Richtlinien für den Einsatz von Pflanzenkohle im biologischen Anbau
von Biochar Science Network
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Einleitung
Pflanzenkohle ist der Begriff für pyrolytisch hergestellte Kohle, die ökologisch nachhaltig als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Pflanzenkohlen, die den vorliegenden Minimalstandards für den landwirtschaftlichen Einsatz nicht genügen, werden als Pyrokohle bezeichnet.
Pyrokohle ist der Überbegriff für sämtliche mittels Biomasse-Pyrolyse hergestellte Kohlen. Als Biomasse–Pyrolyse gilt hierbei die thermochemische Zersetzung organischer Stoffe unter Sauerstoffabschluss und bei Temperaturen zwischen 350 und 900 °C. Torrefaktion, Hydrothermale Karbonisierung und Verkokung sind weitere Verkohlungsprozesse, deren Endprodukte jedoch nicht als Pyrokohle bezeichnet werden.
Pflanzenkohlen sind folglich spezielle Pyrokohlen, die durch zusätzliche ökologisch nachhaltige Produktions-, Qualitäts- und Einsatzbedingungen charakterisiert sind. Folgende Kriterien bezüglich der eingesetzten Biomasse, der Pyrolysetechnik, den Eigenschaften der Pflanzenkohle und der Ausbringung der Pflanzenkohle müssen erfüllt werden:
A. Eingesetzte Biomasse
1. Reine organische Reststoffe ohne relevant toxische Belastungen durch Schwermetalle, Farbreste, Lösungsmittel usw. Die saubere Trennung von nichtorganischen Abfällen wie Plaste, Gummi, Elektronikschrott etc. muss gewährleistet sein. [Im Anhang wird eine Positivliste mit verwendbaren Biomassen erstellt: Grünschnitt, Borke, Sägespäne, Gärreste, organische Hausabfälle, Fäkalien, Mist, Lebensmittelreste …
]2.
Land- und forstwirtschaftliche Reststoffe wie Getreidespelz, Fruchtschalen, Fruchtkerne, Trester, Borke etc. [Positivliste]
3. Landwirtschaftliche Primärpodukte aus dem Anbau von Energiepflanzen, die ohne synthetische Pestizide, Herbizide, Mineraldünger und genetisch modifiziertes Saatgut erzeugt sind. Die Produktion von Biomasse für Kohlenstoffsequestrieung und Energieherstellung hat so zu erfolgen, dass die Biodiversität und Stabilität des landwirtschaftlichen Ökosystems gewährleistet bleibt.
4. Maximal 15% der landwirtschaftlichen Nutzfläche einer Region darf zur Biomasseproduktion genutzt werden. Methoden der Ackerforstwirtschaft und Mischkultivierung werden bevorzugt [Die Begrenzung auf 15% soll die Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion einschränken, die Höhe des Prozentsatzes bleibt zu diskutieren]
5. Pflanzenkohle darf nur dann aus Forstholz gewonnen werden, wenn eine nachhaltige Bewirtschaftung des entsprechenden Waldes gewährleistet ist (PEFC, FSC). Insbesondere die Abholzung von Regenwald, wie es derzeit zur Produktion von Holzkohle weitflächig der Fall ist, muss verhindert werden.
6. Die maximale Distanz für den Transport der Biomasse zur Pyrolyseanlage beträgt 80 km.
B. Pyrolysetechnik
1. Die Biomassepyrolyse muss in einem energieautonomen Prozess ablaufen. Die zum Betrieb der Anlage eingesetzte Energie (Strom für Antriebe, Lüftung und BMSR) darf maximal 10% des Heizwertes der im gleichen Zeitraum pyrolysierten Biomasse betragen. [Die Höhe des Prozentsatzes bleibt zu diskutieren. Wichtig ist eine solche Begrenzung, um zu verhindern, dass fossile Brennstoffe zur Reaktorbeheizung eingesetzt werden und die heißen Abgase (wie in den traditionellen Meilern) ungenutzt in die Atmosphäre entweichen]
2. Die bei der Pyrolyse entstehenden Synthesegase müssen abgefangen werden und dürfen nicht in die Atmosphäre entweichen
3. Bei Verbrennung der Synthesegase müssen die geltenden Emissionsgrenzwerte für Holzfeuerungsanlagen eingehalten werden. Es gelten folgende Grenzwerte (bezogen auf 11 Vol.-% O2): CO: 250 mg/m3; Staub: 50 mg/m3; NOx: 500 mg/m3; Gesamt-C: 50 mg/m3; HCl: 30 mg/m3; SOx: 350 mg/m3.
4. Die nachhaltige Nutzung der bei der Verbrennung der Synthesegase entstehenden Wärme muss gewährleistet sein. Der Energieverlust durch Abwärme darf maximal 5o% des Heizwertes der pyrolysierten Biomasse betragen.
Zur Zertifizierung der Pflanzenkohle müsste für die Erfüllung der Punkte B jeweils die Produktionsanlage abgenommen und zertifiziert werden.
.C. Eigenschaften der Pflanzenkohle
1. Nährstoffgehalte der Pflanzenkohle laut Düngemittelverordnung: [Die Schwankungen der Nährstoffgehalte verschiedener Pflanzenkohlen sind sehr hoch (zwischen 170 g/ kg und 905 g/kg). Laut Bodenverordnung müssen die Nährstoffgehalte auf jeden Fall ermittelt werden. Aufgrund der ermittelten Nährstoffgehalte ergeben sich die maximal zulässigen Mengen für die Bodeneinarbeitung. Entscheidend wären allerdings nicht die absoluten Nährstoffgehalte, sondern die jeweilige Nährstoffverfügbarkeit, welche aber schwierig zu ermitteln ist (z.B. Nährstoffverfügbarkeit von Phosphor liegt bei ca. 15%, die von Stickstoff liegt teilweise unter 1%). Nach der Bodenverordnung werden aber generell nur die absoluten Werte in Betracht gezogen (trotz langjähriger Diskussion werden auch in der Kompostverordnung nur die absoluten Werte akzeptiert). Die Grenzwerte der Bodenverordnung liegen daher weit unter den für Pflanzenkohle relevanten Nährstoffverfügbarkeitswerten und sind daher als Ausschlusskriterium hinreichend.]
2. C-Gehalt > 50% [Der Kohlenstoffgehalt von Pyrokohlen schwankt je nach verwendeter Biomasse und Prozesstemperatur zwischen 25 und 95 %. (z.B.: Hühnermist: 26%, Buchenholz: 86%). Bei sehr mineralreichen Biomassen wie Klärschlamm oder Viehmist überwiegt im Pyrolyseprodukt der Aschegehalt, entsprechend fallen diese Produkte unter die Kategorie von Aschen mit mehr oder weniger hohem Anteil an Pflanzenkohle. Solche mineralreichen Biomassen sollten im Sinne möglichst effizienter Stoffströme eher kompostiert oder fermentiert werden, so dass die Nährstoffe möglichst rasch wieder pflanzenverfügbar werden. Die Angabe des C-Gehaltes ist insbesondere für die Erzeugung von CO2-Zertifikaten relevant.]
3. Molares H/C-Verhältnis < 0.6 [Aus dem molaren H/C lässt sich der Verkohlungsgrad und damit auch die Stabilität der Pflanzenkohle ableiten. Das Verhältnisse gehört zu den wichtigsten Charakterisierungsmerkmalen von Pflanzenkohle. Die Werte schwanken je nach Biomasse und Verfahren. Werte außerhalb dieses Bereiches lassen auf minderwertige Kohlen und mangelhafte Pyrolyse-Verfahren schließen.]
4. Schwermetallgehalt nach gängigen Richtlinien der Kompostverordnung: Pb < 120 g/t TM; Cd < 1 g/t TM; Cu < 100 g/t TM; Ni < 30 g/t TM; Hg < 1 g/t TM; Zn < 400 g/ t TM [Wie im Falle der Kompostierung bleibt auch bei der Pyrolyse fast die gesamte Menge an Schwermetallen der ursprünglich verwendeten Biomasse im Endsubstrat erhalten. Allerdings werden die Schwermetalle sehr effizient von der Pflanzenkohle fixiert und langfristig blockiert. Wie dauerhaft diese Blockierung ist, kann jedoch bisher nicht sicher angegeben werden. Da Pflanzenkohle anders als Kompost nur einmalig (bzw. mehrfach bis zu einer maximalen Endkonzentration) in den Boden eingebracht wird, lässt sich eine toxische Akkumulierung der Schwermetalle ausschließen. Trotzdem wird es politisch kaum möglich sein, für Pflanzenkohle höhere Schwermetallgehalte als für Komposte durchzusetzen. Jedenfalls würde es einen sehr langwierigen Gang durch die Behörden nach sich ziehen. Es gibt allerdings ohnehin wenig Grund, nicht die von der Biokompostverordnung vorgeschriebenen Grenzwerte für Schwermetalle einzuhalten. Für stärker belastete Pyrokohle gibt es hinreichend andere Einsatzmöglichkeiten.]
5. PAK-Gehalte (Summe der 16 Leitverbindungen der EPA) < 4 mg/kg TM / PCB-Gehalt <0,2 mg/kg TM [Dieser Wert entspricht der schweizerischen Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) als Grenzwert für Kompost. Allerdings bindet die Pflanzenkohle sehr effizient PAK, wo sie relativ rasch von Bakterien abgebaut werden. Das PAK-Risiko ist daher wahrscheinlich relativ gering. Trotzdem werden sich vorläufig keine höheren PAK- und PCB-Werte als für Kompost durchsetzen lassen. Es ist zu beachten, dass aufgrund der hohen Adsorptionskraft der Pflanzenkohle die meisten Standardmethoden zur Analyse von PAK nicht für Pflanzenkohle geeignet sind und lediglich Werte im Bereicht von unter 10% des Realwertes ergeben. Eine Standardmethode wird derzeit erarbeitet.]
6. Furane < 20 ng/kg (I-TEQ OMS);
7. Gehalt an Polyaromatischem Kohlenstoff (Black Carbon) (Zu niedrige Gehalte an polyaromatischen Kohlenstoffen lassen auf nicht pyrolytisch hergestellte Kohlen wie z.B. Hydrokohle schließen. Zu hohe Gehalte sind ein Indiz für Pyrolysetemperaturen von über 900°C, wodurch die Kohle verkokt, ihre für Pflanzenkohle charakteristischen Eigenschaften verliert und nicht mehr für die landwirtschaftliche Anwendung empfohlen werden kann. Die Angabe eines absoluten Prozentwertes ist nach dem jetzigen Wissensstand noch nicht sicher möglich, da die Werte je nach Analysemethode stark schwanken. Es müsste sich zunächst auf eine Standardmethode geeinigt und deren Gültigkeit anhand vieler verschiedener Pflanzenkohlen und Substrate nachgewiesen werden. Da die üblichen Methoden zudem sehr teuer sind, wird der Wert trotz seine hohen theoretischen Aussagekraft wahrscheinlich vorerst nicht als praktikabler Standardwert für die vorliegenden Richtlinien relevant werden.)
8. pH-Wert – [die pH-Werte schwanken zwischen 6 und 10, stellen für die Zertifizierung kein Ausschlusskriterium dar. Sie müssen aber zwingend angegeben werden, da eine Verschiebung des Boden-pH-Wertes großen Einfluss auf die Bodenkultur hat]
9. Rohdichte [die Rohdichte kann je nach Biomasse und Höchsttemperatur der Pyrolyse zwischen 100 und 1000 g/l schwanken und stellt folglich kein Ausschlusskriterium dar. Die Rohdichte lässt sich leicht ermitteln und ist ein Indikator des Porenvolumens und sollte daher zur Charakterisierung der Pflanzenkohle mit angegeben werden].
10. Spezifische Oberfläche und Porenvolumen [sind zwei wichtige Werte zur Charakterisierung von Pflanzenkohlen. Beide Werte hängen sowohl von der pyrolysierten Biomasse als auch von dem verwendeten Pyrolyseverfahren (v.a. Höchsttemperatur, Verweildauer, Partikelgrösse) ab. Die Erhebung beider Werte ist methodisch bisher nicht standardisiert. Die Werte schwanken je nach verwendeter Methode relativ stark. Es lassen sich keine Ausschlusskriterien auf Basis dieser beiden Werte angeben.]
Für die Punkte 5 und 6 müsste die jeweilige Anlage regelmäßig kontrolliert werden, da auf Grund der hohen Analysekosten nicht jede Charge überprüft werden kann. Die Kriterien der anderen Punkte müssten jeweils für identische Chargen einmal überprüft werden.
.D. Ausbringung der Pflanzenkohle
1. Bodeneintrag nur in Verbindung mit organischen Kohlenstoffen (Kompost, humusreiche Erde, Fermenten (Bokashi), Melasse etc).
2. Böden, die durch Pflanzenkohle aktiviert wurden, sollten möglichst dauerbewachsen oder zumindest durch Mulch bedeckt sein, da ansonsten Pflanzenkohle und Humus durch Erosion wieder abgebaut werden. Einen oberflächlichen Ackerumbruch zur Neusaat oder -pflanzung schließt dies nicht aus. Es wird minimale Bodenbearbeitung empfohlen.3. Falls der Bodeneintrag nicht in Verbindung mit staubverhindernden Bindestoffen wie feuchtem Kompost, Erde, Bokashi usw. stattfindet, muss für eine geeignete Bindeflüssigkeit oder eine Granulatgröße > 5 mm gesorgt werden. Gleiches gilt für den Transport sowie Schüttgutumladung.
Punkt D wird durch die Landwirte kontrolliert, die Punkte A – C beim Hersteller.
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Die vorliegenden Richtlinien sind Arbeitsgrundlage für den in vielen Ländern eingeleiteten Zulassungsprozess von Pflanzenkohle als Bodenhilfsstoff und Düngemittel. Sie sind noch nicht abgeschlossen und stellen derzeit lediglich eine freiwillige Nutzungsvereinbarung dar. Ergänzende Vorschläge und Kritik sind willkommen und werden in die weitere Vernehmlassung und folgende Versionen einfließen. Bitte beachten Sie bei Zitaten die jeweilige Versions Nummer. (siehe auch: Bio-Biokohle oder Nichtbio-Biokohle, mit zahlreichen Kommentaren der Ithaka Leser.)
FVA-WÖ
21.11.2010 20:42
Die Verwendung von Biokohle erscheint mir sowohl hinsichtlich Erhaltung/Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit als auch hinsichtlich C-Bindung ein vielversprechender Weg. Was ich absolut nicht verstehe, ist dass im vorliegenden Artikel vergessen wird auf die PEFC-Zertifizierung als wichtigstes weltweites Zertifizierungsverfahren für Holz hinzuweisen. Der alleinige Verweis auf FSC führt wegen der geringen Verbreitung dazu, dass Holz eher aus Plantagen kommt als aus europäischer nachhaltiger Forstwirtschaft.
hps
21.11.2010 21:13
Vielen Dank für den Hinweis, wir werden dies entsprechend aufnehmen. Das in Klammern gesetzte FSC war als eine von mehreren möglichen Zertifikaten gedacht. In Entwicklungsländern, wo die meisten Wälder keiner Zertifizierung unterliegen, müsste eine pragmatische Lösung gefunden werden, die eine nachhaltige Waldbewirtschaftung gewährleisten. Aber es wird ohnehin nicht möglich sein, eine weltweite Richtlinien für Biokohle aufzustellen. Insofern ist das vorliegende Papier vor allem ein Vorschlag für die Schweiz und die EU, auf dessen Grundlage dann verschiedene nationale oder regionale Richtlinien adaptiert werden können.
Gerald Dunst
30.11.2010 13:03
Ich habe Bedenken, dass die Forderung, Biokohle nur aus Rohstoffen herzustellen, die selbst "Bio" sind, etwas zu weit geht und sich die Biolandwirtschaft dadurch selbst schadet!
Fachlich gesehen ist Elefantengras von einem konventionellen Betrieb einem "Bio-Elefantengras" für die Verkohlung sicher gleichwertig. Man hat beispielsweise auch in der Kompostverordnung einen sinnvollen Kompromiss gefunden, wo getrennt gesammelte Küchenabfälle generell als Rohstoff für Komposte im Biolandbau zugelassen worden sind. Ich meine, dass man sich vielmehr auf das Endprodukt "Biokohle", und weniger auf die Ausgangsstoffe konzentrieren sollte. Es könnte sonst nämlich passieren, dass die Biokohle für die Masse der Biobauern nicht finanzierbar wäre und in erster Linie die Böden der konventionellen Betriebe saniert werden könnten.
Weiters bin ich der Meinung, dass es für eine detailierte Regelung ohnedies noch zu früh ist - es gibt viel zu wenige Erfahrungen im Bereich der Anwendung. In dieser ersten Versuchsphase sollte es ausreichen, dass die Schadstofffreiheit der Biokohle nachgewiesen wird. Ein "Wildwuchs" ist aufgrund des hohen Marktpreises zur Zeit ohnehin nicht zu befürchten.
hps
30.11.2010 13:11
Die Punkte A2 und A3 regeln lediglich die Biomassen, die aus unmittelbar zur Biomasse-Produktion angelegten Flächen gewonnen werden. Für diese Flächen wurde biologischer Anbau gefordert, um nicht auf der einen Seite Humusaufbau und Klimafarming zu betreiben und auf der anderen Seite Landflächen durch intensive Landwirtschaft zu zerstören.
Für Punkt A1 hingegen, der den Einsatz von organischen Reststoffe betrifft - egal ob landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder sonstige organische Abfälle - gilt die Einschränkung, dass sie aus biologischem Anbau stammen müssen nicht.