Pflanzenkohle im Europäischen Weinbau: Ergebnisse 2011
von Claudio Niggli & Hans-Peter Schmidt
die Druckversion des Artikels finden Sie hier
Versuche auf Delinat-Weingütern
Der Aufbau der Bodenfruchtbarkeit mit organischen Substraten dient im Klimafarming der Schließung von Stoffkreisläufen sowie dem Klimaschutz und ist ein wichtiger Grundpfeiler der Delinat-Richtlinien. Um bis 2015 das Ziel klimapositiven Weinbaus mit hoher Biodiversität zu erreichen, sind alle von Delinat zertifizierten Winzer dazu verpflichtet, einen wissenschaftlich begleiteten Versuch auf ihrem Weingut durchzuführen. Diese Versuche werden gemäß den Interessen der Winzer und entsprechend den ökologisch relevantesten Problemfeldern des jeweiligen Gutes ausgewählt. Im Rahmen dieses Programms wurden 2011 auf über zehn Delinat-Gütern Versuche auf je einem Hektar mit organisch aktivierter Pflanzenkohle durchgeführt. Auf vier Betrieben wurden die Versuche mit je drei Wiederholungen angelegt, auf den anderen Betrieben mit nur einer Wiederholung.
Auf den Gütern, wo die Versuche mit mindestens drei Wiederholungen durchgeführt wurden, sind im Laufe der Saison erste Daten aufgenommen worden. Als Referenz dient der Versuch am Standort des Delinat-Instituts im Wallis, wo drei Substrat-Varianten und eine Kontrolle mit je fünf Wiederholungen angelegt wurden. Auf allen Gütern ist die gleiche Pflanzenkohle der Firma Carbon Terra verwendet worden. Die Pflanzenkohle wurde bei Temperaturen von ca. 450°C bei einer Verweilzeit von 36 Stunden aus Mischholz mit einem Nadelholzanteil von 80% hergestellt (Analyse der Kohle).
Im vorliegenden Bericht werden die bisher vorliegenden Daten analysiert und in einer ersten Metaanalyse zusammengefasst.
Versuchsaufbau auf den Gütern in Frankreich, Spanien und Italien
Zur organischen Aufladung wurde die Pflanzenkohle im Masseverhältnis 1:1 mit Mist vermischt und über einen Zeitraum von zwei Wochen mehrmals gut befeuchtet und durchmischt (siehe: Aktivierung von Pflanzenkohle). In den Versuchsparzellen wurde dann im Frühjahr ganzflächig das mit Mist aktivierte Kohlesubstrat ausgebracht, mit Ausnahme von drei in der Fläche verteilten Kontrollfenstern zu je mindestens 100 m2 (Abb. 1). Die Menge des ausgebrachten Substrates von 20 t/ha entspricht einer Pflanzenkohledichte von 10 t/ha. In den Kontrollfenstern wurden 10t/ha reiner Mist ausgebracht, also dieselbe Menge Mist, wie sie auch im Gemisch mit Pflanzenkohle eingesetzt wurde. Die Substrate wurden anschließend oberflächlich in den Boden eingearbeitet.
Pflanzenkohle in Sizilien: Resultate
Grundsätzlich ist die Versorgung der Versuchsreben bei Maggio Vini (Sizilien) in Bezug auf alle Nährelemente als suboptimal zu bewerten. Zudem ist die Heterogenität der Parzelle offenbar hoch. Die Blattanalysen zeigen bei der Pflanzenkohlevariante für alle Makroelemente im Mittel die höheren Werte als bei der Kontrolle (Abb.4). Die deutlichsten Unterschiede traten beim Stickstoff und beim Kalium auf. Bei Ca, Mg und P hingegen waren die Unterschiede in Bezug zur Varianz innerhalb der Varianten gering.
Bei dem italienischen Versuch wurden bereits im ersten Jahr schon Traubenanalysen durchgeführt. Während bezüglich des Säure- und des Zuckergehaltes keine signifikanten Unterschiede zwischen den Varianten zu erkennen waren, zeigte sich bezüglich des hefeverfügbaren Stickstoffs eine deutliche Zunahme von 38% in der Variante mit Pflanzenkohle.
Pflanzenkohle in Spanien: Resultate
Die Blattanalysen der Versuchsreben bei Pago Casa Gran (Valencia) zeigen in den Pflanzenkohlevarianten für alle untersuchten Elemente deutlich höhere Werte als bei der Kontrolle (Abb. 3). Vor allem die Unterschiede bei Stickstoff und Mangan sind bemerkenswert. Da der pH-Wert des Bodens bei 8,1 liegt, muss vermutet werden, dass die großen Unterschiede insbesondere auf die bessere Wasserversorgung in den Pflanzenkohle-Varianten zurückzuführen sind.
Aufgrund eines Kommunikationsfehlers wurden allerdings nur je 2 Wiederholungen ausgewertet, so dass die Ergebnisse statistisch nicht abgesichert sind.
Pflanzenkohle in Süd-Frankreich: Resultate
Auf Chateau Duvivier ist ein Großversuch auf einem Hektar umgesetzt worden, welcher in Zusammenarbeit mit der Chambre d`Agriculture de Var wissenschaftlich begleitet wird. Ein halbes Jahr nach der Pflanzenkohleausbringung sind hier sechs Blattproben (3 aus Kontrollflächen, 3 aus Pflanzenkohleflächen) auf ihren Makronährstoffgehalt analysiert worden (Abb. 2). Für alle fünf Hauptnährstoffe konnte ein niedrigerer Gehalt bei der Pflanzenkohle-Variante gefunden werden, aber nur bei Ca ist dieser Unterschied signifikant. Bei allen anderen Nährelementen sind die Differenzen gering im Vergleich zur Variabilität innerhalb der Varianten. Die Heterogenität in der Versuchsparzelle ist relativ hoch.
Während in Valencia und auf Sizilien nach dem Ausbringen der Pflanzenkohle-Substrate kräftige Regenfälle verzeichnet wurden, begann in der Provence die Trockenzeit bereits vor dem Ausbringen der Substrate. Die Pflanzenkohle konnte sich dadurch nicht mit Wasser aufladen, so dass die hohe Wasserspeicherfähigkeit der Kohle nicht zum Tragen kommen konnte. Ein anderer Grund für die geringere Wirksamkeit der Pflanzenkohle-Substrate auf dem Gut von Château Duvivier könnte darin begründet liegen, dass auf Duvivier bereits seit zehn Jahren mit Dauerbegrünungssystemen gearbeitet wird, wodurch der Humusgehalt und die biologische Aktivität höher als auf den beiden anderen Gütern in Italien und Spanien ist, womit die Wasserspeicherfähigkeit und Nährstoffdynamik ohnehin schon relativ gut ist, was auch daran zu sehen ist, dass die Nährstoffwerte in den Blättern dem Optimum nahe kommen.
Versuche am Standort des Delinat-Instituts im Wallis
In Zusammenarbeit mit der Universität Gießen wurde im Frühjahr 2011 ein neuer Feldversuch mit drei verschiedenen Substraten angelegt. Die Herstellung der Pflanzenkohle-Substrate war zuvor Gegenstand eines umfangreichen Versuchs auf dem Kompostplatz des Delinat-Instituts in St. Léonard, wo der Einfluss der Pflanzenkohle auf den Kompostierungsprozess und die Klimagasemissionen untersucht wurden. Die Wirkung der hergestellten Substrate auf Keimung und Wachstum von Pflanzen wurde anschließend in weiteren Topfversuchen, Feiland-Gartenversuchen und auch im Weinberg untersucht. Der Versuch wurde Anfang Juni 2011 angelegt (siehe auch die Reportage des SF1 zum Pflanzenkohle-Versuch).
Versuchaufbau
Im Weinbergsversuch wurden Anfang Juni 2011 vier Varianten in je fünf Wiederholungen angelegt:
V1 Kontrolle: keine Zugabe von Substrat
V2 Pure, nicht aktivierte Pflanzenkohle (30 m3/ha)
V3 Kompost (72 m3/ha)
V4 Pflanzenkohle-Kompost (102 m3/ha)
Die Stichproben für die Blatt- und Traubenanalysen wurden als Mischproben ausgewertet. Dabei wurden pro Variante und Wiederholung Proben von 12 Rebstöcken aus den beiden Mittelzeilen entnommen, insgesamt also pro Mischprobe 60 Rebstöcke beprobt. Eine Mischprobe umfasst 60 Blätter respektive 300 Beeren. Für die Mikrovinifikation wurden die Beeren nicht homogenisiert, sondern nur gepresst.
Pflanzenkohleversuche - Wallis 3 (Versuchsfeld: Georgette): Resultate 2011
Aufgrund der Blattanalysen ließen sich 3 Monate nach Ausbringung der Substrate nur geringe Unterschiede zwischen Pflanzenkohle-Kompost, Kompost pur und Kontrolle hinsichtlich der Makronährstoffe erkennen. Mit Ausnahme des Stickstoffs lagen jedoch in der Variante mit purer, nichtaktivierter Pflanzenkohle sämtliche Makronährstoffe unter den Werten aller anderen Varianten.
Bei den Mikroelementen weist ebenfalls ausnahmslos die Variante mit purer Pflanzenkohle die niedrigsten Werte auf, wobei die Unterschiede bei Zink und Bor im Vergleich zur Kontrolle am höchsten ausfallen. Im Vergleich des reinen Kompost-Substrates mit der Pflanzenkohle-Kompost-Variante zeigt sich eine deutliche Tendenz hin zur Adsorption von Eisen und Zink an der Pflanzenkohle.
Wuchskraft
Eine Analyse der Wuchskraft der Reben anhand der Triebdurchmesser des einjährigen Holzes zeigt 5 Monate nach Ausbringung der Substrate nur für den Pflanzenkohle-Kompostdünger einen signifikant höheren Wert im Vergleich zur 0-Kontrolle und ein tendenziell höherer Wert zu den Varianten Pflanzenkohle pur und Kompost pur.
Traubeninhaltsstoffe
Die Trauben wurden zum Zeitpunkt der Lese 105 Tage nach Ausbringung der Substrate analysiert. Die pH-Werte der Trauben in den verschiedenen Varianten unterschieden sich nur geringfügig voneinander (Abb. 10). Der niedrigste pH-Wert wurde bei der Kontrolle gemessen. Bei den Gesamtsäuren wurde folglich der höchste Säure-Wert bei der Kontrolle und der tiefste Wert bei der Kompost-Variante erreicht. Der Anthocyan-Gehalt war bei den Varianten mit Pflanzenkohle höher als bei der Kontrolle oder bei reinem Kompost. Der Polyphenolgehalt war bei der reinen Kompost-Variante am höchsten.
Der Zuckergehalt war bei der puren Pflanzenkohle-Variante um 5.5 % höher als bei der Kontrolle, bei der Kompost-Variante um 3 % niedriger. Der hefeverfügbare Amino-Stickstoff war bei den Varianten Kompost und Pflanzenkohle-Kompost um 22.5 % resp. 19 % höher als bei der Kontrolle. Die Ergebnisse korrespondieren daher gut mit den Resultaten aus Sizilien, die den gleichen Trend aufweisen. Deutlich niedriger dagegen war die Konzentration an hefeverfügbarem Stickstoff in den Trauben aus der Variante mit purer, nicht aktivierter Pflanzenkohle.
Mostanalyse
Die Mostanalysen ergaben eine signifikante Erhöhung des pH-Wertes sowohl in den Varianten mit Kompost als auch in denjenigen mit Pflanzenkohle (Abb. 12). Eine signifikante Interaktion der Pflanzenkohle im Kompost konnte nicht gefunden werden. Bezüglich des Pinot Noir, der in diesem Versuchsfeld untersucht wurde, ist die leichte Veringerung des Säuregehaltes durchaus willkommen und bestätigt die Resultate aus den Versuchen der Vorjahre. In südlichen Weinbaugegenden könnte eine Veringerung der Säuregehalte jedoch eine Qualitätseinbuße bedeuten. Dem Säurewert des Traubengutes muss in den kommenden Auswertungskampagnen und vor allem auf den südeuropäischen Gütern besondere Beachtung gewidmet werden.
Pflanzenkohleversuche Wallis 1 (Vagabonde): Resultate 2011
Im ältesten groß angelegten Feldversuch am Delinat-Institut (Wallis 1, Versuchsfeld Vagabonde) wurden vor vier Jahren Pflanzenkohle, Kompost und Luzerne-Klee-Saat ausgebracht (Versuchsbeschreibung und Resultate 2010). Im aktuellen Untersuchungsjahr 2011 zeigte sich bei der Wüchsigkeit der Reben und des Blütenansatzes ein positiver Einfluss. Bei der Mehrzahl der Blattnährstoffe und Traubenparameter wurde jedoch kein deutlicher Effekt beobachtet. Bei allen Blattnährstoffen lagen die vier Varianten innerhalb oder nahe des Optimalbereiches. Bei der Pflanzenkohlevariante ist die Aufnahme von Kalium durch die Rebe höher, von Magnesium und Mangan niedriger. Bei den Trauben zeigte sich eine leicht erhöhte Bildung von Polyphenolen und eine geringere Einlagerung von Aminosäuren (Abb. 13).
Versuch Wallis 2, Cherouge: Resultate 2011
In einer sehr steilen und exponierten Terrassenlage wurde im Herbst 2010 ein weiterer Versuch mit Pflanzenkohle angelegt (Wallis 2, Versuchsfeld Cherouge). Dabei wurde in der Kontrolle reiner Kompost (50 t/ha Trockengewicht) ausgebracht, in der Pflanzenkohle-Variante Pflanzenkohle (22 t/ha) mit Kompost (50 t/ha Kompost) als Mischsubstrat. Die Mischung hatte vor dem Ausbringen 10 Tage lang geruht. Die Ausbringung erfolgte manuell.
Die Wuchskraft und der Blattstickstoff-Index sind bei der Pflanzenkohlevariante niedriger ausgefallen (Abb. 14). Auch die relativen Gehalte in den Rebblättern von Stickstoff, Magnesium, Mangan, Bor und Eisen war geringer. Die Gehalte an Polyphenolen und assimilierbarem Stickstoff waren bei der Pflanzenkohlevariante höher (>10%).
Metaanalyse über alle Versuche
Eine Zusammenfassung der Resultate von Blattanalysen aller sechs ausgewerteten Versuche mit organisch aktivierter Kohle (3 in Europa, 3 im Wallis) ergibt eine breite Streuung und sehr unterschiedliche Reaktionsmuser. Für die Nährstoffaufnahme durch die Rebe zeichnet sich bei den wichtigen Mengenelementen Phosphor und Kalium eine klar positive Tendenz ab (Abb. 15). Die Calciumaufnahme wird in der Mehrheit der Fälle wenig beeinflusst. Für die Mobilität von Magnesium und Stickstoff scheinen Faktoren, welche mit der Pflanzenkohle interagieren, besonders wichtig zu sein.
Abb.15 Metaanalyse verschiedener Pflanzenkohleversuche in Europa von Traubengut (rote Farbe) und Makronährstoffen in Blättern (grüne Farbe) (Datengrundlage Blatt: 6 Versuche, 3 Standorte; Datengrundlage Trauben: 4 Versuche, 2 Standorte).
Diskussion
Bei einer zusammenfassenden Betrachtung der Resultate zeigt sich einmal mehr, dass die Wechselwirkungen von Pflanzenkohle mit der Rebkultur von komplexer Natur sind. Zu viele Faktoren wie Bodeneigenschaften, Bodenbearbeitung, Klima, Begleitwuchs und Aktivierung der Kohle beeinflussen das System, als dass man auf allen Standorten schon nach kurzer Zeit die gleichen Effekte erwarten dürfte. Im bodenökologisch kurzen Zeitraum von ein bis drei Vegetationsperioden konnte bei zahlreichen Parametern in mehreren Experimenten gar kein Effekt der Pflanzenkohle beobachtet werden. Zudem ist es schwierig zu beurteilen, ob den stärkeren Effekten direkte Interaktionen zwischen Weinrebe und der Pflanzenkohle zugrunde liegen oder indirekte Einflüsse über Begrünungspflanzen oder Bodenmikroorganismen. Da biologische Prozesse im trockenen Weinberg-Klima mit reduzierter Geschwindigkeit ablaufen, ist hier mit einer langsameren Integration in das Bodengefüge zu rechnen. Bei oberflächlicher Einarbeitung kann im Zeitraum von einer Saison nur ein kleiner Teil der Kohle durch das Wurzelwerk der Rebe erschlossen werden. Daher sind Effekte, die sich bereits im Laufe der ersten Saison zeigen, hauptsächlich auf physikalische und nährstoffdynamische Auswirkungen der Pflanzenkohle im Oberboden zurückzuführen. Hierbei spielt in alkalischen Weinbergsböden wahrscheinlich die zunehmende Wasserspeicherfähigkeit die entscheidende Rolle, da sie wiederum die biologische Aktivität im Oberboden und damit auch die Nährstoffdynamik positiv beeinflusst.
In einigen der Fällen sind die Auswirkungen der Pflanzenkohle agronomisch positiv zu beurteilen, so zum Beispiel bei einer Erhöhung des hefeverfügbaren Stickstoffs und des Anthocyangehaltes in den Trauben sowie die erhöhte Gescheinezahl (Wallis 1 - 3). Vereinzelt fällt die Beurteilung sogar negativ aus, so wurde zum Beispiel in einem Versuch verringertes Wachstum und eine Abnahme des Blattstickstoffs in suboptimalen Bereich festgestellt (Wallis 2). Einige Tendenzen sind im Kontext des Erreichens von Optimalwerten für den Weinbau unbedeutend, liefern aber interessante Fragestellungen für die grundsätzlichen Wirkungsmechanismen der Pflanzenkohle. Ein Beispiel für eine agronomisch irrelevante Beobachtung ist eine verringerte Aufnahme von Zink, da der Optimumsbereich für dieses Element sehr weit ist (siehe Wallis 3).
Im jüngsten Versuch am Delinat-Institut konnte am praktischen Beispiel der Rebkultur eindeutig gezeigt werden, dass die Organik beim Einsatz der Pflanzenkohle eine wesentliche Rolle spielt. Während die Varianten, bei denen Pflanzenkohle mit Kompost aktiviert wurde, stets positive oder nicht signifikante Auswirkungen aufwiesen, führte der Einsatz reiner, nicht aktivierter Pflanzenkohle zu verminderter Nährstoffverfügbarkeit. Die Rolle der Aktivierung von Pflanzenkohle mit Kompost oder auch nur mit Stickstoff für das Pflanzenwachstum fand auch in anderen Studien Bestätigung [Chan 2008, Glaser 2011].
Die Erhöhung der Wuchskraft der Reben innerhalb von lediglich vier Monaten in der Pflanzenkohlekompost-Variante zeigt das Potential von Substraten, bei welchen die Kohle bereits bei der Kompostierung integriert wurde. Eine effektive Sättigung mit Nährstoffen vor der Anwendung ist von zentraler Bedeutung, da die Pflanzenkohle ansonsten im Bodengefüge die gelösten Mineralien adsorbiert, wodurch diese zumindest vorübergehend dem System entzogen werden. Zudem werden organische Substanzen, die bei der Pyrolyse entstehen und an der Pflanzenkohle anlagern, mikrobiell abgebaut, wobei Stickstoff und andere Mangelelemente der umgebenden Bodenmatrix entzogen werden. Dies kann sich besonders in mageren, trockenen Böden für die Kulturpflanze negativ auswirken. Selbst wenn die Pflanzenkohle zeitgleich mit einem organischen Dünger ausgebracht wird, können durch die räumliche Separierung der beiden Substrate lokale Nährstoffdefizite im Boden entstehen. Eine naheliegende Erklärung wäre, dass bei organischen Düngern die Mineralisierung und Nährstoffnachlieferung langsamer abläuft, als die unmittelbare Adsorption von Bodennährstoffen durch die Kohle.
Unseren Arbeitshypothesen zufolge werden mehr Nährstoffe festgelegt als freigesetzt, wenn die Pflanzenkohle zum Zeitpunkt der Ausbringung nicht bereits mit Nährstoffen gesättigt ist. Im Falle des Experiments Wallis 2 (Cherouge) mit 22 t/ha Pflanzenkohle, die nach der Kompostierung im Verhältnis 1:1 (vol) dem Kompost zugemischt wurden, müssen wir annehmen, dass die nötige Aktivierung mit Nährstoffen nicht ausreichend war. Das Ausgangssubstrat für den verwendeten Kompost war durch einen hohen Holzfaseranteil geprägt, weil im frühen Jahr kaum grünes Laub und Rasenschnitt enthalten waren. Dies führte zu einem ligninreichen, relativ stickstoffarmen Kompostsubstrat. Die Pflanzenkohle ist in der Folge wahrscheinlich nicht genügend mit Stickstoff aufgeladen worden, was das N-Defizit im Vergleich zur Kontrolle erklären würde.
Die durch die Pflanzenkohle bewirkte Erhöhung der Anthocyangehalte in der Rotweintraube Pinot Noir ist positiv zu bewerten, da diese phenolischen Stoffe dem Wein nicht nur als Farbstoff dienen, sondern auch Antioxidantien sind. Trotz relativ schlechter Bioverfügbarkeit der Traubenanthocyane ist eine positive Wirkung auf die Gesundheit des Menschen wahrscheinlich [Lila 2004]. Der höhere Gehalt an Polyphenolen könnte zudem positive Auswirkungen auf die Widerstandsfähigkeit der Trauben gegen Pilzbefall haben.
Die Tendenz zur Erhöhung des hefeverwertbaren Stickstoffs in den Trauben ist önologisch besonders interessant, da dieser Parameter entscheidend für den Verlauf der Gärung ist. Ein Mangel an hefeverfügbarem Traubenstickstoff stellt insbesondere in sehr trockenen Lagen Südeuropas ein önologisches Problem dar. Aufgrund des Klimawandels wird vermehrt auch in nördlicheren Weinlagen ein Mangel an hefeverfügbaren Stickstoffverbindungen in den Trauben festgestellt. Durch höhere Stickstoffwerte im Most wird die Geschwindigkeit und Intensität der alkoholischen Gärung erhöht. Dies ist besonders bei der natürlichen Vinifizierung wichtig, wo auf Zusatzstoffe, z.B. in Form von stickstoffhaltigen Gärhilfen, verzichtet wird. Es ist zu vermuten, dass die teilweise sehr starke Zunahme an hefeverfügbarem Stickstoff auf die durch die Pflanzenkohle wahrscheinlich bewirkte Zunahme der Wasserverfügbarkeit im Boden zurückzuführen ist.
Sollte sich die Zunahme an Aminosäuren und Proteinen im Erntegut auch bei anderen Kulturen wie z.B. Getreide und Gemüse bestätigen, wäre dies ein deutlicher Qualitätsfaktor, der sich durch den Einsatz von Pflanzenkohle positiv beeinflussen ließe und eine wirtschaftlich relevante Steigerung darstellen würde.
Konklusion
Wie sich auch in anderen Feld- und Topfversuchen der letzten beiden Jahre zeigte, ist der Erfolg des Einsatzes von Pflanzenkohle als Bodenverbesserer von einer Vielzahl verschiedener Faktoren wie Boden, Klima, Kohlequalität, Aufladungsart, Pflanzenart usw. abhängig. Entsprechend führt die Unterschiedlichkeit der Versuchsflächen, trotz der Vereinheitlichung der Faktoren Kohle, Pflanzenart und Setup, zu einer hohen Varianz der Resultate. Die sorgfältige Auswertung der Resultate über einen längeren Zeitraum und die Multiplikation der Versuche wird wichtige Anhaltspunkte für die gezielte Anwendung der Pflanzenkohle in unterschiedlichen agronomischen Zusammenhängen liefern.
Das vorerst wichtigste Resultat der hier vorgelegten Untersuchungen besteht in der deutlichen Bestätigung, dass der Einsatz von purer, nicht mit Nährstoffen aktivierter Pflanzenkohle im ersten Jahr aufgrund von Nährstoffblockierungen zu signifikant vermindertem Wachstum führt.
Die Aufladung der Pflanzenkohle durch deren Zugabe zur Kompostierung ausgewählter Biomassen steigerte die C- und N-Effizienz der Kompostierung (Veröffentlichung der Daten Frühjahr 2012). Die daraus resultierenden Pflanzenkohle-Substrate unterscheiden sich im ersten Jahr nur wenig von denjenigen Komposten, die ohne Pflanzenkohle kompostiert wurden. Tendenzielle Unterschiede wiesen jedoch fast immer auf eine Verbesserung, wenn Pflanzenkohle mitkompostiert worden war. Der entscheidende Faktor ist allerdings die Qualität des Komposts.
Die Wirksamkeit der Pflanzenkohle in der Bodenmatrix kann nur über einen längeren Zeitraum beurteilt werden. Neben der Erhöhung der Wasserspeicherfähigkeit muss hier insbesondere die Adsorptionskapazität der Pflanzenkohle in Betracht gezogen werden. Wenn die Pflanzenkohle, wie zu erwarten, einen starken Fixationspool für organische Bodenmoleküle entwickelt, wird sie nicht nur die Auswaschung von Nährstoffen bremsen, sondern insbesondere den Aufbau von Humus fördern, indem sie die Bildung von Ton-Kohle-Humuskomplexen mit hoher mikrobieller Aktivität ermöglicht. Diese Bodenbildungsprozesse finden allerdings über mehrere Jahre bis Jahrzehnte statt.
Neben den hier präsentierten Pflanzenkohle-Versuchen wurde 2011 ein weiterer Versuch im Wallis angelegt. Dabei wurde eine vergleichsweise geringe Menge Pflanzenkohle (300 kg/ha) mit Amminosäuren aufgeladen und in den Wurzelbereich der Rebstöcke injiziert. Analysen von Reb- und Bodenparametern werden erst ab 2012 erhoben. Ähnlich wie im Feldbau könnte sich herausstellen, dass ein langsamer Bodenaufbau mit geringeren, dafür aber organisch stärker aufgeladenen Pflanzenkohle-Mengen zielführender ist als eine einmalige Gabe einer großen Menge von Pflanzenkohle-Kompost.
Auch wenn sich hinsichtlich der Qualitätsparameter der Trauben insgesamt positive Tendenzen erkennen lassen, lässt sich auf Grundlage der hier vorgestellten Resultate noch keine allgemeine Empfehlung für den Einsatz von Pflanzenkohle-Substraten im Weinbau ableiten. Die Versuchsflächen in den verschiedenen Weinbaugebieten werden in der Saison 2012 intensiv beprobt werden. Damit ist zu erwarten, dass bereits Ende 2012 belastbarere Daten und Empfehlungen für die Praxis vorgelegt werden können.
.die Druckversion des Artikels finden Sie hier
5. Literatur
Carbonneau A.: Principe et méthodes de mesure de la surface foliaire. Essai de caractérisation des types de feuilles dans le genre Vitis. Ann. Amél. Plantes 26 (2), 327–343, 1976.
Chan YK, Van Zwieten L, Meszaros I, Downie A, Joseph S Using poultry litter biochars as soil amendments. Aust J Soil Res 46:437–444 (2008)
Glaser B, Birk J State of the scientific knowledge on properties and genesis of Anthropogenic Dark Earths in Central Amazonia, Geochimica et Cosmochimica Acta, in press (2011)
Lila MA. 2004. Anthocyanins and human health: An in vitro investigative approach.JBiomedBiotechnol5:306–31
Smart RE, Bingham GE (1974) Rapid estimates of relative water content. Plant Physiol 53:258–260
YAO, F.X., ARBESTAIN, M.C., VIRGEL, S., BLANCO, F., AROSTEGUI, J., MACIÁ-AGULLÓ, J.A., MACÍAS, F. 2010. Simulated geochemical weathering of a mineral ash-rich biochar in a modified soxhlet reactor. Chemosphere, 80: 724-732.
Tony Katz
28.01.2012 20:30
Vielen Dank für die Bemühungen und Untersuchungen. Ich hoffe, daß andere landwirschaftliche Nutzungen auch untersucht werden. Speziell: nicht nur die tiefwurzelnden Weinreben, sondern auch "normale" Gemüsearten. Und ganz besonders interessant finde ich: der Einfluß von Pflanzenkohle auf Konvertierungsflächen, also auf ehemals konventionell bewirtschaftete Flächen, die mithilfe der Pflanzenkohle schneller ein ökologisches Biotop bilden können. (ich habe selbst 1,7 ha Acker/Wiesenfläche im MKK Kreis gekauft und möchte es dort gerne mit Pflanzenkohle testen.)
wengertpaule
29.01.2012 16:41
Interessant wäre zu erfahren, wie der Einfluss von Terra Preta auf die Rebgesundheit ausfällt. Wenn es langfristig möglich wäre, Rebschutz einzusparen bzw. überflüssig zu machen, könnte dies doch den Durchbruch dieser Technologie bedeuten.
Pflanzenkohle könnte ja auch durch die sehr große Wasserspeicherfähigkeit interessant in Überschwemmungsgebieten sein. Teure Investitionen im Bereich des Überschwemmungsschutzes könnten deutlich reduziert werden.
Nur ist schade, daß die Verfügbarkeit von Pflanzemkohle noch eingeschränkt ist.
Es wird sich aber hoffentlich noch viel tun.
Danke für den interessanten Beitrag.
Geisenheimerin
30.01.2012 15:56
Ein sehr interessanter Artikel. Mir fiel spontan Einiges ein:
- Was passiert in vernachlässigten Böden mit Pflanzenkohle? "Entladen" sie sich völlig und erschweren dann eine wieder durchzuführende Düngung?
- Ist langfristig gesehen das Ausbringen von Pflanzenkohle auf großen Flächen ökologisch sinnvoll? Viele Wildpflanzen brauchen Magerstandorte. Wird da die Artenvielfalt der Begrünung mit seltenen einheimischen Pflanzen untergraben?
- Eine Bindung von "Schadstoffen" auf belasteten Standorten führt zu einer Fixierung aber nicht zu einer Entfernung dieser Stoffe. Akkumulierung mit den Jahren? Gefahr einer späteren Freisetzung?
Ein wirklich spannender Forschungsbereich. Macht weiter so.
Viele Grüße
hps
15.02.2012 12:20
<em>- Was passiert in vernachlässigten Böden mit Pflanzenkohle? “Entladen” sie sich völlig und erschweren dann eine wieder durchzuführende Düngung?</em>
Durch die im Regenwasser enthaltenen Nährstoffe und die durch die mikrobielle Nährstoffumsetzung im Boden werden die Pflanzenkohlen immer wieder neu aufgeladen. In und um die Pflanzenkohlen entsteht eine besondere Nährstoffdynamik, regelrechte Nährstoffhotspots, mit beständiger Aufladung, Umwandlung, Entladung, Aufladung. Auf diese Weise werden die Pflanzenkohlen nach und nach in den Ton-Humus-Komplex eingebunden und sorgen dadurch für Humusaufbau.
<em>- Ist langfristig gesehen das Ausbringen von Pflanzenkohle auf großen Flächen ökologisch sinnvoll? Viele Wildpflanzen brauchen Magerstandorte. Wird da die Artenvielfalt der Begrünung mit seltenen einheimischen Pflanzen untergraben?</em>
Auf Magerstandorten, die als solche erhalten werden sollen, wäre der Einsatz von Pflanzenkohlesubstraten nicht angeraten und ja auch verschwendete Müh. Pflanzenkohle sollte da eingesetzt werden, wo die biologische Aktivität und der Humusaufbau geförtdert werden soll.
<em>- Eine Bindung von “Schadstoffen” auf belasteten Standorten führt zu einer Fixierung aber nicht zu einer Entfernung dieser Stoffe. Akkumulierung mit den Jahren? Gefahr einer späteren Freisetzung?</em>
Durch die Bindung von Toxinen wird die Bodenaktivität wieder stabilisiert und dadurch eben auch der Abbau wieder gefördert. Für die Bodensanierung ist dies sinnvoll, aber man sollte natürlich darauf achten, nicht immer mehr Schadstoffe in den Boden einzutragen. Irgendwann wäre der Schwamm dann voll und die Bioaktivität bricht zusammen, wodurch sich dann wieder der Abbau verlangsamt. Das liegt aber nicht an der Kohle, sondern am unverminderten Eintrag neuer Schadstoffe.
Danke für die interessanten Fragen, hps
Nicole
31.01.2012 14:51
Interessante Ansätze und insbesondere vielen Dank für die Bemühungen und der Zusammenfassung für uns!
Thumbs up!
Peter Stucki
14.02.2012 19:13
Lieber Hans-Peter
Eure Versuche sind sehr Aufschlussreich, auch die Pionierarbeit welche ihr leistet.
Die Fragen von Geissenheimerin hat mich jedoch schon zum Nachdenken gebracht. Ist eine totale Nährstoffversorgung bei Reben überhaupt sinnvoll, oder wachsen Qualitativ hochstehende Weine nicht auf sehr mageren Böden (Spanien, Bordeaux etc.) und mageren Reben?
Auf alle Fälle glaube ich, dass Kohle hilft ein Gleichgewicht in der Nährstoffversorgung herzustellen.
Grüsse
Peter
Jessica
27.09.2012 13:12
Da dachte ich gut im Thema zu sein und erfahre hier so viel Neues. So gute ansätze und Ideen. Zumeist stehen der Umsetzung guter Ideen, Gesetze und Ämter entgegen. Ob es bei den neuen Ansätzen zur Umsetzung kommen kann, bleibt sicher abzuwarten.
Aber darüber hinaus - Mein Kompliment!
edward schulten
13.08.2015 07:50
Where can I find the 2012-2013 update of this experiment??
Thanks
Cheers!
hps
15.08.2015 10:23
You can find our publication in AEE: https://www.researchgate.net/publication/261919921_Biochar_and_biochar-compost_as_soil_amendments_to_a_vineyard_soil_Influences_on_plant_growth_nutrient_uptake_plant_health_and_grape_quality
kind regards, hp
Holger Wigandt
11.02.2016 08:53
Lieber Hans-Peter Schmidt,
auf Grund Ihrer Forschung und Ihres Artikels habe ich mich mit Kompostierung und Pflanzenkohle näher beschäftigt.
Nun ist mir ein Produkt unter die Hände gekommen dass sich ESK-Protect nennt und laut Vertreiber reiner Kohlstoff ist.
Hersteller Angaben:
ESK Protect wird hergestellt von selektiertem Eichenholz. Die Pyrolyse geht weiter als diese von die Holzkohle für den BBQ. Das Holz ist komplett pyrolysiert und ist nur noch Kohlstoff (> 85% auf TS) und eigentlich ein inertes Material mit eine sehr stark entwickelte Porenstruktur. Die spezifische Oberfläche ist +/- 115m²/Gramm.
Laut des Vertreibers braucht es allerdings keine Aktivierung.
Angaben des Vertreibers:
ESK-Protect wird nicht nur im Weinbau eingesetzt. Auch in Gemüsebau (zB Salat) wird es gebraucht um das Wachstum der Sämlinge zu unterstützen. (Pilze wie Phytium, Rhizoctonia, Fusarium werden neutralisiert). In Salatversuche in Frankreich stellt man auch eine bessere Entwicklung der Wurzel fest. Der Hersteller empfehlt um die Düngermenge zu reduzieren.
Dies wiederspricht Ihren Forschungen oder ist diese "Holzkohle" mit Ihrer "Planzenkohle" nicht zu vergleichen?
Das Produkt wird in unserem Weinanbaugebiet empfohlen.
Was denken Sie darüber?
Mit lieben Grüßen
Holger Wiegandt
hps
12.02.2016 00:28
Lieber Herr Wiegandt, die Werbung der erwähnten Firma ist zumindest unseriös. Wie soll eine Pyrolyse weitergehen als die von Holzkohle, und eine stark entwickelte Porenstruktur bei lediglich 115m2/g ist arg übertrieben. Grundsätzlich sollte Sie ihre Produzenten darauf aufmerksam machen, dass in Europa der EBC-Standard (www.european-biochar.org) gilt, und Anbieter sicher doch, sofern sie nichts zu befürchten haben, zertifizieren lassen sollten. Als Kunde jedenfalls sollte Sie nicht das Risiko des Einsatzes kontaminierter, nicht nachhaltig hergestellter Pflanzenkohle eingehen.
Mit freundlichen Grüssen, Hans-Peter Schmidt