Biodiversität ist die Grundlage für Terroirqualität
von Hans-Peter Schmidt
Das zentrale Prinzip der neuen Methoden qualitätsorientierten Weinbaus basiert auf der gezielten Förderung der Biodiversität. Dies jedoch erklärt sich nur indirekt aus der eher ästhetischen Vorgabe nach duftenden Blumen im Weinberg, sondern vor allem daraus, dass der Weinberg als ein Ökosystem begriffen wird, dessen flexible Balance erst durch die komplexe Vernetzung der hohen biologischen Vielfalt entsteht. Die Anwesenheit zahlreicher Schmetterlingsarten, Käfer, Wildbienen und Vögel gilt daher auch nur als sichtbarstes Zeichen dafür, dass das Gesamtsystem wieder in ein Gleichgewicht findet. Denn die Grundlage für ein stabiles Ökosystem im Weinbau wird durch die biologische Aktivierung des Bodenlebens gelegt. Die Biodiversität des Bodens ist der entscheidende Faktor für die Entfaltung des Terroirs und die Widerstandsfähigkeit der Rebe.
Das Bodenleben als Grundlage
Die Rebe ist keine Maschine, die NPK-Dünger in Traubensaft wandelt und dabei noch einige Spurenelemente aus totem Gestein zieht, sondern ein lebender Organismus, der sich nur in Symbiose mit zahlreichen anderen Organismen entfalten und behaupten kann. Die Energie, die eine Rebpflanze durch Photosynthese gewinnt, wird nicht nur für das Wachstum von Blättern, Früchten, Zweigen und Wurzeln aufgewendet, sondern zu etwa 30% für die Produktion von Wurzelexsudaten.
Mit diesen Wurzelexudaten versorgt eine ausgewachsene Rebe in gesundem Boden bis zu 5 Billionen Mikroorganismen (mehr als 50.000 Arten, vor allem Bakterien, Pilze, Protozoen, Nematoden), von denen sie im Tausch gegen Kohlenhydrate wichtige mineralische Nährstoffe, Wasser und Schutz vor Parasiten erhält. Wird dieses komplexe, höchst artenreiche Netzwerk von Mikroorganismen in der Rhizosphäre der Pflanzen durch Herbizide, Pestizide, Mineraldünger und ungeeignete Bodenbearbeitung zerstört oder nachhaltig geschwächt, gerät das gesamte biologische System der Rebe ins Ungleichgewicht. Die Folgen sind erhöhte Anfälligkeit gegenüber Parasiten und Pathogenen (z.B. Nematoden und Mehltau), geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen (insbesondere Wasserstress und Karenzen), sinkende Lebenserwartung (die durchschnittliche Lebenserwartung einer Rebe beträgt 100 Jahre!) sowie Verlust der aromatischen Vielfalt des Weines.
Charakteristische Terroirweine können nur dann entstehen, wenn den Rebwurzeln die symbiotische Vernetzung mit der vielfältigen Bodenfauna erhalten bleibt, so dass die Rebe sich ihr Nährstoffsystem und ihre Nährstoffvielfalt optimal organisieren kann.
Förderung der Biodiversität des Bodens
Die Rebe herrscht über die Mikrofauna ihrer Rhizosphäre wie über einen Kleinstaat. Damit sich dieser Kleinstaat jedoch herausbilden kann, müssen im gesamten Bodensystem die Voraussetzungen für einen stabilen Nährstoffzyklus gegeben sein. Regenwürmer, Arthropoden, Bakterien und Pilze brauchen zu ihrer Ernährung einen stetigen Nachschub organischer Materie (Blätter, Halme, Zweige, Äste, Wurzeln, Knochen, Exkremente, Fleisch, Exudate), die sie zersetzen, speichern und im Boden verteilen. Wo diese Nahrungsgrundlage fehlt, weil der Boden blank gespritzt, gepflügt, gebürstet, verdichtet und/oder abgewaschen ist, beginnt der Motor des Bodenlebens zu stottern.
Um die Bodenaktivität zu fördern, braucht es eine Vielfalt verschiedener Pflanzen, deren je unterschiedliche Inhaltsstoffe und Lebenszyklen den Boden das ganze Jahr über mit Nährstoffen versorgen und stimulieren. Aus diesem Grund sind neben der Hauptkulturpflanze (Rebe) zahlreiche Begleitpflanzen nötig, die nicht nur den Boden bedecken und oberflächlich schützen, sondern folgende weitere Funktionen ausüben:
- Humusaufbau
- Nährstoffverteilung sowie Bodendurchlüftung und Erosionsschutz durch Wurzeln, die in sämtliche Bodenhorizonte reichen
- Speicherung mineralischer Nährstoffe durch Symbiosen mit Bakterien und Mykorrhizen; Produktion pflanzenverfügbarer Düngemittel (vor allem Stickstoff und Phosphor)
- Produktion wichtiger sekundärer Pflanzenstoffe für ausgewogenen Bodengesundheit
- Erhöhung des Wasserspeichervermögens
- Abbau und Adsorption toxischer Bodenstoffe
- Förderung der Insektenvielfalt durch Blüten und Blätter
Entsprechend dieser Kriterien wurden am Ithaka Institut) verschiedene Saatmischungen je nach Bodentyp und Klima zusammengestellt und seit 7 Jahren in verschiedenen Weinbergen hinsichtlich ihrer Wirkungen auf Rebe, Wein und Ökosystem getestet. Die Saatmischungen sind aus je 40 bis 50 verschiedenen Pflanzenarten zusammengesetzt, wobei der jeweilige Hauptanteil aus Leguminosen verschiedener Wurzeltiefe und Wuchskraft besteht (Luzerne, Rotklee, Esparsette, Hornklee, Hopfenklee, Wicke, Platterbse). Detaillierte Informationen zu den Begrünungsmischungen finden Sie auf der Beratungsseite des Ithaka-Institut.
Bedeutung der Leguminosen für die Nährstoffversorgung der Reben
Dank des Einsatzes von Leguminosen, an deren Wurzeln sich stickstofffixierende Knöllchenbakterien ansiedeln, kann die gesamte Stickstoffversorgung der Reben abgedeckt werden. Bereits zwei Jahre nach der Aussaat stabilisiert sich der Stickstoffkreislauf auf einem Niveau, bei dem keine zusätzlichen Stickstoffdünger mehr benötigt werden (siehe: Begrünungspraxis im Weinbau: Ein Rückblick).
Leguminosen haben einen hohen Phosphorbedarf, der unter natürlichen Bedingungen nur durch Symbiosen mit Mykorrhizapilzen erfüllt werden kann. Durch ihre Exsudate stimulieren Leguminosen daher das Wachstum von Mykorrhizen, was wiederum den Reben zugute kommt, da sie mit den gleichen Mykorrhizaarten Symbiosen bilden und sich gewissermaßen an das gleiche Netz anschließen. Die Symbiose mit Mykorrhizen ermöglicht der Rebe, das Volumen ihrer Rhizosphäre zu verzehnfachen, wodurch sich die gesamte Nährstoff- und Wasserversorgung, der Schutz vor Pathogenen sowie die Bodenstabilität verbessern.
Die kräftigen, tief reichenden Leguminosewurzeln, die die Aktivität der Mikroorganismen weit in den Unterboden lenken, sorgen zudem für gute Durchlüftung und entsprechend aerobe Situationen, was in den Hauptzonen der Rebwurzeln die mikrobielle Aktivität stärkt und damit die Spezifität des Terroirs intensiver ausnutzt.
Das üppige Pflanzenwachstum der Leguminosen führt je nach Bodenart zu mehr oder weniger starkem Humusaufbau. Da durch diese Begrünungsart zudem die Wasserspeicherfähigkeit der Böden wächst, können die Winter- und Frühjahrsniederschläge effizienter genutzt werden, so dass sich trotz der Wasserkonkurrenz zwischen Reben und Begrünung die Wasserbilanz für die Rebe selbst in trockenen Sommern verbessern kann.
Während Spontanbegrünung, wie sie im Bioweinbau vor allem verbreitet ist, nachweislich zu erheblicher Nährstoff- und Wasserkonkurrenz führt, konnte in den Saatversuchen eindrücklich unter Beweis gestellt werden, dass bei Einsaaten nach obigen Kriterien eine dauerhafte, autonome Nährstoffversorgung des Rebberges garantiert wird. Boden- und Blattanalysen, Fertilitäts- und Biomassemessungen haben gezeigt, dass sich die Wuchskraft der Rebe selbst nach 5 Jahren ohne jeden zusätzlichen Dünger auf hohem Niveau stabilisiert, die Krankheitsanfälligkeit gesunken ist und die Traubenqualität sich deutlich verbessert (Niggli C et al. 2011).
In niederschlagsreichen Weinbaugebieten kann die Wasser- und Nährstoffkonkurrenz durch Spontanbegrünung zwar ausgeglichen werden, doch wäre auch hier eine vielfältigere und tiefere Durchwurzelung von Vorteil, um die für die Rebe entscheidenden tieferen Bodenhorizonte zu oxigenieren und mikrobiologisch zu aktivieren. Für humusreiche, fette Böden mit hohen Niederschlägen wird der Leguminoseanteil der Begrünungsmischung zugunsten eines höheren Anteils an Getreide- und Nektarpflanzen reduziert.
Pflanzenvielfalt als Indikator gesunder Böden
Die Leguminosen, die für die Nährstoffversorgung der Reben von entscheidender Bedeutung sind, machen allerdings nur rund Dreiviertel der Saatmischungen aus. Das verbleibende Viertel setzt sich aus je 30 bis 40 Nektarblütenpflanzen zusammen, die zum einen Schmetterlinge, Bienen, Käfer und andere Insekten anziehen, zum anderen aber die Bodenvielfalt durch sekundäre Pflanzenstoffe bereichern. Dank dieser vielfältigen Saatmischungen gesunden selbst jahrzehntelang mit RoundUp gespritzte Böden erstaunlich schnell. Auf dem Weinberg des Ithaka-Instituts konnten schon 4 Jahre nach der Aussaat wieder mehr als 150 Wildpflanzenarten zwischen den Reben gezählt werden. In den Vergleichsflächen, auf denen zwar die Herbizidspritzungen eingestellt wurden, aber keine Aussaat eingebracht wurde, konnten lediglich 28 Wildpflanzenarten mit hohem Grasanteil nachgewiesen werden.
Eine artenreiche Begrünung hat nicht nur positive Effekte auf das Bodenleben, sondern fördert auch die Biodiversität oberhalb des Bodens. Schätzungen zufolge bietet jede Pflanzenart Lebensgrundlage für 10-20 Tierarten (4). Gerade die Vielfalt an Arthropoden steigt in Korrelation mit der botanischen Vielfalt schnell an, da viele Gruppen geflügelt und deshalb sehr mobil sind, so dass eine aufgewertete Fläche entsprechend schnell besiedelt wird.
Je mehr verschiedene Arten und funktionelle Gruppen (Primärproduzenten, Parasiten, Zersetzer…) in einem Agrarökosystem leben, desto geringer ist die Gefahr, dass sich Schädlinge ungebremst ausbreiten können. Potentielle Pathogene werden durch natürliche Gegenspieler und Konkurrenten um Nahrung und Lebensraum in ihrer Ausbreitung behindert. Dadurch kann der Einsatz von Pestiziden bereits mittelfristig reduziert werden. Wie erfolgreich solche Biodiversifizierungsmaßnahmen im Weinberg sind, hängt allerdings in besonderem Maße auch vom natürlichen Umfeld des Weinberges ab (Vorhandensein von Quellpopulationen usw.).
Begrünungsmanagement
Für jeden Weinberg werden je vier verschiedene Saatmischungen bereitgestellt. Im Unterstockbereich jeweils 50 cm zur Zeilenmitte werden niedrig wachsende Pflanzen (max. Wuchhöhe 20 cm) gesät. Im Mittelstreifen, wo sie die Arbeit im Weinberg nicht beeinträchtigen, werden höher wachsende und tiefer wurzelnde Leguminosen und Nektarblütenpflanzen ausgebracht. Durch diese Sandwich-Saat kann die Begrünung ganzjährig wachsen und muss nur einmal pro Jahr gemäht werden, um eventuelle Verbuschung zu verhindern. Im Falle hoher Sommertrockenheit kann die Mittelbegrünung mit einem Rolojack gewalzt werden. Die Halme der Begrünung werden dabei nicht abgeschnitten, sondern lediglich gebrochen. So entsteht ein nur langsam verrottender Mulch, der den Boden vor Verdunstung schützt und zugleich das Aufkeimen neuer Saaten verhindert (Rolojack: Der Schlüssel zu gezielter Begrünung). In nicht mechanisierten Steillagen kann alternativ auch nur die niedrig wachsende Unterstocksaat ganzflächig ausgebracht werden. Die dritte Saatmischung setzt sich hauptsächlich aus Nektarblumen zusammen, die an Saumzonen und kleineren Hotspots ausgesät wird.
Die vierte Saatmischung, die für jeden Weinberg bereit gehalten werden sollte, ist die Mischung für eine im September oder Oktober auszusäende Winterbegrünung. Die Winterbegrünung sorgt gerade in trockenen Lagen für eine optimale Ausnutzung der Winterniederschläge, um nicht nur den Boden vor Erosion zu schützen, sondern vor allem, um während der Vegetationsruhe der Reben für die Mobilisierung aller nötigen Nährstoffe für die Rebe zu sorgen. Durch die Aussaat der einjährigen Winterbegrünungsmischung wird zudem eine natürliche Möglichkeit geschaffen, mehrjährige Dauerbegrünungen zu schwächen und auszuwechseln. Wird die Winterbegrünung rechtzeitig zwischen Mai und Juni gewalzt, entsteht eine hervorragende Lebendmulch-Schicht, die den Boden des Weinbergs über den ganzen Sommer schützt.
Begrünung und Weinqualität
In einer Metastudie (Flügel I 2007) haben sich bezüglich Begrünung im Weinbau praktisch nur positive Effekte im Hinblick auf eine Verringerung des Befalls der Reben mit Pathogenen gezeigt. Die Rebgesundheit kann also offenbar gefördert und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden, was sich auch auf die Traubenqualität auswirkt.
Weinreben können bei verringertem Schädlingsdruck durch verbleibende Pathogene stimuliert werden, ihr Immunsystem nach und nach zu verbessern. Dies erlaubt weitere Reduktionen der Pflanzenspritzungen, was im Optimalfall zu einem sich selbst verstärkenden positiven Regelkreislauf führt. Ein stimuliertes, verbessertes Immunsystem führt zu einer vermehrten Produktion von sekundären Pflanzenstoffen, was sich positiv auf die Trauben- und Weinqualität auswirkt.
In reichen Weinbergsböden kann mithilfe ausgewählter Begrünungsstrategien eine gesunde Konkurrenz etabliert werden, welche die Erträge reguliert und die Traubenqualität erhöht. Eine gezielte, gemäßigte Mangelsituation zwingt die Weinreben zur Ausbildung von Partnerschaften mit Bodenmikroorganismen wie Mykorrhiza-Pilzen oder Rhizobakterien, mithilfe derer die Verfügbarkeit von energiereichen Nährstoffen erhöht werden kann. Dies führt zu einer autonomen, und bei erfolgreicher Balance zwischen mäßigem Stress und verbesserter Bodenfruchtbarkeit, auch ausgewogenen Ernährung, wovon die Traubenqualität profitiert.
Stabilisierung des Ökosystems durch Pflanzen und Insektenvielfalt
Gleichwohl die Biodiversitätsförderung mit der Reaktivierung der Böden beginnt (90% aller Tierarten leben im Boden, und in einem Gramm gesunden Bodens gibt es bis zu 1 Milliarde Mikroorganismen bei bis zu 60 000 Arten), besteht das Bodenleben natürlich nicht losgelöst von der sichtbaren Lebensvielfalt oberhalb des Bodens.
Pflanzen sind das Bindeglied zwischen den Habitaten unter und über der Erdoberfläche. Damit sie diese verbindende Funktion wirksam und nachhaltig ausüben können, knüpfen sie ebenso wie im dunklen Wurzelreich auch im Licht vielfältige Partnerschaften mit ihrer natürlichen Umgebung. So wie sie zur Bestäubung die Hilfe von Wind oder Insekten benötigen, brauchen sie zur Verteidigung gegen ihre natürlichen Feinde die Partnerschaften mit Nützlingen. Je größer die Pflanzenvielfalt ist, desto größer ist auch die Vielfalt der angelockten Insekten, Vögel, Reptilien usw., die sich durch Konkurrenz gegenseitig regulieren. Wird jedoch wie im Falle von Monokulturen die pflanzliche Vielfalt zerstört, findet zugleich eine Negativselektion von Bakterien, Pilzen, Insekten usw. statt. In Monokulturen finden nur diejenigen Tierarten noch ihren Lebensraum, die auf der einen verbliebenen Kulturpflanze ihre Nahrungsgrundlage finden. Da ihre natürlichen Feinde aufgrund der einseitige Förderung der Kulturpflanze keine Lebensgrundlage mehr haben, können sich die wenigen, an die Monokultur angepassten Tierarten ungehindert vermehren und sich erst dadurch tatsächlich zu Schädlingen und zur Massenplage auswachsen. Pestizid- und Insektizidspritzungen helfen nur kurzfristig, da sie die Negativselektion noch verstärken, so dass immer neue und höher dosierte Mittel eingesetzt werden müssen.
Weitere Maßnahmen zur Biodiversifizierung im Weinberg
Durch hohe Biodiversität im Weinberg wird nicht nur der Schädlingsbefall infolge von Förderung natürlicher Antagonisten eingedämmt, sondern auch die Eigenabwehr der Reben gestärkt. Neben Einsaat und Pflege artenvielfältiger Begrünung zwischen den Reben umfasst die Charta für Biodiversität im Weinberg folgende weitere Maßnahmen:
- Anpflanzung von Sträuchern an den jeweiligen Zeilenenden, wo sie die Arbeitsabläufe kaum beeinträchtigen. Kriterien für die Auswahl der Straucharten sind ihre Anziehungskraft für Schmetterlinge und andere Insekten, Nistplatzmöglichkeiten, Wurzelsymbiosen, Nutzung der Früchte. Es werden bevorzugt einheimische Arten eingesetzt.
- Pflanzung von Hecken als Zwischenlinie in den Reben. Je nach lokalen Gegebenheiten mindestens 2 x 20m geschlossene Hecken pro Hektar. Hecken gelten als biologische Hotspots und eignen sich als Korridore zur Vernetzung ökologischer Flächen. Als natürliches Hindernis bremsen sie die Ausbreitung von Schadpilzen.
- Pflanzung von Obstbäumen zur Aufbesserung der vertikalen Diversität. Bäume inmitten einer niederwüchsigen und kaum strukturierten Kulturfläche haben sowohl für Vögel als auch Insekten und andere Tiergruppen eine enorm hohe Anziehungskraft und fördern dauerhaft die Wiederbesiedlung des ökologischen Habitats. Zudem fungieren solche einzeln in den Luftplankton ragende Bäume geradezu als Sporenfänger, von wo aus sich Hefen und andere Pilze im Weinberg ausbreiten können (Vielfalt natürlicher Hefen, Konkurrenz für Schadpilze). Pro Hektar sollte mindestens ein Baum inmitten der Reben und mehrere kleinere an günstigen NE-NW Rändern gepflanzt werden. Von keiner Stelle im Weinberg sollte der Abstand zum nächstgelegenen Baum mehr als 50m betragen. Ein möglicher Minderertag an Trauben wird durch das geerntete Obst deutlich ausgeglichen.
- Anlage artenreicher Ausgleichsflächen von mindestens 50 m2 pro Hektar als Diversitäts-Hotspots sowohl innerhalb als auch an den Rändern der Rebparzellen, wo Aromakräuter und Wildblumen wachsen.
- Einrichtung von Strukturelementen wie Stein- und Holzhaufen für Reptilien und Insekten. Installation von Nisthilfen für Wildbienen, Insekten, Vögel. Die Nisthilfen können in die Pfosten der Palisage integriert werden. Sitzstangen für Raubvögel zur Reduktion von Nagetieren.
- Anstatt alte Weinberge zu roden und komplett neu zu bepflanzen, werden überalterte Weinstöcke jeweils einzeln ersetzt, wobei die Jungpflanzen durch massale Selektion aus dem Weinberg selbst ausgewählt und auf angepasste Wurzelunterlagen direkt vor Ort gepfropft werden. Auf diese Weise wird über mehrere Generationen eine perfekt an das Terroir angepasste Sortenwahl vorgenommen. Die damit erzielte genetische Vielfalt verringert den Infektionsdruck durch Schädlinge, die Weinqualität steigt und auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber den herrschenden Bedingungen nimmt zu.
Ökonomische Vorteile der Biodiversität
Bei intelligentem Einsatz der Ressourcen und Stoffströme können Weinbau und Landwirtschaft, ohne an Produktivität zu verlieren, einen entscheidenden Beitrag zum Schutz von Umwelt, Klima und Biodiversität leisten. Als das selbst für Laien sichtbarste Zeichen, dass sich das Ökosystem Weinberg wieder zu harmonisieren beginnt, gilt die Anzahl an Schmetterlingsarten. Während vor 8 Jahren, als die Weinberge des Ithaka Institutes in der oben beschriebenen Weise umgestellt wurden, lediglich 2 Schmetterlingsarten zu finden waren, wurden 2010 bereits über 60 Arten gezählt. Für die Winzer mögen allerdings zunächst folgende Argumente wichtiger zu sein:
- Die Krankheitsresistenz der Reben hat sich in den letzten 8 Jahren deutlich verbessert, so dass nicht nur auf den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel, sondern vermehrt auch auf die biologisch zugelassenen Pestizide wie Schwefel und Kupfer verzichtet werden kann.
- Obwohl keine Düngemittel und Herbizide mehr ausgebracht wurden, hat sich die Wuchskraft der Reben auf hohem Niveau stabilisiert.
- Höhere Aromenvielfalt und Finesse der Weine wurde bei Verkostungen bestätigt.
- Die Kosten für den etwas höheren Arbeitsaufwand werden durch Einsparungen für Dünge- und Pflanzenschutzmittel ausgeglichen (Kosten für Pflanzenschutzmittel und Dünger: 150 Eur / ha).
- Die Motivation der Arbeiter, in einem solchen Weinberg in Biodiversität tätig zu sein, steigert ihre Effizienz und Verantwortlichkeit.
- Die ästhetische und ökologische Qualität der Weinberge lässt sich beim Kunden als gewichtiges Marketingargument geltend machen.
Und schließlich entdeckt der Winzer wieder den Stolz seines Metiers, in Partnerschaft mit der Natur überwältigende natürliche Terroirweine zu kreieren.
Kühne Margrit
26.05.2013 07:48
Da mich biologische Zusammenhänge schon immer interessiert haben las ich mit Freude Ihren Artikel über die Arbeit in Ihrem Institut.Aus meiner Kindheit kenne ich die Landwirtschaft ein wenig, und mein Erst-Beruf (Floristin)haben mich immer wieder animiert mich mit ökologischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Ich finde es sehr lehrreich und ermutigend dass bei Ithaka geforscht und ausprobiert wird, dass eine andere Landwirtschaft möglich ist. Ich denke dass das auch für andere Landwirtschaftsprodukte möglich ist. Ich finde es wichtig dass Sie Ihre Resultate öffentlich machen damit Sie vielleicht auch öffentliche Mittel für Ihre Forschung bekommen. Das könnte die gesellschaftliche Anerkennung fördern.
Stefan Schmid
13.06.2013 13:45
Lieber Herr Schmidt, Frank John hat mir von einem neuen Direktsaatgerät berichtet. Auf www.rolofaca.fr können Sie Infos und Bilder abrufen. Liebe Grüße aus Pillichsdorf im Weinviertel
Dietiker Rolf
07.07.2013 18:19
Liebe Delinat Leute
Ich habe seit 1996 einen kleinen Rebberg hier in Bülach und arbeite nach streng biologischen Richtlinien. Die Beiträge in der "Weinlese" sind sehr interessant und für mich z.T. lehrreich.
Was mich nun interessiert - hat Delinat sich irgendwie schon mit EM (effektive Miroorganismen) befasst, oder gibt es einen Winzer der für Delinat damit arbeitet?
Gerne erwarte ich ihre Antwort und grüsse herzlich - Rolf Dietiker
hps
10.07.2013 08:13
Wir verwenden EM hauptsächlich zur Konservierung organischer Nährstoffe und Düngerherstellung (Bokashi), teilweise nutzen wir EM-A auch als Zugabe zur Tröpfchenbewässerung für Gemüse und Rebjungpflanzen. Wir haben EM-A auch für Pflanzenschutzspritzungen im Rebbau verwendet, aber keine direkte Wirkung festestellen können.
Michael Richter
10.11.2013 10:09
Hallo
Ich wohne bei Landau in Rheinland Pfalz. Da ich mehr auf Qualität als Quantität lege, ist es mir wichtig die Umwelt sprich den Boden zu schonen.
In unsere Weinbergsböden bestehen aus einem mittlerem
Lehmboden.
Zur Zeit ist jede 2,Gasse begrünt. Diesen Herbst habe ich
in die offene Gassen Raps und Quicke eingesät.
Ich plane im Frühjahr eine Einsaat von Leguminosen und blühende Pflanzen um auf eine Düngung zu verzichten.
Welche Mischung können sie mir empfehlen!
In manchen Lagen habe ich Sand-Kalkböden und andere Lagen
sind lehmboden.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Richter
hps
10.11.2013 12:48
Die Mythopia Mischungen für Mitteleuropa würden sich gut für Ihren Standort eignen. Sie finden Sie bei : http://www.camena-samen.de
Wolfgang Brandstätter
10.11.2013 17:17
Hallo Hr. Schmidt,
ich übernehme einen seit 10 Jahren stillgelegten und unbestockten kleinen Weingarten (0,5ha) am Neusiedlersee im Leithagebirge und möchte 2015 auspflanzen und ihn meiner Freizeit nach Ihren Leitlinien bewirtschaften. Es ist eine Hanglagen, eher trocken (500 mm Niederschlag) kalkhältig und teilweise unterversorgt (Kali, P). Derzeit mit einer dichten Grasdecke bedeckt. Bin etwas ratlos wie ich im Frühjahr 2014 nun an die Sache herangehe und den Boden optimal vorbereite. Würden Sie empfehlen die Grasdecke zu entfernen, aufzulockern und begrünen? Bodenuntersuchung empfiehlt relativ hohe Nährstoffzugaben von Kalium (bis zu 500 kg/ha) und Phosphor (bis zu 300 kg). In welcher Form und wann sollte ich diese aufbringen? Bin Ihnen für jede Empfehlung dankbar, auch wenn mir jemanden zur Beratung in Ostösterreich empfehlen könnte bin ich sehr dankbar.
Herzliche Grüsse
Wolfgang Brandstätter
Kruft Achim
20.08.2014 09:26
Hallo Hans-Peter, derzeit ist bei uns an der Mosel die Kirschessigfliege in aller Munde ! In der Pfalz gab es schon Schäden an Trauben Himbeeren und Kirschen ! Gestern wurde ich noch gefragt was wir dann in der Hinterhand hätten, ausser "Spin-Tor" (bienengefährlich) zu spritzen. Da habe ich gesagt Insektenvielfalt durch Pflanzenvielfalt, da wären dann genug Gegenspieler auf dem Platz. Ich hoffe nur, daß das wirklich hinhaut. Was haltet Ihr davon ? Liebe Grüsse Achim Kruft vom veldenzerhof.de
hps
21.08.2014 01:38
Theoretisch ist das natürlich so und die massenhafte Vermehrung der Essigfliege ist ein Zeichen dafür, dass das Ökosystem unter massivem "Monokulturdruck" steht. Allerdings ist es schwer, in einer Biodiversitätsinsel in der Kulturwüste die biologische Komplexität aufzubauen, die genügend Gegenspieler gegen jede Invasion aufbaut. Insektenvielfalt durch Pflanzenvielfalt wird helfen, aber im Zweifelsfall nicht retten, wenn nicht genügend in der Gegend mitmachen.
AFR
11.11.2014 10:04
Hallo Zusammen hier im Forum,
ich bin aus Kombination aus EM und Kirschessigfliege auf dieses Forum gestoßen.
Wir hatten in unseren Tafeltrauben große Probleme mit der Kirschessigfliege. Als wir es relativ spät bemerkt haben habe ich 2 Einsätze mit EM5 und EMA gefahren. Ich hatte schon das Gefühl daß der Befall kurzzeitig nicht weiter gegangen ist, aber ich war einfach zu spät. Alz Tafeltrauben war da nichts mehr zu brauchen.
Inzwischen bin ich entsetzt auf welcher Basis sich die Winzerschaft über die Fliege als neuen Erzfeind Nr.1 Gedanken macht und ich fühle mich 70 Jahre zurück versetzt. Jedes Mittel und jeder bescheuerte Heckenschnitt und Herbizideinsatz wird mit der Bekämpfung der Kirschessigfliege begründet.
In Japan, wo die Fliege her kommt gibt es auch viele Kirschen und andere Beerenfrüchte. Von dort kommt auch das original EM. Es gibt bestimmt schon ökologische Möglichkeiten die Population der Fliege durch indirekte Maßnahmen oder EM zu steuern.
Ich suche einen Biologen der Japanisch spricht und Lust hat mal zu recherchieren. Kann mir hier jemand dabei helfen?