Gefahren der Wunderwaffe - Biokohle in der Kritik
von Hans-Peter Schmidt
Überall auf der Welt wird fieberhaft geforscht, wie sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre reduzieren lässt, ohne dabei Abstriche am täglichen Komfort der Konsumgesellschaft hinnehmen zu müssen. An Ansätzen und Vorschlägen mangelt es nicht. Sogar in der Politik geistert das Einmaleins des Klimawandels durch die Köpfe, und man plant, weil die Wirtschaftskrise das Jonglieren mit Milliarden ohnehin zur Gewohnheit macht, inzwischen mit Karbonsenken im großen Stil. So beschloss die deutsche Bundesregierung gerade ein Gesetz, um die unterirdische Lagerung von CO2 zu regeln, wobei es vor allem um das Abscheiden von CO2 aus Braunkohlekraftwerken geht. Fossile Brennstoffe sollen dadurch „umweltverträglich" bzw. klimaneutral gemacht werden. Für manche Politiker gelten unsere Böden und alles Unterirdische noch immer als Ort des Fegefeuers, das heißer als jede Müllverbrennung jedweden Abfall unschädlich macht. Atommüll, CO2, Schwermetalle: je tiefer, desto sorglos.
Als Alternative zu fossilen Energieträgern werden seit einiger Zeit verstärkt die Potentiale von Biomasse erforscht. Unter den zahlreichen Ansätzen, nachwachsende Rohstoffe zur Energiegewinnung zu nutzen, erscheint die Erzeugung von Biokohle aus ökologischer Sicht besonders attraktiv. Die durch Pyrolyse hergestellte Biokohle speichert bis zu 40% des Kohlenstoffes der pflanzlichen Zellen und produziert zudem nutzbare Energie. Die Karbonbilanz der Biokohle ist positiv, solange es sich bei den pyrolysierten Pflanzenstoffen um Restprodukte wie Trester, Grünschnitt oder Landwirtschaftsabfälle handelt, da diese ansonsten dem natürlichen Verrottungsprozess unterliegen und fast vollständig zu CO2 und Methan umgewandelt werden. Wird die Biomasse jedoch durch intensive Landwirtschaft mittels schnell wachsender Bäume und anderer Energiepflanzen hergestellt, kippt die ökologische Bilanz schnell wieder ins Negative. Die Biodiversität würde durch neue Monokulturen leiden, die Böden durch Überdüngung und Pestizide weiter verarmen, die Lebensmittelproduktion sinken.
Diese Gefahr ist durchaus real. Sollte auf der Kopenhagener Klimakonferenz Ende 2009 beschlossen werden, dass mit der Versenkung von Biokohle CO2-Zertifikate generiert werden können, würde die Herstellung von Biokohle so lukrativ, dass überall auf der Welt - von Afrika über Südamerika bis in die russische Taiga - weitere Wälder abgeholzt und durch schnell wachsende Monokulturen ersetzt würden. Die Folgen für das gesamte Biosystem wären katastrophal.
Aber muss aufgrund dieser Gefahr das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und das ganze Konzept der Biokohle verworfen werden? Das Problem ist nicht die Biokohle, denn Biokohle stellt tatsächlich die wirksamste Möglichkeit dar, CO2 aus der Atmosphäre langfristig zu speichern. Alle bisherigen Versuche haben eindrücklich gezeigt, dass sich durch Biokohle zudem die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig verbessern lässt (siehe hier und hier) und Biokohle auch als Schadstofffilter in Pestizid verseuchten Böden wirksam ist (siehe hier). Sollte man sich trotz dieser weltweit durchgeführten Versuche fürchten, Biokohle als Bodenverbesserer in landwirtschaftliche Nutzflächen einzutragen, so kann die Biokohle noch immer in alten Bergwerksstollen eingelagert werden, wo sie tausende Jahre stabil den Platz der verbrauchten fossilen Brennstoffe einnähme. Dies wäre noch immer billiger und vor allem gefahrloser als die Abspaltung, Verflüssigung, Verdichtung und unterirdische Speicherung des Kohlendioxids traditioneller Kraftwerke.
Biokohle kann, das hat die Forschung inzwischen hinreichend bewiesen, einen wesentlichen Beitrag zur Klimaschonung leisten, doch ist es irrig zu glauben, sie könne als Wundermittel alle Klimasünden der Menschheit abgelten. Wir Menschen reißen das Biosystem der Erde an allen Ecken und Enden aus dem Gleichgewicht, sei es durch Plastik- oder Atommüll, sei es durch Hormone in den Abwässern oder die Überdüngung der Böden, sei es durch Lärm oder elektromagnetische Wellen. Dies zu ändern, würde eine komplette Umstellung der Lebensart bedeuten. Die Erfindung eines „Wundermittels" - sei es Biokohle, Solarenergie oder Kernfusion - würde an der Notwendigkeit eines tief greifenden Wandels unserer Lebensart nichts ändern, sondern höchstens die Katastrophe etwas aufschieben.
Dass die Debatte um die Nutzung von Biokohle (lesen Sie hier unsere Zusammenfassung der Debatte) aufbrodelt, noch bevor überhaupt 10.000 t Biokohle in landwirschaftlich genutzte Böden eingearbeitet wurden, hat ihre gute Seite. Den Einsatz von Biokohle wird es nicht aufhalten, aber vielleicht rechtzeitig vor den Gefahren warnen, die aus unausgereiften Richtlinien und Anrechnungsverfahren von Biomassegewinnung und Klimazertifikaten erwachsen können.
Die Anerkennung von CO2-Zertifikaten aus der Nutzung von Energiepflanzen muss an die Einhaltung strenger Richtlinien nachhaltiger Landwirtschaft gebunden werden: Verbot von Pestiziden, synthetischen Düngern und genveränderten Pflanzen. Werden jene Flächen, die zur Produktion von Energiepflanzen genutzt werden, zudem unter strikte Direktiven zur Förderung der Biodiversität gestellt, womit sie quasi den Status von ökologischen Ausgleichsflächen gewännen, wären wir dem, was wir Klimafarming nennen, mehrere Schritte näher gekommen. Würden jene Flächen nicht als abgetrennte Monokulturen, sondern in Form von Büschen, Blumenweiden und Bäumen als Korridore zwischen den Kulturen wachsen, würden sogar die Biodiversität und das ökologische System überhaupt davon profitieren.
Progressive ökologische Regulierungen dieser Art, die dem gesunden Menschenverstand eigentlich so nahe liegen sollten, können zwar nicht verhindern, dass Biokohle und Bioethanol auch aus Produkten intensiver Landwirtschaft gewonnen werden, aber wenn wenigstens die lukrativen Klimazertifikate an die Einhaltung solcher Gesetze gebunden werden, könnte ein intelligentes Werkzeug zu nachhaltiger Ökologisierung daraus entstehen.
Das Paradies braucht, um zu existieren, nur Vorstellungskraft. Die Realität freilich ist schwieriger.
Siehe auch unseren parallel erschienenen Artikel:
Die Biokohle Debatte
Heiko Buresch
12.04.2009 06:32
Mit der sogenannten Biokohle wird man aus meiner Sicht, die Umwelt nicht schützen. Auch wenn ich persönlich kein Ökofreak bin, so trägt diese legale Aktion nur zu noch mehr unkontrollierbarer Umweltverschmutzung bei, von den möglichen Folgen ganz zu schweigen.
Bleibt also wieder nur die Frage, wann uns diese Seifenblase um die Ohren pfeift !
XAR61
ulrich Riemann
14.04.2009 08:45
Es ist wahr, die vielen urplötzlich auftauchenden win-win-win-win Darstellungen von "Biochar" machen hochgradig misstrauisch. Dies ist allerdings vor allem darauf zurückzuführen, dass die allermeisten der Autoren sich innerhalb von Minuten vom Nichtswisser zum Superexperten entwickelt haben. Leider allerdings ohne irgendeinen nachhaltigen Wissenszuwachs.
Ich frage mich immer wieder, wann denn endlich jemand herausfindet, dass keineswegs nur die Bewohner des Amazonasbeckens vor vielen hundert Jahren von den faszinierenden Effekten der Holzkohle im Ackerboden wussten. Jedem Farmer in Afrika ist die Methode wohlbekannt, und er weiss auch, dass man die Kohle mit lebender Biomasse vermischen muss, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen. Tatsächlich liegt hier wirklich der Stein der Weisen vor unseren Augen, um endlich Nachhaltigkeit in die Landwirtschaft dieses Kontinents zu bringen, der die einzig reale Basis für die zukünftige Lebensmittelversorgung der Welt darstellt.
Biochar, produziert auf die richtige Weise, wie der Autor zu recht fordert, ist in der Lage, in Kombination mit neuen Techniken der Nachhaltigkeit und dem verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen, die von Kofi Annan seit Jahren geforderte "Green Revolution in Africa" Wirklichkeit werden zu lassen.
Dies hat zunächst garnichts zu tun mit der Begrenzung der Klimakatastrophe, mögliche Carbon Credits in der Nach-Kyoto-Ära stellen allerdings einen hochwillkommenen Turboeffekt dar, unschätzbare Entwicklungsmöglichkeiten für den afrikanischen Kontinent zu realisieren. Biochar in tropischen Böden hat einen vielfach grösseren Effekt als in der humusreichen nördlichen Hemisphäre. Dies sollten zukünftige politische Rahmenbedingungen mit berücksichtigen.
Man kann tatsächlich kein vernünftiges Gegenargument finden, Biochar so schnell wie möglich zum zentralen Element der globalen Entwicklungspolitik zu machen. Wo liegt dann die wirkliche Gefahr? Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass diese "neue" Technik erneut einigen wenigen Agrarsuperkonzernen in die Hände fällt. Diese Herrschaften haben es leider noch immer geschafft, mit oft perfiden Methoden gute Entwicklungen für ihre eigene Gewinnmaximierung zu missbrauchen.
Thomas Gutmann
09.06.2009 09:24
Ich bin zwar weder ein selbsternannter noch sonst ein Experte für Biokohle. doch auch ich glaube, dass der Einsatz von biokohle für die Bodenverbesserung ein wichtiges Werkzeug sein kann, um Klimaschutz zu betreiben. Dass der Kohlenstoff, der dadurch im Boden bleibt und nicht in die Atmosphäre gelangt, der wesentliche Faktor ist, das halte ich für Schwachsinn. Mein Bauchgefühl sagt mir, wenn wir das bilanzmässig durchrechnen, hätten wir Probleme irgendwoher die nötigen Mengen Biokohle herzukriegen - vielleicht hat allerdings bereits jemand diese Bilanz gemacht und belehrt mich eines besseren.
Die Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit (oder vermutlich eher deren Wiederherstellung) wäre indessen in vielen Teilen der Welt ein wichtiger Beitrag für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Worin der Sinn liegen soll, Biokohle unteriridisch einzulagern, während wir weiterhin Kohle ausgraben und verbrennen, ist mir ein Rätsel...
Ausser wir kommen an den Punkt, wo wir sagenkönnen: Wir verbrauchen so wenig Energie, dass wir anfangen können, der Erde die fossilen Brennstoffe zurückzugeben, die wir innert weniger Jahrzente für unseren Energiewahnsinn verheizt haben - aber das ist wohl noch ziemlich utopisch.
Wie wir dafür sorgen können, dass mit "carbon credits" nicht einfach Schindluder getrieben wird, ist leider ein ganz anderes Thema. Dafür braucht es einen Bewusstseinswandel und nicht zusätzliche wirtschaftliche Investitionsmaschinerien.