Erste HTC-Anlage in industriellem Maßstab

von Hans-Peter Schmidt

Am 26. Oktober 2010 wurde in Karlsruhe die weltweit größte Anlage zur hydrothermalen Karbonisierung (HTC) in Betrieb genommen. Damit gelang dem Unternehmen AVA-CO2 als erstem der Schritt aus der Forschung in die industrielle Anwendung der HTC-Technologie. Mit einer Jahreskapazität von 8 400 Tonnen Biomasse demonstriert nun vorgestellte Reaktor eindrücklich, dass sich die Technologie nach vielen Rückschlägen und Zweifeln endlich doch in industriellem Maßstab umsetzen lässt.

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Bislang galt Biokohle vor allem als Hoffnung für eine nachhaltige Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit bei gleichzeitiger Verminderung des CO2-Gehaltes der Luft. Bei der Herstellung von Biokohle wird beliebige Biomasse unter Luftabschluss und bei Temperaturen von 400 bis 900 ° C zu einem brennbaren Synthesegas und sehr reiner, hochporöser Kohle zersetzt. Neben der Pyrolyse, wie dieser Prozess genannt wird, gibt es aber auch andere technische Prozesse, bei denen Biomasse zersetzt und verkohlt wird. Eines dieser Verfahren ist das bereits 1913 von Friedrich Bergius erfundene Verfahren der Hydrothermalen Karbonisierung.

Hydrothermale Karbonisierung (HTC)

Das meist nach seiner englischen Abkürzung "HTC" benannte Verfahren der hydrothermalen Karbonisierung basiert darauf, dass Biomasse unter einem hohem Druck von über 20 bar für mehrere Stunden auf eine Temperatur von etwa 180° - 240° C erhitzt wird. Durch die Hitze und den Druck werden Hydroxidionen (OH-) und Wasserstoffionen (H+) aus den langkettigen organischen Molekülen der Biomasse herausgelöst. So entstehen neben Wasser (H2O) immer kohlenstoffreichere organische Polymere und Wärme, die bei diesem Prozess zusätzlich freigesetzt wird. Nach der Druckentspannung und Abkühlung des Kohle-Wassergemisches, wird die wässrige Lösung abgepresst, so dass Hydrokohle (HTC-Kohle) als Endprodukt entstehen. Die in der Biomasse ürsprünglich enthaltenen Mineralstoffe, Schwermetalle und eine Reihe nur teilweise zerstörte organische Verbindungen werden zum größten Teil mit der wässrigen Phase ausgepresst. Es gibt Bestrebungen, die Mineralstoffe aus der wässrigen Lösung als Düngemittel wiederzugewinnen, doch müssen hierfür noch einige technische Hürden überwunden werden.

Die Kohlenstoff-Effizienz des Prozesses ist sehr hoch, auch wenn sie nicht jene 100% erreicht, die manche ihrer Verfechter behaupten. Doch selbst bei einer C-Effizienz von 85 - 90 % erreicht das HTC-Verfahren die höchste Effizienz aller bekannten Umwandlungsmethoden für organische Abfälle wie z.B. Kompostierung, Vergärung, Pyrolyse usw.

Vergleich von Hydrokohle und Pyrokohle

Die Terminologie für die verschiedenen Prozesse und Kohleprodukte ist bisher nicht einheitlich (siehe auch den Artikel: Bio-Biokohle oder Nichtbio-Biokohle). Unter Bodenwissenschaftlern hat sich für HTC-Kohle der Begriff Hydrokohle und für die durch Pyrolyse hergestellte Kohle der Begriff Pyrokohle durchgesetzt. Als Biokohle gilt nur diejenige Pyrokohle, die auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Allerdings bezeichnen manche auch alle technisch aus Biomasse hergestellte Kohle als Biokohle.

Anders als bei der Pyrolyse wird beim HTC-Verfahren durch den hohen Druck die ursprüngliche Zellstruktur der Biomasse zerstört, so dass relativ homogene und weniger poröse Kohlen entstehen. Die Hydrokohlen besitzen durch ihre homogene, dichte Struktur sehr gute Brennwerte im Bereich von 25 MJ/kg (im Vergleich trockenes Holz: 19 MJ/kg; Rohbraunkohle: 9 MJ/kg; Holzkohle: 17 MJ/kg; Braunkohle: 21 MJ/kg). Dank geringen Transportvolumens, hoher Ascheschmelzpunkte und niedriger NOx-Emissionen sind Hydrokohlen hervorragend für die Wärme- und Energiegewinnung geeignet.

Da bei den relativ niedrigen Temperaturen des HTC-Prozesses nicht alle organischen Verbindungen aufbrechen, enthält das Endprodukt noch zahlreiche organische Verbindungen, die zwar bei der Verbrennung unproblematisch sind, die Hydrokohle aber nur bedingt als Düngemittel oder Bodenhilfsstoff einsetzen lässt. Versuche, bei denen Hydrokohle mit Biokohle und Kompost gemischt und gealtert wurde, lassen allerdings hoffen, dass auch Hydrokohle unter bestimmten Voraussetzungen zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit eingesetzt werden könnte.

Hydrokohle verbrennt mit sehr sauberer Flamme und sorgt für niedrige Abgasbelastung

Die bodenbiologogische Funktionsweise von Biokohle und Hydrokohle unterscheiden sich grundlegend. So sind bei Hydrokohle die für die Verwendung als Bodenhilfsstoff so bedeutenden Kriterien wie Wasserhaltefähigkeit, Nährstofffixierung (KAK), spezifische Oberfläche, Porendiversität deutlich niedriger als bei Biokohlen. Auch gibt es bisher noch keine verlässlichen Untersuchungen, wie lang Hydrokohle stabil im Boden verbleiben würde und insofern als Kohlenstoffsenke wirksam werden könnte.

Hydrokohle und Biokohle sind zwei grundlegend verschiedene Endprodukte der Biomasseumwandlung, die sich in einer umfassenden Biomassestrategie hervorragend ergänzen können.

Das

AVA-CO2-Verfahren

Im Unterschied zu zahlreichen anderen HTC-Entwicklungsprojekten, die trotz vollmundiger Ankündigungen und hohen Budgets bisher noch weit vom Dauerbetrieb industrieller Anlagen entfernt sind, hat sich AVA-CO2 früh auf das sogenannte Batch-Verfahren konzentriert. Hierbei wird aller zwei bis drei Stunden ein zentraler Reaktor vollautomatisch mit Biomasse befüllt. Bei einem Druck von 22 bar und Temperaturen um 220°C wird die Biomasse zersetzt, wobei nicht nur Kohle und Wasser, sondern auch Wärme erzeugt wird. Diese Wärme wird zur Aufrechterhaltung des Prozesses genutzt, so dass das Verfahren insgesamt nahezu energieautonom abläuft und künftig sogar einen Energieüberschuß produzieren könnte. Nach Beendigung des Verkohlungsprozesses wird das Kohle-Wassergemisch in einen Speichertank geschleust, so dass ein teil des hohen Drucks, unter dem das Kohle-Wassergemisch steht, zwischengespeichert bleibt. Sobald der Hauptreaktor erneut mit Biomasse befüllt ist, wird der Druck des Speichertanks genutzt, um den Druck im Hauptreaktor wieder aufzubauen. Auf diese Weise geht nicht nur sehr wenig Energie verloren, sondern es wird auch verhindert, dass die Umwelt durch Geruchs- und Klimagasse verunreinigt werden.

Die weltweit erste industrielle HTC-Anlage der Firma AVA-CO<sub>2</sub> mit einer Jahreskapazität von 8400 t Biomasse
Die weltweit erste industrielle HTC-Anlage der Firma AVA-CO2 mit einer Jahreskapazität von 8400 t Biomasse

Das Batchverfahren ist so konzipiert, dass die Anlage ohne Eingriff von außen im 24-Stunden-Betrieb läuft. In der ersten industriellen Anlage in Karlsruhe wird derzeit nur ein Hauptreaktor mit einem Fassungsvermögen von 14 400 l und einem Jahresdurchsatz von 8400 t Biomasse eingesetzt. In nächsten Anlagen sollen jeweils 5 bis 10 solcher Hauptreaktoren parallel geschaltet werden, so dass ein Jahresdurchsatz von beeindruckenden 50.000 t Biomasse realistisch wird. In der Karlsruher Anlage wird derzeit Biertreber als zu verkohlende Biomasse benutzt, doch ließen sich auch nahezu alle anderen feuchten Biomassen wie Klärschlamm, Nahrungs- oder Vergärungsreste einsetzen.

AVA-CO2 ist eine schweizerische Firma mit Sitz in Zug, die hervorragende Ingenieurleistungen mit einem hoch professionellen Firmenkonzept vereint. Zahlreiche Kooperationen mit Forschungsinstituten, Wirtschaftsverbänden und Investoren lassen einen langfristigen Firmenerfolg erwarten. Man mag diesen Pionieren einer wahrhaft revolutionären Biomasse-Technologie viel Glück auf ihrem Entwicklungsweg wünschen und hoffen, dass sie sich trotz ihrer großen, eher zentral einsetzbaren Anlagentechnik dem Gedanken nachhaltiger Biomasseproduktion verschreiben und sich der Gefahren, die bei unbedachtem Einsatz drohen, stets bewusst bleiben.

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Weitere Informationen finden Sie unter: www.ava-co2.com

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