Pestizidbindung durch Aktivkohle

von Isabel Hilber

Hartnäckig und gesundheitsschädlich - Pestizide wie DDT sind in der Landwirtschaft leider keine Vergangenheit. Selbst Jahrzehnte später lassen sie sich noch in Ackerböden und Gemüse nachweisen. Dank des Einsatzes von Biokohle könnten sich die Schadstoffe effektiv und günstig binden lassen.

Das Wort kommt einem nur schwer über die Lippen, doch vermutlich hat jeder schon einmal Lebensmittel gegessen, die mit Organochlorpestiziden (OCP) belastet waren. In der Zeit von 1950 bis in die frühen siebziger Jahre wurden enorme Mengen dieser Insektizide gegen Schädlinge in der Landwirtschaft eingesetzt. Am bekanntesten ist das Mittel DDT, das nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch zur Bekämpfung von Malariaüberträgern wie Stechmücken oder Typhus übertragenden Läusen verwendet wurde. Andere OCP wie Dieldrin wurden in bestimmten Breitengraden gegen Termiten eingesetzt, damit die Holzfresser nicht ungehindert Wohnhäuser zerstören.

Die meisten OCP sind seit den siebziger Jahren verboten, DDT hingegen wird noch heute produziert und eingesetzt. Jahr für Jahr werden weltweit rund 5000 Tonnen produziert, allein Indien stellt über 4250 Tonnen[i] her. Trotz umfassender Aufklärungsmaßnahmen über die Gefahren von DDT steigt der Einsatz[ii] jährlich um weitere sechs Prozent.

OCP und deren Abbauprodukte sind äußerst hartnäckig, d.h. persistent, denn sie bleiben über Jahrzehnte hinweg im Boden gespeichert. Hinzu kommt, dass sie laut Untersuchungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) krebsfördernd und hormonaktiv sind, zudem verändern sie das Erbgut, beeinträchtigen das Immunsystem sowie die Fortpflanzung, reizen die Haut und können neurologische Effekte[iii] hervorrufen. Die UNEP erklärte die meisten OCP daher zu den persistenten, bioakkumulativen und toxischen Substanzen. Akute Vergiftungen kommen heutzutage zwar seltener vor, doch schon geringe Mengen führen zu den genannten Symptomen, wenn man diesen Stoffen über viele Jahre hinweg[iv] ausgesetzt ist.

Persistenz bedeutet konkret: Auch heute noch finden sich Rückstände von OCP in landwirtschaftlichen Böden. Die Konzentration der OCP beträgt zum Teil mehr als ein Milligramm pro Kilogramm Boden, wo sie vor allem von Pflanzen aus der Familie der Kürbisgewächse aufgenommen und akkumuliert werden. In den vergangenen Jahren registrierten Lebensmittelkontrollbehörden zunehmende OCP-Rückstände in Früchten aus dieser Pflanzenfamilie, zu der auch Gurken oder Zucchini gehören. Obwohl OCP-Rückstände in Böden die Gesundheit nicht akut bedrohen, sollte man unbedingt vermeiden, sich durch den Verzehr von belastetem Gemüse einem chronischen Kontakt mit diesen Pestiziden auszusetzen.

Da Organochlorpestizide im Boden nicht abgebaut werden, kann selbst Gemüse von Biobetrieben, die schon seit Jahrzehnten biologisch arbeiten, OCP-Belastungen aufweisen. Da die Geschichte der Felder sowohl im konventionellen als auch im Biolandbau nach einigen Jahrzehnten in Vergessenheit gerät, wissen die Produzenten meist nicht, ob die Felder, auf dem sie Kürbisgewächse anpflanzen, belastet sind.

Um herauszufinden, wie stark die Schweizer Gemüseböden mit OCP belastet sind, wurden in den Jahren 2002 und 2005 umfassende Felderhebungen bei den größten Schweizer Gemüseproduzenten durchgeführt. Dabei untersuchte man auch Kürbisfrüchte auf OCP-Rückstände. Die Ergebnisse waren ernüchternd:

Siebenundzwanzig von 41 Feldern (65.9%) waren mit OCP belastet, das Produktionssystem (bio oder konventionell) hatte keinen Einfluss auf die Bodenbelastung. Die Summe aller OCP pro Feld lag zwischen <0.01 und 1.3 mg/kg Boden. Fünf Gurkenproben aus 27 verschmutzten Feldern waren belastet. Auch wenn die Anzahl belasteter Gurkenproben eher gering scheint, besteht Grund zu ernsthafter Sorge, denn über die OCP-Aufnahmemechanismen der Pflanzen ist nichts bekannt. Wie hoch das tatsächliche Risiko einer Kontamination ist, lässt sich daher nicht abschätzen.

kurbisfeld-kl1Zur Lösung des Problems stellten wir uns die Frage: Wie können Pestizide im Boden so gebunden werden, dass sie nicht mehr für die Pflanzen verfügbar sind? Dazu führten wir Aktivkohleexperimente mit von Dieldrin verseuchten Böden durch. Die vergifteten Bodenproben wurden mit Aktivkohlepulver (1g/kg) vermischt und sodann mit Salatgurken bepflanzt. Im Vergleich zum Kontrollboden konnte dadurch die Dieldrinkonzentration in den reifen Gurkenfrüchten um bis zu 66% reduziert werden. Die Makro- (N, P, K, Ca, Mg) und Mikronährstoffe (Cu, Zn, B, Mn, Mo) in Blättern und Früchten der Gurkenpflanzen wurden ebenfalls während des Wachstums gemessen. Würde die Aktivkohle nämlich Nährstoffe binden, so wäre diese Möglichkeit der Bodensanierung für die Praxis ungeeignet. Ein solcher Effekt wurde allerdings weder für die Nährstoffverfügbarkeit noch für den Ernteertrag beobachtet. Einige wichtige Vorbedingungen für die erfolgreiche Anwendung von Aktivkohle zur Bindung von OCP im Boden sind damit erfüllt.

In den kommenden Jahren werden weitere Experimente mit dieser viel versprechenden Methode folgen. So soll die Effektivität der Bindung erhöht werden, um eine Pestizidbelastung in Kürbisfrüchten künftig zu vermeiden. Dazu muss man die Menge der Aktivkohle erhöhen und zugleich ausschließen, dass die Bodenqualität und die Ernte beeinträchtigt werden. Für diese Zwecke scheint die Anwendung von Biokohle überaus sinnvoll. Mit der äußerst kostengünstigen Biokohle, die sich für Böden von Biobetrieben wahrscheinlich problemlos verwenden ließe, würden einerseits die Pestizidrückstände nachhaltig gebunden, andererseits könnte man durch das Sequestrieren des Kohlenstoffs zudem Klimafarming betreiben. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe - oder vielleicht noch viel mehr?

[Isabel Hilber ist Forscherin am Agroscope Reckenholz Tänikon (ART)  und arbeitet zur Zeit an einem Forschungsprojekt zur Pestizidbindung durch Biokohle in Pakistan. Die im Artikel resümierte Dissertationsarbeit wurde vom FIBL betreut. Die Felderhebungen von Gabriela Wyss und Team durchgeführt.]

[i] Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants. Global status of DDT and its alternatives for use in vector control to prevent disease; 23 October 2008.

[ii] PAN-Germany, 12/2008

[iii] Ritter, L.; Solomon, K. R.; Forget, J.; Stemeroff, M.; O'Leary, C. Persistant Organic Pollutants; An Assessment Report on: DDT, Aldrin, Dieldrin, Endrin, Chlordane, Heptachlor, Hexachlorobenzene, Mirex, Toxaphene, polychlorinated Biphenyls, Dioxins, and Furans; The International Programme on Chemical Safety (IPCS) within the framework of the Inter-Organization Programme for the Sound Management of Chemicals (IOMC): 1995; p 43.

[iv] Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo). In 814.12, VBBo, 1998; pp 1-12.

  • Breu Elisabeth
    15.02.2009 12:20

    Danke, dass sie diesen Artikel so an die Oeffentlichkeit bringen. Durch meinen Vater erlebte ich schon in meiner Jugendzeit, als noch Niemand darüber berichtete, dass dieses Mittel uns noch einmal Sorge bereiten würde. Doch für Vieles ist es leider zu spät....

    Elisabeth Breu

  • huff
    22.02.2009 20:21

    Ich habe das Gefühl, dass Sie vor nichts zurückscheuen um mit der Angst der Konsumenten Ihr Geschäft zu machen! Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die Menschen trotz des Verzehrs des vielen Giftes in der Nahrung älter werden?

    • hps
      22.02.2009 20:45

      Sehr geehrte Frau Huff, wir handeln ja eigentlich nicht mit Kürbissen und schüren eigentlich auch keine Ängste, sondern suchen Lösungen für allgegenwärtige Probleme, sei es durch den Einsatz von Biokohle, sei es durch Strategien der Biodiversifizierung, sei es durch pflanzlichen Pflanzenschutz oder durch Gründüngung statt Mineraldüngung. Dass die durchschnittliche Lebenserwartung bisher noch gewachsen ist, nützt weder dem an Parkinson erkrankten Winzer noch den Wallisern, deren Krebsrate weit über dem Durchschnitt liegt. Wie wir u.a. <a href="http://www.ithaka-journal.net/tod-aus-dem-weinberg" rel="nofollow">hier</a> dargelegt haben, halten wir übrigens die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Pestizidrückstände in konventionellen Weinen dezidiert für weit weniger bedenklich, als die Auswirkung der Pestizide auf die Ökosysteme und die Biodiversität. Schüren wir mit solchen Aussagen Angst? - Hans-Peter Schmidt

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