Permakultur – Regionale Nachhaltigkeit statt globale Industrialisierung
von Thomas Löliger
Wer in Esslingen auf den Bauernhof von Lorenz Kunz kommt, merkt rasch, dass hier keine konventionelle Landwirtschaft betrieben wird. Hinter dem Stall hat es zwei grosse Weiher, auf den Wiesen stehen hunderte von Bäumen und Sträuchern. Ein so genannter Erdstall bietet den Schweinen Schutz vor garstiger Witterung. Dazwischen blüht und grünt es in allen Nuancen. Auf den ersten Blick wirkt vieles chaotisch. Auf den zweiten entdeckt man Kräuter zwischen den Sträuchern und vieles mehr. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass der heutige Permakultur-Landwirt bis ins Jahr 2004 hier intensive Milchwirtschaft betrieben hat. "Auch ich habe meine Hochleistungskühe gepusht. Das Kraftfutter wurde per Camion angeliert, Eiweissträger (Soja) aus Brasilien, biologisch und gentechfrei.“ Auf der anderen Seite regte er sich damals über all jene auf, die in Deutschland billig einkaufen, statt hier in der Region. Für Lorenz Kunz ging das immer weniger auf und schliesslich kam der Punkt, an dem er dieses System nicht mehr länger unterstützen wollte. Die logische Antwort für ihn war die Permakultur.
Ithaka-Kommentar
Wenn wir am Delinat-Institut mit Vertretern der Permakultur zusammen kommen, sprechen wir – was mit Winzern eher selten der Fall - die gleiche Sprache. Wenn die Besucher Lauchpflanzen unter den Rebstöcken entdecken, Tomaten, Rosen, Lavendel und Kürbisse in den Zwischenzeilen, so ist dies für sie ebenso selbstverständlich wie Mulch und Kompost. Die Permakultur forscht am lebenden Herzen der Natur, und wir haben den Pionieren wie Bill Mollison und Masanobu Fukuoka enorm viel zu verdanken.
Der Begriff Permakultur diente ursprünglich der Beschreibung einer dauerhaften Landwirtschaft (abgeleitet aus dem Englischen "permanent agriculture"), die sich am Vorbild eines vielfältigen, sich selbst regulierenden Ökosystems orientiert. Statt Monokulturen werden Kultur- und Wildpflanzen so kombiniert, dass sich auf natürliche Weise optimale Wachstumsbedingungen einstellen und die Nützlinge auf ebenso natürliche Weise die Schädlinge in Schach halten. Um die Stoffkreisläufe zu schließen werden Landbau und Viehhaltung nicht getrennt, sondern intelligent miteinander vernetzt. Entstanden ist der Begriff in den 1970er-Jahren durch die beiden Australier Bill Mollison und David Holmgren. Heute werden auch der Mensch und seine sozialen Ansprüche berücksichtigt, so dass man eigentlich von "permanent culture" sprechen muss.
Permakultur ist kein fertiges Konzept, sondern ein "Design", also eine Planungsmethode oder ein Lebensstil. Der wichtigste Grundsatz: Mit der Natur statt gegen sie zu arbeiten. Das Ziel sind stabile, sich selbst regulierende und erhaltende Systeme. Damit dies erreicht werden kann, wird versucht, die Aktivitäten von Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt auf möglichst vielen Ebenen gegenseitig zu verflechten. Statt Maximieren heisst der Grundgedanke also Optimieren.
Eigentlich ist die Idee der Permakultur nicht neu. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Stoffkreisläufe auch in der Schweiz verhältnismässig klein, der Energieverbrauch niedrig. Lorenz Kunz erinnert sich, wie sein Vater das Futtergetreide zur Landi brachte und verarbeitet zurücknahm. Produziert wurde mit den lokal vorhandenen Ressourcen. Dann kam das billige Öl und damit Transporte über sehr weite Strecken. Lorenz Kunz: „Auch wir Bauern liessen uns in den letzten Jahrzehnten globalisieren. Die Abhängigkeiten stiegen, nicht nur, was die Ressourcen anbelangte, sondern auch finanziell.
Lorenz Kunz hat sich in den letzten sechs Jahren radikal von diesen Abhängigkeiten losgesagt. Statt Höchstmengen an Milch produziert er heute eine breite Palette an Produkten. Haupterwerbszweig ist die Kalbermast. Er hat absichtlich nicht auf Mutterkuhhaltung umgestellt. Denn so kann er jene Milch, die übrig bleibt, weiterverarbeiten, auf dem Hof verkaufen oder den Schweinen verfüttern. Alle seine Tiere werden von einem lokalen Metzger geschlachtet, das Fleisch verkauft er an regionale Läden oder gleich direkt ab Hof. Aus dem Obst produzieren er und seine Familie Trockenfrüchte und Most. Im Moment denkt er über eine Fischzucht in seinen beiden Weihern nach und auch eine Vergrösserung des Gemüsegartens ist geplant. Immer wieder kommen neue Ideen oder es öffnen sich unerwartet Türen, an die er noch gar nicht gedacht hat.
Die Diversifizierung geht für Lorenz Kunz auch finanziell auf. Dank der Umstellung hat er die Mechanisierung des Hofes reduziert, Maschinen und ein Silo verkauft und damit auch die Abhängigkeit von Fremdkapital verringert. Gleichzeitig sank der Ressourcenverbrauch, was ebenfalls Einsparungen brachte. Der Selbstversorgungsgrad stieg gleichzeitig an und die Einnahmen sind in etwa gleich geblieben. Es fragt sich, warum Lorenz Kunz unter den Bauer noch nicht mehr Nachahmer gefunden hat. Er ist zuversichtlich: "Die kommen!". Im Moment sei bei vielen der Druck noch zu klein. Auf der anderen Seite hätten schon jetzt viele Bauern das Messer am Hals und zögen Veränderungen in Betracht. Immer wieder wird er darum auch für Beratungen angefragt.
Beobachten - ausprobieren - Wissen sammeln
Anton Küchler hat sein Permakultur-Projekt vor fünf Jahren gestartet. Zusammen mit seiner Frau hat der ETH-Abgänger im Emmental einen Bauernhof auf gut 1000 Meter gekauft. Zusammen mit Freunden, Gästen und freiwilligen HelferInnen sind sie daran, den Hof und die ca. fünf Hektar Land zu einem Ort der Permakultur umzugestalten. Der Zeithorizont ist gross: Bis in zwanzig Jahren wollen sie so gut wie möglich autark leben. Gemüse und Kartoffeln soll es dann für sie und ihre Gäste nur noch aus dem Eigenanbau geben, ebenso das Futter für die Tiere. „Was hier gebraucht wird, soll möglichst auch hier produziert werden“. Wobei man im Moment nicht von einer vollständigen Autarkie ausgeht. „Für das haben wir hier oben Pasta viel zu gern“, meint Anton Küchler lachend.
Dennoch gibt es noch viel zu tun und viel zu lernen. Da im Moment alle BewohnerInnen noch ein Einkommen ausserhalb des Hofes haben, ist der ökonomische Druck relativ klein. Man kann daher den Balmeggberg durchaus auch als Experimentierlabor verstehen. Denn was der Permakultur heute fehlt – so Küchler – ist Anwendungswissen. In der konventionellen Landwirtschaft gibt es viele definierte Abläufe und Erfahrungswerte. Anton Küchler erklärt es so: „Wenn ein Landwirt Himbeeren anpflanzen will, dann kann er nachlesen, wie gross der Bedarf an Humus, Dünger oder Pflanzen pro Quadratmeter ist und mit welchem Ertrag er rechnen kann.“ So etwas müsse es für die Permakultur auch geben. Dann sei die Permakultur auch ein echter Beitrag zur Ernährungssicherheit.
Entscheidend für das Gelingen von Permakultur ist, dass die jeweiligen lokalen Gegebenheiten genau berücksichtig werden. Patentrezepte helfen da nicht weiter, Erfahrungsaustausch hingegen schon. Anton Küchler denkt zum Beispiel an seine Pilze. Das Emmental mit seinen steilen und oft schattigen Hängen ist in seien Augen ideal für die Pilzproduktion. In der schattigsten Ecke auf dem Balmeggberg hat er darum Holzstämme aufgestellt und mit verschiedenen Pilzsporen geimpft. Die Ernte im letzten Jahr lag noch bei bescheidenen 40 kg. Den Rest haben die Schnecken gefressen. Auch mit dem Mikroklima stimmt es noch nicht ganz, wahrscheinlich ist es immer noch zu trocken oder zu wenig schattig. Diese Parameter zu optimieren und diese Erfahrung dann anderen zur Verfügung stellen ist eine der anstehenden Arbeiten auf dem Balmeggberg.
Der Austausch unter den Permakultur-Betreibern ist gut und rege. So profitierte man auf dem Balmeggberg zum Beispiel vom Wissen anderer beim Bau des Hühnerstalls, der halb unter der Erde liegt. In diesem soll es im Sommer kühl und im Winter warm sein. Das Erdreich, das den Stall umgibt, wirkt als Isolation und hält die Temperatur konstant. Im Winter helfen die Hühner mit ihrer Körperwärme mit. Selbst im Winter gibt es nie Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Der unbeheizte Stall ist darum auch ein idealer Überwinterungsplatz für Pflanzen, die keinen Frost ertragen.
Dass man Kreisläufe auch innerhalb eines Betriebes schliessen kann, zeigt der Bau des Lehmofens. Der Ofen entstand auf der Abbaustelle des Lehms, der Kreislauf wurde so im kleinsten geschlossen. Der Kamin ist ausserdem so vorbereitet, dass er zum Räuchern benutzt werden kann. So könnten schon bald Versuche folgen, Mozzarella, Würste und Speck zu räuchern und auf traditionelle Art haltbar zu machen.
Für Anton Küchler ist die Permakultur eine pragmatische Idee. Weil es eine Methode ist und kein starres Konzept, ist es sehr offen auch für andere Ideen und Strömungen. Es bieten sich viele Möglichkeiten in allen Grössenordnungen. In der Stadt könne es im Kleinen vielleicht zur Bewusstseinsbildung für unsere Nahrungsgrundlagen beitragen, Landwirte können dank Permakultur hochwertige, lokale Nahrung produzieren. Unter Berücksichtigung der natürlichen Grundlagen und ohne diese auszunützen. Denn nur so sei unser Überleben langfristig zu sichern.
Kleine aber gut vernetzte Szene
Die Permakulturszene ist relativ klein aber gut vernetzt. Der Permakultur Verein Schweiz hat gut 130 Mitglieder. Weltweit gibt es in 25 Ländern ein Netz von weiteren Vereinen und Gruppierungen. In Verschiedenen Ländern gibt es eigene Ausbildungslehrgänge in so genannten Permakultur-Akademien. Weitere Informationen finden Sie unter folgenden Links:
Lorenz Kunz, Frohberg: www.permakulturhof.ch
Anton Küchler, Balmeggberg: www.balmeggberg.ch
Pascal Hänggi, Co-Präsident Permakulturverein:http://www.lashaia.ch/
Permakultur Akademie Deutschland:http://www.permakultur-akademie.net/front_content.php?idcat=1
Permakultur Infoplattform: http://permakultur-info.de/
Permakulturverein Deutschland:http://www.permakultur.de/
Permakultur Werkstatt:http://www.permakulturwerkstatt.net/
Permakultur im Alpenraum Österrreich:http://www.permakultur-akademie.com/
Permakulturgarten und Planungsbüro:http://www.vergessene-künste.de/
Christoph Baare
03.06.2010 16:50
Das Landinstitute ist ebenfalls intensiv dabei!
http://www.landinstitute.org/vnews/display.v/ART/2009/04/10/49da72594b6df
Mit sonnigen Gruessen
C. Baare