Könige im Reich der biologischen Vielfalt - ein Ithaka Kommentar

von Hans-Peter Schmidt

Pflanzen sind im Grunde wie Könige. Ohne sich selbst zu bewegen, halten sie sämtliche Fäden ihres Lebensnetzes in der Hand. Fest und herrschaftlich sitzen sie auf ihrem Thron, subtil und unscheinbar organisieren sie ihr Reich. Nur langsam kommt die Wissenschaft den internen Kommunikationswegen der Pflanzen auf die Spur und entdeckt, wie geschickt die Informationen im Pflanzenreich zirkulieren.

Elektrische und chemische Signale sorgen dafür, dass der Stoffkreislauf innerhalb der Pflanzen rasch auf wechselnde Umweltbedingungen reagieren kann. Wenn zum Beispiel das Blatt einer Rebe den Befall durch Mehltaupilze registriert, bekommt die Wurzel die Signale zur Produktion von Polyphenolen, dank der die Weinblätter den Kampf gegen die Schädlinge aufnehmen können. Doch wenn die Reben in toten, nur mit Mineraldünger angereicherten Böden stehen, woher nehmen sie dann die Elementarstoffe zur Produktion jener Phenole? Denn zur Produktion der komplexen Phenole ist die Rebe auf Symbiosen mit Bakterien, zahlreichen anderen Mikroorganismen und vor allem Mykorrhizen angewiesen, die den Wurzelbereich der Rebe um mehr als das Zehnfache vergrößern und ein komplexes Lebens-Nahrungs-Netz ermöglichen. Durch Einsatz molekularer Signale regiert die Rebe ihre so genannte Rhizosphäre, doch damit dies auch funktionieren kann, dürfen ihre mikroskopischen Vasallen natürlich nicht von der chemischen Keule vernichtet sein.

Durch molekulare Botenstoffe können Pflanzen untereinander kommunizieren, um sich gegenseitig vor Gefahren zu warnen und rechtzeitig die Mechanismen der Selbstverteidigung in Gang zu setzen. Zudem stehen Pflanzen in stetiger Interaktion mit Insekten und anderen kleineren wie größeren Tieren. So können sie ihre natürlichen Feinde mit Bitterstoffen vertreiben oder gar vergiften, sie können die Feinde ihrer Feinde herbeirufen und Helfer zur eigenen Fortpflanzung anlocken. Grundlegende Bedingung dafür aber ist, dass die Helfer und Boten, nach denen die Pflanzen rufen, auch in Hörweite sind. Wenn z.B. Mais oder Kohl bei Raupenbefall nach Schlupfwespen rufen, im Bereich von tausenden Quadratmetern aber nur die Monokultur und keinerlei Wespennest zu finden ist, verhallt der Hilfeschrei im Leeren. Je weniger das Ökosystem auf die Hilfssignale der Pflanzen zu reagieren vermag, desto mehr verstärken die Pflanzen ihre Signale, was unter anderem auch Ursache der  immer häufigeren Allergien bei Menschen ist, doch die vertriebenen Nützlinge und Feinde ihrer Feinde erreichen sie trotz der Signalverstärkung immer seltener. Die Folge davon ist, dass noch häufiger Pestizide zum Pflanzenschutz der Monokulturen gespritzt werden, so dass die Nützlinge noch weniger werden und sich der Teufelskreis endgültig schließt.

Pflanzen, die nicht in natürlich hoher Biodiversität heranwachsen, sind wie nackte Könige ohne Königreich und vollkommen schutzlos den Umweltbedingungen ausgeliefert. Je mehr wir über die Funktionsweise der Pflanzenkommunikation lernen, desto unhaltbarer werden alle Ausreden, die vom Schutz der Biodiversität und der natürlichen Ökosysteme abhalten.

Zur Vertiefung des Themas empfehlen wir das Interview mit dem Pflanzen-Neurobiologen Frantisek Baluska: „Wie Pflanzen kommunizieren" sowie unsere  Artikel: "Wenn Pflanzen um Hilfe rufen" und "Bienen als Pflanzenschützer"

  • GUERRA-SCHILLIG Ursula
    29.12.2009 18:27

    Finde Ihre Newsletter sehr sehr interessant
    gibt es sie auch auf französisch, so könnte
    sie mein Mann auch lesen, wenn nicht, macht nichts
    viele grüsse und ein schönes erfolgreiches Jahr 2010

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