Landwirtschaft kann Klima retten

von Hans-Peter Schmidt & Steffen Klatt

Die Landwirtschaft ist heute einer der grössten Klimasünder. Doch richtig eingesetzt, kann sie Kohlendioxid aus der Luft holen und so das Klima retten. Der Übergang zu einer klimaneutralen und klimaschützenden Landwirtschaft wäre besonders im Obst- und Weinbau schnell zu erreichen.

Steffen Klatt: Das Delinat-Institut setzt sich für eine klimapositive Landwirtschaft ein. Was bedeutet klimapositiv?

Hans-Peter Schmidt: Die Pflanzen entziehen der Atmosphäre Kohlendioxid und bauen die Kohlenstoffmoleküle in ihr Zellgewebe ein. Dadurch nehmen sie aktiv am Kohlenstoff-Kreislauf teil. Richtet man die landwirtschaftlichen Prozesse nun so ein, dass der aus der Luft „geerntete“ Kohlenstoff in der Biomasse und im Boden eingelagert wird, betreibt man aktive Klima-Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist übrigens der einzige Industriezweig, der gezielt Kohlendioxid aus der Atmosphäre entziehen kann. Alle anderen Umwelttechnologien können höchstens den Kohlendioxidausstoss vermindern.

Steffen Klatt: Steht das sogenannte Klimafarming nicht im Widerspruch zur wichtigsten Aufgabe der Landwirtschaft, uns mit Lebensmitteln zu versorgen?

Hans-Peter Schmidt: Nein. Im Gegenteil. Denn je mehr Kohlenstoff im Boden eingespeichert ist, desto fruchtbarer kann der Boden werden. Durch den höheren Kohlenstoff-Gehalt im Boden wird die gesamte Aktivität des landwirtschaftlichen Systems gestärkt.

Winterstimmung auf den Weinbergen des Delinat-Instituts
Winterstimmung auf den Weinbergen des Delinat-Instituts

Steffen Klatt: Warum beschäftigt sich das Delinat-Institut mit einem Kreislauf, der von Natur aus funktioniert?

Hans-Peter Schmidt: Die landwirtschaftliche Praxis der letzten Jahrhunderte führte dazu, dass wir sehr viel Kohlenstoff aus den Böden verloren haben. Der Humus, der den Kohlenstoff speichert, kann durch nackte Böden und zu häufiges Pflügen verloren gehen.

Steffen Klatt: Wie das?

Hans-Peter Schmidt: Wenn zum Beispiel im Getreideanbau nach der Ernte der Boden über den ganzen Winter unbewachsen bleibt, ist der Boden nicht mehr geschützt. Der Humus wird durch Erosion weggetragen, ausgespült und oxydiert. Aller Humus, der verloren geht, geht im Grunde als CO2 in die Luft zurück.

Steffen Klatt: Konkurrenziert der Anbau von Pflanzen für die CO2-Speicherung nicht die Nahrungsmittelproduktion?

Hans-Peter Schmidt: Im Grunde unterstützt es die Nahrungsmittelproduktion. Denn wenn man zum Beispiel beim Getreideanbau direkt nach der Ernte den Boden wieder begrünt, ist der Boden zum einen nicht ungeschützt und zum anderen wird Humus aufgebaut. Im Grunde funktioniert die Gründüngung wie eine Solaranlage. Sie nimmt Sonnenergie auf, entzieht der Luft CO2 und speichert die Energie in Form von Kohlenstoff im Boden. Diese Energie steht dann wiederum für neues Pflanzenwachstum zur Verfügung. So spart man Düngemittel für die nächste Saat und hat gleichzeitig aktives Klimafarming betrieben.

Steffen Klatt: Warum sollte ein Landwirt das machen? Dafür wird er ja nicht bezahlt.

Hans-Peter Schmidt: Mit Klimafarming sorgt man für fruchtbares Land. Deswegen ist es für den Landwirt ohnehin von Vorteil, da er weniger Kosten und Arbeitszeit für Düngung und Pflanzenschutz einsetzen muss. Zum anderen ist allein die Landwirtschaft in der Lage, das Kohlendioxid aus der Luft zu holen und dauerhaft zu binden. Deswegen sollte auch die Gesellschaft durch finanzielle Anreize die Rahmenbedingungen für klimapositive Landwirtschaft setzen.

Steffen Klatt: Was schlägt das Delinat-Institut vor, damit die Schweizer Landwirtschaft gezielt Kohlendioxid bindet?

Hans-Peter Schmidt: Wir haben in der Schweiz ein hervorragendes Instrument. Das sind die Direktzahlungen, über die sich die Gesellschaft ohnehin schon an der Landwirtschaft beteiligt. Damit lässt sich auch die landwirtschaftliche Entwicklung steuern. Es könnte zum Beispiel veranlasst werden, dass nur Landwirte, die das ganze Jahr das Land bewachsen halten und damit Humus aufbauen, die Direktzahlungen erhalten.

Steffen Klatt: Schadet der zusätzliche Auftrag an die Landwirtschaft nicht der Biodiversität?

Biodiversität und Klimafarming im Weinbau
Biodiversität und Klimafarming im Weinbau: Sekundärkulturen fördern nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Wirtschaftlichkeit und Klimabilanz von Weingütern

Hans-Peter Schmidt: Wie bereits erwähnt, wird durch die Methoden des Klimafarmings der Boden fruchtbarer. Dies ist nicht nur ein Vorteil für den Landwirt, sondern auch für die Biodiversität. Denn der Kohlenstoff im Boden lässt sich nur biologisch binden, was wiederum die Biodiversität im Boden nachhaltig fördert. Durch die dauerhafte Begrünung werden zudem Lebensräume für Insekten geschaffen. Zum Konzept des Klimafarmings gehört des Weiteren das Aufbrechen der Monokulturen durch Pflanzung von Hecken und Baumreihen, wodurch das gesamte Ökosystem stabilisiert wird. Und schlussendlich ist durch die Einsparung von mineralischen Düngemitteln und Pestiziden ein Anwachsen von Biodiversität zu erwarten. Im Grunde genommen geht es beim Klimafarming um eine nachhaltige Landwirtschaft, die die Mechanismen einsetzt, die in der Natur bereits vorhanden sind.

Steffen Klatt: Heute ist die Landwirtschaft einer der grössten Klimasünder, noch vor dem Verkehr. Warum?

Hans-Peter Schmidt: Neben dem Abbau von Humus liegt dies vor allem an einer ungeeigneten Düngepraxis. So entsteht beim Einsatz stickstoffhaltiger Mineraldünger das so genannte Lachgas. Dieses Gas ist 300 Mal schädlicher für das Klima als CO2. Deswegen empfehlen wir im Zusammenhang mit Klimafarming auch bioaktive Düngung.

Steffen Klatt: Wie lange braucht es, um auf eine klimapositive Landwirtschaft umzustellen?

Hans-Peter Schmidt: Das ist abhängig von der Anbau-Kultur. Beim Obst- und Weinanbau kann man das innerhalb von wenigen Jahren schaffen. Durch eine geeignete Begrünung auf Basis von Leguminosen können im Wein- und Obstbau 4 Tonnen Kohlendioxid pro Hektar und Jahr im Boden gespeichert werden. Zudem wird dadurch die gesamte Nährstoffversorgung der Bäume und Reben abgedeckt, so dass klimaschädliche Düngemittel eingespart werden. Schwieriger ist es bei Feldkulturen, weil hier eine extreme Spezialisierung auf hohe Erträge stattgefunden hat und das gesamte Anbausystem neu durchdacht werden muß.

Steffen Klatt: Delinat ist ein Weinhändler. Warum hat Delinat nun ein eigenes Institut und beschäftigt sich mit klimaneutraler Landwirtschaft?

Hans-Peter Schmidt: Das Delinat-Institut ist ein unabhängiges Institut, dass von Delinat gestiftet wurde. Es widmet sich der wissenschaftlichen Entwicklung ökologisch ganzheitlicher Strategien für eine ökonomisch tragfähige, klimaneutrale Landwirtschaft mit hoher Biodiversität. Unser Ziel ist es, dass die Weinberge, die Delinat beliefern, bis 2015 klimaneutral wirtschaften und eine so hohe Biodiversität innerhalb der Weinberge erreichen, dass die landwirtschaftliche Fläche selbst zur ökologischen Ausgleichsfläche wird.

Nachwort zum Interview

Wir haben in dem Interview absichtlich nicht über Biokohle gesprochen. Biokohle kann zwar die Wirksamkeit des Klimafarmings beschleunigen, wahrscheinlich sogar entscheidend beschleunigen, doch das Wichtigste für die Wirksamkeit der Methode ist eine nachhaltigen Humuswirtschaft mit hoher Biodiversität. Der alleinige Einsatz von Biokohle könnte dies nie ersetzen.

Die Umwelttechnik – oder Greentech, wie sie auch genannt wird – hat ein viel höheres Appeal als die Landwirtschaft, um in den Medien (und an der Börse) die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen. Denn sobald es sich um Hochtechnologie handelt, verlässt die Umweltbewegung die ideologisch eingefahrenen Schneisen und begeistert ganz neue, größere Interessengruppen. Mit Hightech wird der Umweltschutz salonfähig, worin die große Chance und die Hoffnung für das nächste Jahrzehnt liegen. Es darf darüber allerdings nicht vergessen werden, dass der eigentliche Schutz unserer Lebensräume in der Natur selbst stattfinden muss und nicht ausschließlich in den Büros, Laboratorien und Fabriken.

Dank den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft gelingt es uns, die natürlichen Zusammenhänge von Ökosystemen immer besser zu verstehen und produktiv zu lenken. Nur durch die intelligente Nutzung der komplexen Prinzipien der Natur werden wir die Natur und dadurch uns selbst retten und versorgen können. Es gibt keine Solaranlage, die effizienter als eine Pflanze arbeitet. Verschaffen wir also den Pflanzen die Bedingungen, damit sie unsere Lebensgrundlagen nachhaltig sichern.

Die Natur ist nicht nur ein romantisches Rückzugsgebiet vom Alltag, sondern die faszinierende Basis für das menschliche Wohlergehen. Einzig die Natur besitzt die Kraft, sich selbst zu erhalten. Und nur wenn wir die Natur verstehen und verstehend nutzen, können wir auch unsere Zukunft lenken. Es liegt in unser aller Verantwortung und damit auch in der Verantwortung der Medien, die Begeisterung und das Verständnis für die natürlichen Prozesse unserer Umwelt neu zu wecken. Mögen wir der Gefahr entgehen, dass die Zukunft nur umwelttechnisch clean wird, wir uns aber ansonsten in jene Einfalt zurückziehen, uns von der biologischen Vielfalt der Natur zu lösen.

In diesem Sinne danken wir dem Forum www.nachhaltigkeit.org für die mediale Weitsichtigkeit, das Gesamtkonzept Klimafarming gleichberechtigt neben den Greentech-Bereich zu stellen.

  • Uwe Kretschmann
    08.02.2010 09:01

    Vielen Dank für den schönen Artikel!
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass kaum ein Landwirt oder Gärtner sich seiner Verantwortung gegenüber dem Klimawandel bewußt ist. Ebenso ahnt er auch nichts von seinen Möglichkeiten, nämlich Pflanzen wachsen zu lassen, Reststoffe zu sichern und vor allem Humus aufzubauen, um möglichst dauerhaft Kohlenstoff zu binden. Eine humusförderne Bodenbearbeitung sowie eine an die Boden- und Pflanzenbedürfnisse angepasste Düngepraxis erscheint mir ökologisch wie ökonomisch sinnvoll, da die natürlichen Aufbau- und Speicherprozesse im Boden angeregt werden. Der Bodennutzer kann so Geld und Zeit einsparen. Was die Natur selbst erledigen kann, können sich Landwirt und Gärtner doch gerne sparen. Der Einsatz von Biokohle, um Humusaufbau zu beschleunigen, wird sich vorerst wohl auf ausgewählte Flächen beschränken müssen, da hier erst die dazughörige Technologie bemerkt, akzeptiert und verbreitet werden muss.

  • Gerald Dunst
    18.02.2010 08:13

    In der Ökoregion Kaindorf (Österreich) wurde ein System zum effizienten Humusaufbau in Ackerböden entwickelt. Gleichzeitig wurde ein System für den regionalen Zertifikathandel aufgebaut, wodurch Humusaufbau nun auch vollständig finanziert werden kann. Im ersten Schritt haben sich nach dem Humusfachtag am 13.Jänner 2010 sponten 50 Bauern mit rund 100 ha entschlossen, hier mitzumachen - und das ist erst der Anfang!
    Finanziert werden diese regionalen "CO2-Zertifikate" von verantwortungsvollen Firmen aus der Region, die sich freiwillig nach voller Ausschöpfung aller CO2-Vermeidungsmaßnahmen für eine Kompensation der Restmenge entscheiden. Wir sind überzeugt, dass sich dieser Initiative noch viele Firmen und Landwirte anschließen werden!

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