Klimawandel im Weinbau

von Hans-Peter Schmidt

Die Typizität des Terroirs wird sich gegen den Klimawandel nur verteidigen lassen, wenn artenvielfältige Begrünung, Wasserspeicherung und sparsame Bewässerung kombiniert werden. Teichlandschaften statt öde Trockenheit. Saftiges Gras statt nackter Erde. Noch lässt sich dem Klimawandel ein Paradies abgewinnen.

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Im Weinbau macht sich der Klimawandel bereits heute deutlich spürbar. Zwar sind die Jahresdurchschnittstemperaturen seit 1950 „nur“ um 0,9°C gestiegen, für den Winzer jedoch ist nicht das Jahresmittel entscheidend, sondern die Temperaturen in der Vegetationsphase der Rebe. Und von April bis Oktober haben sich die Durchschnittstemperaturen seit 1950 um fast 2° C erhöht.

Durch die höheren Temperaturen während der Vegetationsphase reifen die Reben immer früher. So hat sich der Reifebeginn allein in den letzten 20 Jahren um durchschnittlich 10 Tage nach vorn verschoben. In besonders warmen Jahren wie 2003 oder 2011 bedeutet dies, dass die Weinlese teilweise mehr als einen Monat eher stattfindet. Anstatt im Oktober wird immer häufiger schon Ende August geerntet. Für die Urlaubsplanung der Winzer ist das ein Geschenk, für die Weinqualität hingegen ganz und gar nicht. Denn für die Anreicherung der essentiellen Traubeninhaltsstoffe und den Erhalt der wichtigen Apfelsäure müssen in den letzten Wochen der Reife kühle Nachttemperaturen mit warmen Tagestemperaturen alternieren, was erst ab Ende September der Fall ist.

Durch gezieltes Begrünungsmanagement werden die Wasserspeicherfähigkeit, die Infiltrationsleistung, die Nährstoffmobilisierung und die Biodiversität verbessert. Photo: Patrick Rey, Mythopia

Auf die höheren Durchschnittstemperaturen lässt sich zum einen durch kulturelle Maßnahmen wie die Verringerung der Blattmasse, die Verschiebung der Traubenzone oder die Veränderung der Zeilenausrichtung und zum anderen durch das Anpflanzen neuer Traubensorten reagieren. So werden in den nördlicheren Weinbaugebieten bereits vermehrt südliche Rebsorten wie Merlot, Syrah oder Cabernet Sauvignon angepflanzt, während typische Rebsorten wie Pinot Noir, Müller Thurgau und auch Riesling immer öfter ihre Typizität verändern.

Wetterextreme gefährden das Terroir

Während sich auf die Temperaturerhöhung noch einigermaßen reagieren lässt und diese in einigen Weinanbaugebieten sogar von Vorteil sein kann, ist die mit dem Klimawandel einhergehende Veränderung der Niederschlagsverteilung bedeutend kritischer und in einigen Weinbaugebieten des Südens sogar existenzbedrohlich.

Durch die Erhöhung der Lufttemperatur verdunstet mehr Wasser sowohl des Bodens als auch der Oberflächengewässer, welches letztlich wieder als Regen niedergeht. Im globalen Durchschnitt kommt es durch die Klimaerwärmung also zu höheren Niederschlägen. Da die Atmosphäre durch die höhere Lufttemperatur aber auch mehr Wasser speichern kann, regnet es seltener, dafür dann aber jeweils mehr. Die jahreszeitliche und lokale Niederschlagsverteilung verändert sich. Es kommt öfter zu lang anhaltenden Trockenheiten und öfter zu extrem starken Niederschlägen, was beides für die Landwirtschaft im Allgemeinen und den Weinbau im Besonderen verhängnisvoll ist.

Ein flexibles Begrünungs- und Bewässerungsmanagement lässt wirkungsvoll auf Wetterextreme reagieren. Photo: Patrick Rey, Mythopia

Extrem starke Niederschläge führen gerade in den Hanglagen des Rebbaus zu Bodenerosion und Ausspülung essentieller Nährstoffe. Dem kann zwar durch ein geeignetes Begrünungssystem begegnet werden, doch führt die Begrünung bei einer nachfolgend extrem lang andauernden Trockenperiode wiederum zu fataler Konkurrenz für die Rebe. Um letzteres zu verhindern, muss ein ausreichend flexibles System des Schutzes vor extremen Niederschlägen und extremer Trockenheit entwickelt werden.

Weinqualität ist von der Wasserverfügbarkeit des Terroir abhängig

Obwohl die chemischen Kniffe der Kellermeister und Zauberlehrlinge die Weine immer ähnlicher machen, wurde der Begriff des Terroirs sogar bei konventionellen Weinen zum allgegenwärtigen Mode- und Marketingwort. Der entscheidende Faktor des Terroir jedoch ist weniger der kalte Stein und Staub, sondern die Wasserdynamik des Bodens. Der unterschiedliche Einfluss der Böden (Terroir) auf den Wein entsteht vor allem dadurch, wie die Böden das gespeicherte Wasser in den verschiedenen Wachstumsperioden der Rebe verfügbar halten.

Im Grunde gehört die Rebe zu den anspruchslosen Pflanzen. Als ursprüngliche Waldpflanze vermag sie sich gegen starke Konkurrenten ihre Nische zu bewahren. Sie wächst mit mehr oder weniger Wasser, mit mehr oder weniger Licht, mit mehr oder weniger Nährstoffen. Um aber die höchste Traubenqualität hervorzubringen, sind ganz besondere Bedingungen der Wasser- und damit zusammenhängend der Nährstoffversorgung notwendig.

Zum Austrieb im Frühjahr müssen die Wasservorräte im Boden gefüllt sein, nur so kann sich innerhalb von wenigen Wochen eine gesunde Laubwand entwickeln. Photo: Patrick Rey, Mythopia

So braucht die Rebe im Frühjahr angefüllte Wasserspeicher, um innerhalb von lediglich 6 Wochen ihre enorme Blatt- und Zweigmasse aufzubauen, wobei die Bodenfeuchtigkeit nicht zuletzt für die biologische Mobilisierung der Nährstoffe aus dem Oberbodenbereich dient. Ab Mitte bis Ende Juni braucht die Rebe dann trockene Verhältnisse, um ihr Blattwachstum weitestgehend abzuschließen und ihren Wasserbedarf vor allem aus dem nährstoffarmen Tiefenschichten des Bodens zu decken. Ist der Boden in dieser Zeit zu nass, wächst die Rebe immer weiter, bildet weitere Fruchttriebe aus, die Trauben schwellen an, der Saft wird wässrig, die Traubenhaut bleibt dünn, die Anfälligkeit gegenüber Schädlingen wächst.

Wird die Rebe in der Reifezeit ihrer Trauben jedoch unter moderaten Wasserstress gesetzt, bleiben die Trauben klein und ihr Saft konzentriert, die Traubenhaut wird dick und fest, die Inhaltsstoffe der Trauben werden komplexer und reicher.

Droht ein Verlust der großen Terroirs?

Auf den größten „Terroirs“ fallen die Hauptniederschläge traditionell im Winter und Frühjahr. Im Sommer hingegen kommt es meist nur zu seltenen Regenfällen und wenn doch, dann mit vergleichsweise geringen Niederschlagsmengen. Auf den großen Terroirs versorgen sich die Reben hauptsächlich aus den Winter und Frühjahrsreserven, die die lehmhaltigen und tiefgründigen Böden speichern. Ausnahmen sind Terroirs wie z.B. Bordeaux, wo es auch im Sommer häufiger regnet, die Böden aber nährstoffarm und sehr sandig sind, so dass die Sommerniederschläge rasch versickern.

Jedes Terroir hat eine typische Wasserhaltekapazität des Bodens und eine typische Niederschlagsverteilung, was beides zusammen den Weinen der jeweiligen Region ihre Typizität verleiht. Verändert sich durch den Klimawandel das Muster der saisonalen Regenfälle und regnet es im Sommer anstatt im Winter, geraten das Terroir und die Qualität der Weine in Gefahr. Als besondere Gefährdung kommt noch hinzu, dass sich künftig extrem trockene Jahre und extrem nasse Jahre abwechseln werden, was insbesondere in Südeuropa den Weinbau in manch traditionsreicher Region in Frage stellen wird.

Strategische Begrünung und dosierte Bewässerung

Um diesen Gefahren zu begegnen und flexibel auf Wetterextreme im Weinbau zu reagieren, braucht es eine neue strategische Kombination aus Begrünung, Humusaufbau und Bewässerung.

Nur in begrünten Weinbergen mit hohem Humusgehalt kann ein starker Regenfall so abgepuffert werden, dass es weder zu Erosion noch zu Stocknässe kommt. Durch einen hohen Humusgehalt wird Wasser wirkungsvoll zwischengespeichert. Durch die gute Durchwurzelung der Begrünung wird das Wasser rasch aus dem Oberbodenbereich abgeführt und in tieferen Bodenschichten gespeichert. Frei werdende Nährstoffe aus dem Oberboden werden schnell von der Begrünung aufgenommen, so dass eine schädliche Überversorgung der Reben verhindert werden kann.

Ein plötzlicher Wetterumschwung im Sommer kann die Weinqualität eines Jahrgangs ungünstig beeinflussen, wenn nicht durch geeignete Begrünung für einen Nährstoffpuffer gesorgt wird. Photo: Patrick Rey, Mythopia Traubenqualität

In langen Trockenphasen führt aber gerade die Begrünung zu Wasserkonkurrenz mit der Rebe. Bei ausreichenden Winterniederschlägen genügt dann meist das Walzen der Begrünung, womit der Wasserverbrauch durch die Begrünung gedrosselt und zugleich die Verdunstung von Bodenfeuchtigkeit stark vermindert wird. Bei lang anhaltender Winter- und Frühjahrstrockenheit müssen die entleerten Wasserreserven des Bodens jedoch durch Bewässerung aufgefüllt werden.

Bewässerung

Bis 2009 war nach den Delinat-Richtlinien die Bewässerung der Reben noch untersagt. Damals standen wir, so wie die Franzosen heute noch, auf dem Standpunkt, dass sich das Terroir am besten durch die natürliche Niederschlagsverteilung und die natürlichen Wasserstressfaktoren ausdrückt. Doch das vermehrte Ausbleiben der essentiellen Winter- und Frühjahrsniederschläge hat Delinat hier einen neuen Weg einschlagen lassen. Nach wie vor verboten ist die Bewässerung mit fossilem Grundwasser, und das wird auch in Zukunft so bleiben, denn der ungebremste Verbrauch von nicht erneuerbaren Wasserquellen ist ein noch übleres Verbrechen als das Verbrennen von fossilem Kohlenstoff. Auch wird überwacht, dass sich nicht durch Bewässerungsmaßnahmen der Grundwasserspiegel gefährlich absenkt und die Trinkwasserreserven gefährdet.

Beispiel für völlig verfehlte Bewässerung im Wallis. Bei Sprenklerbewässerung im Hochsommer verdunstet mehr als die Hälfte des Wassers bevor es den Boden erreicht. Bewässerung am Ende der Hauptvegatationsperiode ist für die Traubenqualität der schlechteste aller Momente. Und schließlich schafft es ideale Bedingungen für die Vermehrung von schädlichen Mehltaupilzen. Photo: Patrick Rey, Wallis

Die Katastrophen, die durch unsachgemäße Bewässerung verursacht werden, lassen sich sowohl aus der Kulturgeschichte der Menschheit als auch aus dem jüngsten Weltwasserbericht der UNO ablesen. Neben den negativen Beispielen können wir aus der Kulturgeschichte aber auch eine Reihe vorbildhafter Beispiele für den Umgang mit Wasser und Wasserspeicherung ablesen und zum Vorbild für das Wassermanagement im Weinbau nehmen.

Wie oben dargelegt, wird die durchschnittliche Menge der Niederschläge durch den Klimawandel eher zu- als abnehmen. Trockenstress wird also eher ein Problem der Wasserverteilung als ein Problem vorhandener Wassermengen sein. In den meisten Regionen Europas werden die Niederschläge zwar seltener und ungünstiger verteilt, dafür wird es aber insgesamt mehr regnen. Und das heißt, wir müssen wieder lernen, das Wasser aufzufangen und zu speichern, wenn es sinnflutartig niedergeht und nutzen, wenn das Land unter Trockenheit ächzt. Zudem müssen wir das Wasser so lange wie möglich in lokalen Kreisläufen halten, sprich Abwässer reinigen und wieder nutzen, anstatt zur Spülung von Abfällen in die Meere zu pumpen.

In vielen Weinbauregionen gibt es eine lange Tradition der Wasserrückhaltung und gezielten Bewässerung. Sei es im portugiesischen Alentejo, im spanischen Valencia oder in Navarra am Rande der Wüste La Bardenas, auf Sizilien oder auf dem griechischen Peloponnes. Da der Wein traditionell meist in Hanglagen angebaut wird, lässt sich Niederschlagswasser meist relativ einfach kanalisieren und in kleinen Talsperren oder Rückhaltebecken auffangen. Diese alten Anlagen zu rekonstruieren und neu zu bauen, erfordert erhebliche Investitionen, doch nur mit diesen wird sich der Weinbau in den traditionellen Weinanbaugebieten Europas in Zukunft erhalten lassen. Dass jedes naturnahe Wasserrückhaltebecken zugleich ein wertvolles Biotop darstellt und damit einen wichtigen Beitrag für den Erhalt der Biodiversität leistet, ist ein willkommener Nebennutzen. Ohne Retentionslandschaften und ausgeklügelte Systeme der Wasserrückhaltung wird im Jahre 2050 der Weinbau auf einigen der größten Terroirs ausgestorben sein.

Gott und die Natur machen aus Wasser Wein, doch die Menschen müssen dafür sorgen, dass die Reben zum rechten Zeitpunkt über genügend Wasser verfügen.

In den nächsten Monaten erscheint im Ithaka-Journal eine Artikelserie zum Thema Wasser im Weinbau. Die einzelnen Artikel widmen sich den Themen:

Wasserhaushalt der Rebe (1)
Methoden zur Bestimmung der Wasserversorgung (2)
Regulierung der Wasserversorgung und Qualitätsmanagment (3)
Wasserversorgung und Nährstoffhaushalt (4)
Anlage von Retentionslandschaften und Wasserrückhaltebecken (5)

Eine leicht modifizierte Version des Artikels erschien in der Delinat-Zeitschrift "Weinlese" 2/2012

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  • Seubert
    03.09.2012 13:33

    wir brauchen dringend Artikel zur falschen Bewässerung der Weinfelder auf Französisch

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