Pilze als Partner: Mykorrhiza im Weinbau

von Claudio Niggli

Durch die Partnerschaft mit Mykorrhizen könnte die Rebe so widerstandsfähig gegen den Befall von Parasiten werden, dass Pestizide nahezu überflüssig würden. Zudem würden auch die Weine gehaltvoller, gesünder und einfach besser. Am Delinat-Institut laufen nun erste Feldversuche mit Mykorrhiza-Inokulationen an. Gesunde Böden strotzen vor ungeahnter Aktivität und zeichnen sich durch ein Netz mit unüberschaubar vielen Wechselbeziehungen zwischen den vielfältigen Lebewesen aus. Die Weinrebe steht, wie jede andere Pflanze auch, über ihre Wurzeln in direktem Austausch mit diesen vielfältigen Lebewesen. Die Zusammenarbeit zwischen Pilzen und Pflanzen gehört zu den größten Erfolgsgeschichten der Evolution. In allen Erdteilen und quer durch die verschiedensten verwandtschaftlichen Gruppen und Lebensformen im Pflanzenreich gibt es diese symbiotischen Partnerschaften. Die Welt von heute sähe ohne Mykorrhizen ganz anders aus. [caption id="attachment_2522" align="aligncenter" width="426" caption="Durch Mykorrhizen kann sich die Wurzelspähre verzehnfachen"][/caption] Symbiose - eine positive, wechselseitige Beziehung Mykorrhizapilze besiedeln die Wurzeln von Pflanzen (mykos = Pilz, rhizo = Wurzel) und tauschen Nährstoffe mit diesen aus, wovon beide Seiten profitieren. Der Pilz bezieht von der Pflanze Energie und Kohlenstoff in Form von Zucker, welchen sie in ihren Blättern mit wenig Aufwand und der Hilfe des Sonnenlichts produziert. Diese Zuckerverbindungen können direkt über die Wurzelzellen in das Pilzgewebe transportiert werden. Zusätzlich beeinflusst und fördert die Pflanze das Pilzwachstum über so genannte Exsudate (Wurzelausscheidungen), welche im Wurzelbereich an die Erde abgegeben und dann vom Pilz aufgenommen werden. Die Rebe investiert bis zu einem Drittel ihrer Energie in die Produktion solcher Ausscheidungen zur Ernährung und Steuerung ihrer Partner im Erdreich. Im Gegenzug für diese Leistung bekommt die Pflanze vom Pilz limitierende Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff geliefert. Diese beiden Elemente spielen neben dem Kohlenstoff eine unentbehrliche Rolle als Bausteine des Lebens und werden in grossen Mengen für  das Zellwachstum und als Energieträger benötigt. Pilz und Pflanze tauschen teilweise auch komplexer gebaute Verbindungen wie z.B. Vitamine aus und können so gezielt spezifische wechselseitige Bedürfnisse decken. Auch sind die Pilze befähigt, das Wachstum der Pflanzen, insbesondere der Wurzeln, durch Signalmoleküle zu beeinflussen und so sogar Resistenzen der Pflanze gegen Schädlinge zu induzieren. Zudem schützt das Pilzgeflecht vor dem Eindringen schädlicher Mikroorganismen und fördert die Ansiedelung nützlicher Wurzelbakterien (Rhizobakterien). Mykorrhizen kommt also nicht nur eine Schlüsselfunktion bei der Pflanzenernährung, sondern auch beim Pflanzenschutz zu. [caption id="attachment_2523" align="aligncenter" width="466" caption="Man sieht, wie die Mykorrhiza und die Wurzelzelle des Klees miteinander verwachsen (Lichtmikroskop)"][/caption] Pilze bestehen hauptsächlich aus sehr feinen Zellfäden, den so genannten Hyphen, welche den Boden ähnlich wie Pflanzenwurzeln durchwachsen. Im Unterschied zu den Pflanzenwurzeln müssen aber Pilzgeflechte keine Stützfunktion übernehmen, weshalb das ganze unterirdische Gewebe in sehr feiner Struktur ausgebildet wird. So erschliesst sich dem Pilzgeflecht bei verhältnismässig geringem Massenzuwachs schnell eine gewaltige Oberfläche, über die es die Aufnahme von Mineralstoffen und Wasser vorantreiben kann. Die mit Mykorrhizen verbundene Pflanze erweitert so ihr Einzugsgebiet um etwa das Zehnfache. Durch die Abgabe von Säuren und Trägerstoffen (Chelaten) können die Mykorrhizen aus dem Bodengestein sowie aus den Humus-Ton-Komplexen, aber auch aus der Biokohle wichtige Nährelemente wie Eisen, Mangan oder eben auch Phosphor herauslösen und der Pflanze verfügbar machen. Mykorrhizen im Weinbau Symbiosen mit Mykorrhizen sorgen also für eine ausgeglichenere und damit bessere Nährstoffaufnahme der Pflanzen, was zu verbessertem Pflanzenwachstum, zu qualitativ höherwertigen Ernten und zu deutlich erhöhter Widerstandskraft der Pflanzen gegen Krankheitserreger führt. So haben Versuche des Agroscope Changins kürzlich zeigen können, dass der Befall durch Falschen Mehltau bei mykorrhizierten Reben bis 80% niedriger ausfällt als bei Reben, deren Wurzeln nicht mit Mykorrhizen besiedelt waren (Veröffentlichung der Studie von Katia Gindro im Laufe 2010).  In früheren Untersuchungen konnten bereits positive Effekte durch die Anwesenheit von Mykorrhizen an Rebenwurzeln gezeigt werden (BACKHAUS & FELDMANN 1997). Wenn es gelingt, die Rebwurzeln in einem Weinberg intensiv mit Mykorrhizen zu besiedeln, lässt sich sowohl die Verbesserung der Weinqualität, als auch die Reduktion von Pflanzenschutzmaßnahmen erwarten. [caption id="attachment_2529" align="alignleft" width="461" caption="Arbuskuläre Mykorrhiza"][/caption] Die für den Weinbau besonders relevanten Mykorrhizen sind die sogenannten arbuskulären Mykorrhizen (AM), von denen es weltweit nur etwa 90 verschiedene Arten gibt. Die geringe Zahl verschiedener Mykorrhiza-Arten bedeutet, dass sie nicht auf wenige ausgewählte Pflanzen spezialisiert, sondern sehr polyvalent sind und jeweils mit über 80% aller Landpflanzen symbiotische Partnerschaften eingehen können. Die Wurzeln von Bäumen, Sträuchern, Kräutern, Blumen und Gräsern ganz verschiedener Pflanzenfamilien können also von den gleichen Mykorrhiza-Arten besiedelt und symbiotisch positiv beeinflusst werden. In zwei älteren Studien (MOHR 1997, WANG et al. 1993) konnte gezeigt werden, dass die natürliche Mykorrhizierung der Rebwurzeln bei Anwesenheit von Begleitkräutern zunimmt. Dies ist nicht nur ein weiteres Argument für die Begrünung im Weinberg, sondern stützt zugleich die Theorie, dass Reben und Begrünungspflanzen durch die Pilzgeflechte verbunden seien und so sogar ein Stoff- und Informationsaustausch über diese möglich sei. In den 2010 begonnen Feldversuchen im Weinberg des Delinat-Instituts soll nicht nur die Wirksamkeit der Symbiosen zwischen Mykorrhizen und Rebe untersucht werden, sondern auch verschiedene Techniken der Inokulation. Hierbei soll insbesondere inokuliertes Saatgut für die Begrünungspflanzen genutzt werden, um die Mykorrhiza-Impfung des Weinbergs kostengünstig und nachhaltig in die entscheidenden Tiefenzonen der Rebwurzeln zu bringen. Für die Experimente arbeiten wir mit der Firma Terrabioscience zusammen und testen ihre Produkte erstmals im Weinbau. Versuch 1 - Saatgutinokulation Es soll eine mögliche Wirkung von Endomykorrhiza-Präparaten in Kombination mit Rhizobakterien auf die Begrünung und die Reben untersucht werden. Die stickstofffixierenden Leguminosen wie Luzerne oder Klee sind in unseren Saatmischungen der Schlüssel zu einer ausreichenden Versorgung mit Nährstoffen, insbesondere mit Stickstoff. Die dazu benötigte Symbionten, die Wurzelbakterien (Rhizobien), sind aber starke Phosphorzehrer, weshalb Leguminosen in besonderem Maße von Mykorrhizen abhängen. Auf einer bis anhin konventionell bewirtschafteten Parzelle soll nun untersucht werden, ob die Beimpfung des Leguminose-Saatgutes mit Sporen des weit verbreiteten AM-Pilzes Glomus intraradices und mit verschiedenen Rhizobakterien einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Begrünung und damit indirekt auf die Nährstoffversorgung der Reben hat. Dazu wurden die Samen vor dem Ausbringen mit einem trockenen Substrat vermischt, welches mit den entsprechenden Pilzsporen beimpft ist und zudem Rhizobakterien der Gattungen Bacillus und Pseudosomonas enthält. Unmittelbar nach der Aussaat wurde die Bodenoberfläche mit einem Grubber leicht bearbeitet, um ein nacktes Aufliegen der Samen und der Präparate zu verhindern. (Sporen und Myzel der AM-Pilze sind lichtempfindlich). Das Experiment beinhaltet vier Versuchflächen und vier Kontrollflächen zu je 64 m2. Im Laufe der kommenden drei Jahre werden Bodenparameter, Wuchskraft, Nährstoffaufnahme, Krankheitsresistenz und Aromenentwicklung aufgenommen. Versuchsfläche und Setup Versuch 2 - Jungreben und Mykorrhiza In einem zweiten Experiment soll gezeigt werden, ob die AM-Präparate förderlich für die Entwicklung von Jungreben sind. Dazu werden in einer Neupflanzung 30 Reben mit Mykorrhiza inokkuliert, weitere 30 Stück werden zur Kontrolle unbehandelt gepflanzt. Auch diese Parzelle ist bis anhin konventionell bewirtschaftet worden, mit allen bis dahin üblichen Belastungen durch Kunstdünger und Pestizide. Eine Bodenprobe vor Beginn des Experiments soll Aufschluss über die (noch) vorhandenen Mykorrhiza-Keime geben. Zur zusätzlichen Aktivierung der Böden wird auch ganzflächig Kompost ausgebracht werden. In den kommenden Vegetationsperioden werden dann Faktoren wie Blattstickstoff, Wuchskraft und Blütenproduktion gemessen. Die Beimpfung von Jungreben würde das Pflanzgut um etwa 10% teurer machen und könnte mittelfristig zum Standard werden. Versuch 3 - Inokkulation von Altreben mit Mykorrhiza und Rhizobakterien Im dritten Experiment soll untersucht werden, ob die Nährstoffversorgung alter Rebstöcke durch Mykorrhiza/Rhizobakterien-Präparate gefördert werden kann. Hierzu wird neben dem Stamm ein 50 cm tiefes Loch bis in den Hauptwurzelbereich gebohrt. Eine standardisierte Menge des Mykorrhiza-Präparates wird sodann in das Loch injiziert und mit einer festgelegte Menge Wasser eingespült. Später werden dieselben Parameter wie in den anderen Varianten aufgenommen werden. Zwanzig Reben sollen auf einer seit Jahren begrünten Parzelle beimpft werden, weitere zwanzig auf einer nackten, bis letztes Jahr konventionell bewirtschafteten Fläche. [caption id="attachment_2538" align="aligncenter" width="600" caption="mykorrhizierte Grünsaat inmitten der Kulturwüste (Mythopia, März 2010)"][/caption] Ausblick Mykorrhiza-Produkte haben nicht nur im Weinbau, sondern in allen landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bereichen ein grosses Potential. Der Einsatz von umweltschädlichen Pflanzenschutzmitteln könnte so vielleicht bald durch das (einmalige!) Einbringen der vernachlässigten natürlichen Partner weitgehend ersetzt werden. Doch sind Mykorrhizen alleine kein Allheilmittel, denn wenn nicht durch geeignete Bewirtschaftungsmassnahmen die Vorraussetzungen für ein gesundes, biologisch hoch aktives Bodenmilieu geschaffen wird, sterben die Mykorrhizen wieder ab, noch bevor sie überhaupt Symbiosen mit den Reben herausbilden können. Die Arbeit mit Mykorrhizen und anderen Bodenmikroorganismen muss sich in ein ökologisches Gesamtkonzept einfügen, ansonsten werden sie zu einem weiteren Versuch, der lediglich der Agrochemie in die Hände spielt. Die weitere Erforschung des Bodennetzwerkes und des Ökosystems Weinberg wird uns helfen, die komplexen Mechanismen mehr und mehr zu verstehen und somit die natürlichen Kräfte gezielt einzusetzen. Literatur BACKHAUS, G. F., FELDMANN, F. (Hrsg.), 1997: Anwendungen arbuskulärer Mykorrhizapilze im Pflanzenbau, Mitteilungen der Biologischen Bundesanstalt 332, Parey, Berlin, ISBN 3-8263-3166-4. MOHR, H.D. 1997: Wachstum und Mykorrhizierung von Rebwurzeln in Weinbergen des Moseltals. Boden und Landschaft. WANG G.M., STRIBLEY, D.P., TINKER, P.B., and WALKER, C. (1993) Effects of pH on arbuscular mycorrhiza in Field observations on the long-term liming experiments al Rolhamsted and Woburn. New Phytol. 124: 465^172. [caption id="attachment_2529" align="alignnone" width="461" caption="Arbuskuläre Mykorrhiza"][/caption]

Durch die Partnerschaft mit Mykorrhizen könnte die Rebe so widerstandsfähig gegen den Befall von Parasiten werden, dass Pestizide nahezu überflüssig würden. Zudem würden auch die Weine gehaltvoller, gesünder und einfach besser. Am Delinat-Institut laufen nun erste Feldversuche mit Mykorrhiza-Inokulationen an.

Gesunde Böden strotzen vor ungeahnter Aktivität und zeichnen sich durch ein Netz mit unüberschaubar vielen Wechselbeziehungen zwischen den vielfältigen Lebewesen aus. Die Weinrebe steht, wie jede andere Pflanze auch, über ihre Wurzeln in direktem Austausch mit diesen vielfältigen Lebewesen.

Die Zusammenarbeit zwischen Pilzen und Pflanzen gehört zu den größten Erfolgsgeschichten der Evolution. In allen Erdteilen und quer durch die verschiedensten verwandtschaftlichen Gruppen und Lebensformen im Pflanzenreich gibt es diese symbiotischen Partnerschaften. Die Welt von heute sähe ohne Mykorrhizen ganz anders aus.

weiss mykorrhizierte Wurzeln
Durch Mykorrhizen kann sich die Wurzelspähre verzehnfachen

Symbiose - eine positive, wechselseitige Beziehung

Mykorrhizapilze besiedeln die Wurzeln von Pflanzen (mykos = Pilz, rhizo = Wurzel) und tauschen Nährstoffe mit diesen aus, wovon beide Seiten profitieren. Der Pilz bezieht von der Pflanze Energie und Kohlenstoff in Form von Zucker, welchen sie in ihren Blättern mit wenig Aufwand und der Hilfe des Sonnenlichts produziert. Diese Zuckerverbindungen können direkt über die Wurzelzellen in das Pilzgewebe transportiert werden. Zusätzlich beeinflusst und fördert die Pflanze das Pilzwachstum über so genannte Exsudate (Wurzelausscheidungen), welche im Wurzelbereich an die Erde abgegeben und dann vom Pilz aufgenommen werden. Die Rebe investiert bis zu einem Drittel ihrer Energie in die Produktion solcher Ausscheidungen zur Ernährung und Steuerung ihrer Partner im Erdreich.

Im Gegenzug für diese Leistung bekommt die Pflanze vom Pilz limitierende Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff geliefert. Diese beiden Elemente spielen neben dem Kohlenstoff eine unentbehrliche Rolle als Bausteine des Lebens und werden in grossen Mengen für  das Zellwachstum und als Energieträger benötigt. Pilz und Pflanze tauschen teilweise auch komplexer gebaute Verbindungen wie z.B. Vitamine aus und können so gezielt spezifische wechselseitige Bedürfnisse decken. Auch sind die Pilze befähigt, das Wachstum der Pflanzen, insbesondere der Wurzeln, durch Signalmoleküle zu beeinflussen und so sogar Resistenzen der Pflanze gegen Schädlinge zu induzieren. Zudem schützt das Pilzgeflecht vor dem Eindringen schädlicher Mikroorganismen und fördert die Ansiedelung nützlicher Wurzelbakterien (Rhizobakterien). Mykorrhizen kommt also nicht nur eine Schlüsselfunktion bei der Pflanzenernährung, sondern auch beim Pflanzenschutz zu.

baumförmig verzweigte Arbuskel in Wurzelzelle von Klee
Man sieht, wie die Mykorrhiza und die Wurzelzelle des Klees miteinander verwachsen (Lichtmikroskop)

Pilze bestehen hauptsächlich aus sehr feinen Zellfäden, den so genannten Hyphen, welche den Boden ähnlich wie Pflanzenwurzeln durchwachsen. Im Unterschied zu den Pflanzenwurzeln müssen aber Pilzgeflechte keine Stützfunktion übernehmen, weshalb das ganze unterirdische Gewebe in sehr feiner Struktur ausgebildet wird. So erschliesst sich dem Pilzgeflecht bei verhältnismässig geringem Massenzuwachs schnell eine gewaltige Oberfläche, über die es die Aufnahme von Mineralstoffen und Wasser vorantreiben kann. Die mit Mykorrhizen verbundene Pflanze erweitert so ihr Einzugsgebiet um etwa das Zehnfache. Durch die Abgabe von Säuren und Trägerstoffen (Chelaten) können die Mykorrhizen aus dem Bodengestein sowie aus den Humus-Ton-Komplexen, aber auch aus der Biokohle wichtige Nährelemente wie Eisen, Mangan oder eben auch Phosphor herauslösen und der Pflanze verfügbar machen.

Mykorrhizen im Weinbau

Symbiosen mit Mykorrhizen sorgen also für eine ausgeglichenere und damit bessere Nährstoffaufnahme der Pflanzen, was zu verbessertem Pflanzenwachstum, zu qualitativ höherwertigen Ernten und zu deutlich erhöhter Widerstandskraft der Pflanzen gegen Krankheitserreger führt. So haben Versuche des Agroscope Changins kürzlich zeigen können, dass der Befall durch Falschen Mehltau bei mykorrhizierten Reben bis 80% niedriger ausfällt als bei Reben, deren Wurzeln nicht mit Mykorrhizen besiedelt waren (Veröffentlichung der Studie von Katia Gindro im Laufe 2010).  In früheren Untersuchungen konnten bereits positive Effekte durch die Anwesenheit von Mykorrhizen an Rebenwurzeln gezeigt werden (BACKHAUS & FELDMANN 1997). Wenn es gelingt, die Rebwurzeln in einem Weinberg intensiv mit Mykorrhizen zu besiedeln, lässt sich sowohl die Verbesserung der Weinqualität, als auch die Reduktion von Pflanzenschutzmaßnahmen erwarten.

AM  Schema
Arbuskuläre Mykorrhiza

Die für den Weinbau besonders relevanten Mykorrhizen sind die sogenannten arbuskulären Mykorrhizen (AM), von denen es weltweit nur etwa 90 verschiedene Arten gibt. Die geringe Zahl verschiedener Mykorrhiza-Arten bedeutet, dass sie nicht auf wenige ausgewählte Pflanzen spezialisiert, sondern sehr polyvalent sind und jeweils mit über 80% aller Landpflanzen symbiotische Partnerschaften eingehen können. Die Wurzeln von Bäumen, Sträuchern, Kräutern, Blumen und Gräsern ganz verschiedener Pflanzenfamilien können also von den gleichen Mykorrhiza-Arten besiedelt und symbiotisch positiv beeinflusst werden.

In zwei älteren Studien (MOHR 1997, WANG et al. 1993) konnte gezeigt werden, dass die natürliche Mykorrhizierung der Rebwurzeln bei Anwesenheit von Begleitkräutern zunimmt. Dies ist nicht nur ein weiteres Argument für die Begrünung im Weinberg, sondern stützt zugleich die Theorie, dass Reben und Begrünungspflanzen durch die Pilzgeflechte verbunden seien und so sogar ein Stoff- und Informationsaustausch über diese möglich sei.

In den 2010 begonnen Feldversuchen im Weinberg des Delinat-Instituts soll nicht nur die Wirksamkeit der Symbiosen zwischen Mykorrhizen und Rebe untersucht werden, sondern auch verschiedene Techniken der Inokulation. Hierbei soll insbesondere inokuliertes Saatgut für die Begrünungspflanzen genutzt werden, um die Mykorrhiza-Impfung des Weinbergs kostengünstig und nachhaltig in die entscheidenden Tiefenzonen der Rebwurzeln zu bringen.

Für die Experimente arbeiten wir mit der Firma Terrabioscience

zusammen und testen ihre Produkte erstmals im Weinbau.

Versuch 1 - Saatgutinokulation

Es soll eine mögliche Wirkung von Endomykorrhiza-Präparaten in Kombination mit Rhizobakterien auf die Begrünung und die Reben untersucht werden. Die stickstofffixierenden Leguminosen wie Luzerne oder Klee sind in unseren Saatmischungen der Schlüssel zu einer ausreichenden Versorgung mit Nährstoffen, insbesondere mit Stickstoff. Die dazu benötigte Symbionten, die Wurzelbakterien (Rhizobien), sind aber starke Phosphorzehrer, weshalb Leguminosen in besonderem Maße von Mykorrhizen abhängen.

Auf einer bis anhin konventionell bewirtschafteten Parzelle soll nun untersucht werden, ob die Beimpfung des Leguminose-Saatgutes mit Sporen des weit verbreiteten AM-Pilzes Glomus intraradices und mit verschiedenen Rhizobakterien einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Begrünung und damit indirekt auf die Nährstoffversorgung der Reben hat. Dazu wurden die Samen vor dem Ausbringen mit einem trockenen Substrat vermischt, welches mit den entsprechenden Pilzsporen beimpft ist und zudem Rhizobakterien der Gattungen Bacillus und Pseudosomonas enthält. Unmittelbar nach der Aussaat wurde die Bodenoberfläche mit einem Grubber leicht bearbeitet, um ein nacktes Aufliegen der Samen und der Präparate zu verhindern. (Sporen und Myzel der AM-Pilze sind lichtempfindlich). Das Experiment beinhaltet vier Versuchflächen und vier Kontrollflächen zu je 64 m2. Im Laufe der kommenden drei Jahre werden Bodenparameter, Wuchskraft, Nährstoffaufnahme, Krankheitsresistenz und Aromenentwicklung aufgenommen.

Martyres Martyres2

Versuchsfläche und Setup

Versuch 2 - Jungreben und Mykorrhiza

In einem zweiten Experiment soll gezeigt werden, ob die AM-Präparate förderlich für die Entwicklung von Jungreben sind. Dazu werden in einer Neupflanzung 30 Reben mit Mykorrhiza inokkuliert, weitere 30 Stück werden zur Kontrolle unbehandelt gepflanzt. Auch diese Parzelle ist bis anhin konventionell bewirtschaftet worden, mit allen bis dahin üblichen Belastungen durch Kunstdünger und Pestizide. Eine Bodenprobe vor Beginn des Experiments soll Aufschluss über die (noch) vorhandenen Mykorrhiza-Keime geben. Zur zusätzlichen Aktivierung der Böden wird auch ganzflächig Kompost ausgebracht werden. In den kommenden Vegetationsperioden werden dann Faktoren wie Blattstickstoff, Wuchskraft und Blütenproduktion gemessen. Die Beimpfung von Jungreben würde das Pflanzgut um etwa 10% teurer machen und könnte mittelfristig zum Standard werden.

Versuch 3 - Inokkulation von Altreben mit Mykorrhiza und Rhizobakterien

Im dritten Experiment soll untersucht werden, ob die Nährstoffversorgung alter Rebstöcke durch Mykorrhiza/Rhizobakterien-Präparate gefördert werden kann. Hierzu wird neben dem Stamm ein 50 cm tiefes Loch bis in den Hauptwurzelbereich gebohrt. Eine standardisierte Menge des Mykorrhiza-Präparates wird sodann in das Loch injiziert und mit einer festgelegte Menge Wasser eingespült. Später werden dieselben Parameter wie in den anderen Varianten aufgenommen werden. Zwanzig Reben sollen auf einer seit Jahren begrünten Parzelle beimpft werden, weitere zwanzig auf einer nackten, bis letztes Jahr konventionell bewirtschafteten Fläche.

mykorrhizierte Grünsaat inmitten der Kulturwüste (Mythopia, März 2010)
mykorrhizierte Grünsaat inmitten der Kulturwüste (Mythopia, März 2010)

Ausblick

Mykorrhiza-Produkte haben nicht nur im Weinbau, sondern in allen landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bereichen ein grosses Potential. Der Einsatz von umweltschädlichen Pflanzenschutzmitteln könnte so vielleicht bald durch das (einmalige!) Einbringen der vernachlässigten natürlichen Partner weitgehend ersetzt werden. Doch sind Mykorrhizen alleine kein Allheilmittel, denn wenn nicht durch geeignete Bewirtschaftungsmassnahmen die Vorraussetzungen für ein gesundes, biologisch hoch aktives Bodenmilieu geschaffen wird, sterben die Mykorrhizen wieder ab, noch bevor sie überhaupt Symbiosen mit den Reben herausbilden können. Die Arbeit mit Mykorrhizen und anderen Bodenmikroorganismen muss sich in ein ökologisches Gesamtkonzept einfügen, ansonsten werden sie zu einem weiteren Versuch, der lediglich der Agrochemie in die Hände spielt. Die weitere Erforschung des Bodennetzwerkes und des Ökosystems Weinberg wird uns helfen, die komplexen Mechanismen mehr und mehr zu verstehen und somit die natürlichen Kräfte gezielt einzusetzen.

Literatur

BACKHAUS, G. F., FELDMANN, F. (Hrsg.), 1997: Anwendungen arbuskulärer Mykorrhizapilze im Pflanzenbau, Mitteilungen der Biologischen Bundesanstalt 332, Parey, Berlin, ISBN 3-8263-3166-4.

MOHR, H.D. 1997: Wachstum und Mykorrhizierung von Rebwurzeln in Weinbergen des Moseltals. Boden und Landschaft.

WANG G.M., STRIBLEY, D.P., TINKER, P.B., and WALKER, C. (1993) Effects of pH on arbuscular mycorrhiza in Field observations on the long-term liming experiments al Rolhamsted and Woburn. New Phytol. 124: 465^172.

AM  Schema
Arbuskuläre Mykorrhiza
  • Jeanette
    16.04.2010 08:02

    Ich habe schon langen Zeit vor, bei meinen Jungreben, Mykorrhiza zu verwenden.
    12 HeKtar in 2011.
    Wie genau findet eine Inokkulation von Jungreben mit Mykhorizzen statt??
    Wie kann ich oder mein Rebstockveredler die Inokkulation versorgen.
    Wo kann mann diese Mykhorizzen bekommen?
    oder
    Existiert hierfür ein Substrat, in das ich die Rebwürzeln genau vor der Pflanzung eintauchen kann?
    Wo kann dieses Substrat bekommen werden??

    Ich wäre Ihre Antwort sehr verbunden.
    Château Bon Baron
    Jeanette van der Steen

    • hps
      18.04.2010 11:49

      Ja, es gibt sowohl Trocken- als auch Feuchtsubstrate, in die die Wurzeln der Jungreben eingetaucht werden. Man kann dies selbst tun oder vom Veredler durchführen lassen. Für die Substrate gibt es mittlerweile mehrere Hersteller. Wir arbeiten mit der Firmen Terrabioscience in Bernburg zusammen, um spezielle Mycorrhiza-Mischungen, Substrate und Inokulationsmethoden für den Weinbau zu entwickeln.

  • Hofnam Jerzy
    18.04.2010 09:54

    Sehr geehrte Frau Jeanette,

    www.mykorrhiza-shop.eu

    bitte schauen Sie die Seite und melden sich bei Interesse.

    Mit freundlichen Grüßen
    Jerzy Hofman

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