Honigbienen im Weinbau: Das Experiment
von Claudio Niggli
In vorangegangenen Ithaka-Artikeln (Bienen als Pflanzenschützer und Wenn Pflanzen um Hilfe rufen) wurden bereits die Hintergründe, Motivationen und Überlegungen erläutert, welche schliesslich zur Planung dieses Versuches geführt haben. Im folgenden Artikel geht es nun um einige praktische Aspekte und Problemlösungen, die sich im Laufe der experimentellen Umsetzung im Feld herauskristallisierten.
Auf der Versuchsfläche wurden sechs luftdurchlässige Zelte von je 15 m Länge, 3 m Breite und 2,70 m Höhe aufgestellt, wobei sich in drei Zelten je ein Bienenstock befindet und die anderen drei als sogenannte Kontrollgruppe leer stehen. Sie wurden parallel zu den Rebzeilen ausgerichtet, und zwar so, dass sich der Bienenstock jeweils im unteren Ende des Zeltes befindet. So sollen die Bienen gezwungen werden, beim Anflug zum Bienenstock durch den Zeltkanal möglichst viele der befallenen Rebstöcke zu passieren.
Die Zeltbahnen bestehen aus luftdurchlässigem weißen Nylonnetz mit einer Maschenweite von 0,9 mm. Leider wurde bei der Auswahl der Netze jedoch nicht auf deren Farbgebung geachtet. Die weißen Netze reflektieren sehr stark das Sonnenlicht und irritieren dadurch die Bienen. Ein blaues oder gelbes Netz hätte dem Zweck weit besser entsprochen.
Bei künftigen Versuchen sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Bienenstöcke nicht vor dem Aufbau der Zelte an den Standort gebracht werden, da sie sich sonst bereits an Flugrouten gewöhnen, die dann durch die Zeltnetze verhindert werden, was die Eingewöhnungszeit deutlich verlängert.
Eine weitere Problematik im Zusammenhang mit der Kanalisierung des Bienenflugs ergab sich dadurch, dass viele Individuen in der obersten Zone der Zelte fliegen, wo sie zu weit weg von den Rebstöcken sind, als dass sie überhaupt einen allfälligen Einfluss auf die Raupen ausüben könnten. Auch wenn nach einigen Tagen festgestellt werden konnte, dass die Flugfrequenz in Nähe der Reben trotz der Ansammlungen im First hoch genug ist, sollten künftige Zelte niedriger gebaut werden.
Verstärkt durch die Licht reflektierenden Nylonmaschen ließen sich die Bienen anfangs sehr stark an die Südost-Südwest Wände des Zeltes locken, anstatt den zwar hangaufwärts, aber nördlich gelegenen Zeltausgang anzusteuern. Durch Abdunklung der unten liegenden Südseite konnte dies rechtzeitig verhindert werden. In künftige Folgeversuche sollten die Bienenstöcke besser an der oberen, nördlichen Zeltseite aufgestellt und das hangabwärts, südlich gelegene Zeltende geöffnet werden.
Weil zahlreiche Bienen in den ersten Tagen den direkten Weg zurück zum Stock suchten und sich dabei hoffnungslos an den Aussenseiten der Zelte verirrten, waren die Forscher gezwungen, Orientierungshilfen einzurichten. Bienen orientieren sich aus der Distanz visuell und sind in besonderem Maße befähigt, Muster und Strukturen in ihrem Umfeld zu differenzieren. Sie sind aber wie die allermeisten Insekten rotblind, weshalb an den Zelteingängen blaue und gelbe Bänder in spezifischen Abfolgen befestigt wurden. Zudem wurden die Netze im Firstbereich sowie in den Anflugzonen mit blauen und gelben Farbmustern eingefärbt. Es scheint, als würden sich die Tiere nun nach und nach an die neuen räumlichen Verhältnisse gewöhnen. Die Verluste, welche entstehen, wenn Arbeiterinnen trotz dieser Orientierungshilfen bis zum Abend den Rückweg zum Stock nicht gefunden haben und dann erfrieren, sollten durch die Königin unter normalen Umständen fortlaufend ersetzt werden können.
Angesichts der Verluste von mehreren hundert Bienen pro Versuchsstock, blutete dem Imker freilich das Herz, und er ließ sich einzig davon trösten, dass die Resultate dieser Versuche zum Ausgangspunkt der Wiederbesiedlung von Bienen in tausenden Hektar Weinland werden können.
Die Zelte der Kontrollgruppe ohne Bienenstöcke wurden ebenfalls einseitig offen gelassen. Das bedeutet, dass in diesen Zelten ebenfalls eine gewisse, wenn auch deutlich geringere Flugaktivität von Bienen, Wespen oder Hummeln zu verzeichnen ist, was die Resultate und deren statistische Aussagekraft beeinflussen kann. Wären die Kontrollzelte aber verschlossen, würden die natürlichen Feinde der Traubenwickler fern gehalten. Der Vergleichbarkeit wegen müssten somit alle Zelte geschlossen werden, was natürlich unsinnig ist, unter anderem weil die Arbeiterinnen Zugang zu weitläufigen Nektargründen brauchen. Selbst eine üppig blühende Begrünung wäre im begrenzten räumlichen Rahmen des Versuchs in kürzester Zeit erschöpft.In allen Zelten sind nun mit Pinzetten auf jeder Rebpflanze sechs Larven des Bekreuzten Traubenwicklers (Lobesia botrana) ausgesetzt worden. Im Gegensatz zu Raupen von anderen Falterarten, eben auch jenen, die schon Untersuchungsobjekt im Zusammenhang mit Störung durch Bienenflug waren, fressen diese nicht exponiert auf den Blättern, sondern in den Knospen von Rebblüten und sind zusätzlich durch feine Gespinste geschützt. Sichtbare und ausgeprägte Reaktionen wie ein Fallenlassen sind deshalb bei den Traubenwickler-Raupen kaum zu erwarten. Durch Bienenflug ausgelöstes Stressverhalten würde sich aber trotzdem in messbaren Entwicklungsdefiziten wie verspätetes Verpuppen oder geringeren Schlupfraten manifestieren. Es ist auch nicht klar, ob die Sinneshaare, welche bei manchen Raupen der Wahrnehmung von Luftvibrationen dienen, bei Traubenwicklern überhaupt vorhanden sind. Ein Fehlen dieser Haare würde aber nicht ausschliessen, dass die Flügelschläge nicht trotzdem wahrgenommen werden können, da auch andere Organe diese Funktion übernehmen könnten.
Über den Rahmen der Zeltversuche hinaus wurden zudem drei weiter Bienenstöcke inmitten einer 3000 m2 großen Rebparzelle mit hoher natürlicher Biodiversität aufgestellt. Im Umkreis der jeweils 80m voneinander entfernten Bienenstöcke werden ab Juni ebenfalls die Befallsraten durch Traubwickler, die Flugaktivität der Bienen sowie anderer Insekten ermittelt.
Die Freilandversuche befinden sich gerade erst in der Anfangsphase und es werden sicher noch zahlreiche neue Einsichten gewonnen und pragmatische Problemlösungen nötig. Selbst bei minuziöser Planung fordern gerade biologische Forschungsprojekte immer wieder geistige Flexibilität und Erfindergeist, damit eine rasche Anpassung an unvorhergesehene Verhaltensweisen der Studienobjekte oder ein Einbezug vorerst vernachlässigter Faktoren möglich wird. Kontinuierliche Beobachtung und ein ständiger Austausch zwischen allen Beteiligten ist dabei unabdingbar.
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