bis -25 Grad), kürzere Reifezeiten und eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten wie Mehltau aus. Niedrigere Durchschnittstemperaturen in der Wachstumsperiode als in traditionellen Weinbaugebieten können zudem durch die um 5 - 6 Stunden längeren Tage im Sommer etwas ausgeglichen werden. Die Gefahr der späten Frühjahrsfröste sowie frühen Herbstfröste lässt sich durch geeignete Standortwahl in Küstennähe verringern. Die Wassermassen der Ost- und Nordsee wirken Temperatur mildernd. Die negativen Einflusse der mitunter starken, je nach Richtung manchmal recht kalten Winde lassen sich durch Windschutzpflanzungen in ihrer Auswirkung auf die Weinpflanzen besänftigen.
Die dänischen Winzer Jens Michael Gundersen und Benny Gensbøl haben sich in ihrem Standardwerk „Vinavl i Danmark“ ausführlich mit den Bedingungen des Weinbaus in Dänemark beschäftigt. Ihr Fazit ist eindeutig: Weinanbau und Vinifizierung sind in vielen Regionen des Landes trotz weit verbreiteter Skepsis sehr wohl möglich. Die für den kommerziellen Weinbau geeigneten Zonen umfassen die Ostseeinsel Bornholm, weite Teile Seelands, Fünen, den Südosten Jütlands sowie die Inseln der „Dänischen Südsee“ und im Kattegat.
Den dänischen Winzern ist es gelungen, weite Teile der Bevölkerung des Königreichs für ihren Wein zu gewinnen und zu begeistern. Außerhalb Dänemarks spielen diese Weine jedoch bisher kaum eine Rolle. Zu exotisch erscheint vielen Weinliebhabern südlich von Flensburg die Vorstellung von Winzern zwischen Nordseedünen und Legoland. Dabei haben längst auch andere Nordeuropäer ihre Liebe zum Weinbau entdeckt. Insbesondere im Süden Schwedens, in der Provinz Skåne, erfreut sich der Weinanbau wachsender Beliebtheit. Immerhin zählt der Schwedische Winzerverband (Svenska Vinodlare) bereits über 200 Mitglieder (darunter einige aus Finnland und von den Aland-Inseln). Bevorzugte Anbaugebiete sind die klimatisch begünstigten meeres- und seenahen Lagen.
Weniger mit Mai- und frühen Herbstfrösten als mit enorm hohen Niederschlagsmengen kämpfen die englischen Winzer. Dennoch wird seit Anfang der 50er Jahre auch in England und Wales auf über 1.000 ha mit Erfolg Wein angebaut.
fredi strasser
15.03.2010 06:40
danke für den faszinierenden bericht aus dem norden. erinnert mich daran, dass vor jahren einige dänen bei mir erkundigungen über resistente sorten, piwi, einholten. ich hab ihnen die extrem frühreife schweizer züchtung amur empfohlen, vermutlich sind die im foto abgebildeten kleinen trauben von der sorte amur. der wollbusch am stock ist vermutlich nicht frostschutz, sondern dient der ansiedelung von raubmilben. dann noch einen hinweis, die im artikel genannten sorten sind relativ schwach in der resistenz, also für regenreiche gebiete schlecht geeignet. Ev. haben die dänen glück, dass der wind dann doch schnell genugt das blattwerk trocknet. wäre noch spannend, weitere infos aus den erfahrungen der dänischen winzerkollegen zu bekommen.
liebe grüsse
fredi strasser