Biokohle für Entwicklungsländer
von Lukas Bühler & Hans-Peter Schmidt
Kleinbauern ernähren 50% der Weltbevölkerung
Im Jahr 2000 hat die UN-Generalversammlung acht Entwicklungsziele für das neue Jahrtausend erstellt und deren Umsetzung bis zum Jahre 2015 beschlossen. Dazu gehören die Verminderung der extremen Armut und des Hungers ebenso wie die Förderung eines nachhaltigen Umgangs mit Umweltressourcen. Am 22. September 2010 sind die Vertreter der Staaten wieder zusammengekommen, um sich über das weitere Vorgehen zu beraten. Hervorgehoben wurde dabei die enorme Bedeutung der Kleinbauern, die trotz geringer Förderung und oft misslichen Lebensumstände für die Hälfte der weltweiten Getreideproduktion verantwortlich sind.
Leider ist die Weltgemeinschaft weit davon entfernt, die sich selbst vorgegebenen Ziele zu erreichen. Laut der Welternährungsorganisation FAO hat die Zahl der Hungernden auf heute 925 Millionen Menschen zugenommen. Zusätzlich leidet eine weitere Milliarde Menschen an Mangelernährung, sogenannten stillen Hunger. Durch einen Mangel an Vitaminen und Mineralien leiden vor allem Kinder in ihrer Entwicklung. Die Verbesserung der Produktionsbedingungen wie auch der Lagerbedingungen (heute gehen bis zu 40% der Ernten auf dem Weg vom Acker in die Küche verloren) ist von größter Wichtigkeit.Humuswirtschaft mit Biokohle
Auf Seiten der Produktionsbedingungen liegt ein besonders hohes Potential in der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit durch die Förderung nachhaltiger Humuswirtschaft. Die kleinbäuerlichen Strukturen eignen sich aufgrund des ohnehin relativ geringen Mechanisierungsgrades sowie der fehlenden Mittel für handelsübliche Dünger besonders gut zur Umstellung auf Humuswirtschaft. Mischkulturen, Gründüngung, ständige Bodenbedeckung durch Mulchschichten oder Stroh, und vor allem die Verwendung von Kompost aus sämtlichen biologischen Reststoffen, sind Basis einer nachhaltigen Humuswirtschaft und geschlossener Stoffkreisläufe.
Sowohl historische Beispiele als auch aktuelle Forschungsresultate zeigen, dass Biokohle zu einem höchst effizienten Katalysator der Humuswirtschaft werden kann und insbesondere auf den nährstoffarmen Böden der Tropen die Fruchtbarkeit und damit die Ernten deutlich zu steigern vermag. In zahlreichen Projekten in Afrika (siehe hier) konnte die Ernte durch Zusatz von Biokohle oft mehr als verdoppelt werden, ohne dabei auf teure Mineraldünger zurückgreifen zu müssen.
Damit Kleinbauern kostengünstigen Zugang zu Biokohle erhalten, muss diese direkt vor Ort in unmittelbarer Nähe der Felder und mit den dort anfallenden Biomassen hergestellt werden. Dazu braucht es mobile Kleinanlagen, wie sie z.B. von der schweizerischen NGO Abokobi entwickelt werden.
Kleinbauern in Ghana
Die meisten Kleinbauern in Ghana sind Selbstversorger. Die Erntemengen ihrer kleinen Ackerflächen sind so gering, dass sie kaum einen Überschuss erwirtschaften und ihre Familien während der sieben bis acht Monate dauernden Trockenzeit nur mühsam ernähren können. Nur wenn es ihnen gelingt, die Erträge ihrer Ackerflächen zu erhöhen, können sie einige ihrer Produkte auf den lokalen Märkten verkaufen und sich so ein kleines Einkommen verschaffen. Denn ohne Einkommen sind sie der Möglichkeit beraubt, notwendige Investitionen zu tätigen oder sich gegen unvorhersehbare Ernteeinbußen abzusichern. Momentan genügt schon ein schlechtes Jahr mit zu kleiner Ernte, um den Bauern ihre Existenzgrundlage zu entziehen und ihre Familien in Hunger und Elend zu stürzen. Ihre Situation ist hoffnungslos, und ohne äußere Hilfe sind sie kaum in der Lage, diese zu verbessern.
Abokobi in Ghana
Abokobi Society Switzerland (ASS), eine NGO mit Sitz in Zollikon bei Zürich, versucht gemeinsam mit lokalen Partnern im ländlichen Ghana, die Kleinbauern mit einer einmaligen und nachhaltigen Hilfe zu unterstützen.
Durch Steigerung der Flächenerträge soll ein minimales Einkommen ermöglicht werden, um den Kreislauf der Armut zu durchbrechen und eine Chance auf eine weitere Entwicklung zu eröffnen. Durch Bewässerungsprojekte sollen anstelle einer einzigen Ernte pro Jahr deren zwei bis drei ermöglicht und durch den Einsatz von Biokohle die Fruchtbarkeit der Böden dauerhaft verbessert werden.
Biokohle in Ghana
Felix Jenny ist bei ASS Projektleiter für Biokohle. In ersten Feldversuchen wird seit 2009 abgeklärt, welche Böden und welche Biokohlezusätze in verschiedenen Gebieten Ghanas geeignet sind, um die Ernteerträge rasch und markant zu steigern. Die in den Versuchen in Süd- und in Nordghana verwendete Biokohle wurde von traditionellen Köhlern bezogen.
Bei der in Ghana weit verbreiteten Holzkohleherstellung in traditionellen Meilern fällt zwischen 10-20% Holzkohlestaub an. Dieses Restprodukt besitzt ein hohes Potential zur Bodenverbesserung. Doch während die Bodenbehandlung mit Biokohle im Norden eine bis zu 50%igen Ertragssteigerungen pro m2 bewirkte, konnten im Süden mit ähnlichem Biokohletyp zunächst keine signifikanten Ertragssteigerungen beobachtet werden. Zurzeit werden in einem ghanaischen Labor Bodenproben der beiden Versuchsstandorte ausgewertet, um besser zu verstehen, warum die Ernten bisher nur an dem nördlichen Versuchsstandort so stark und so schnell gesteigert werden konnten.
Biokohleproduktion mit mobilen Köhleröfen
Da bei der traditionellen Holzkohleherstellung die Umwelt durch giftige Schwelgase geschädigt wird und zu Abholzungen der Regenwälder führt (siehe hier), sind neue Lösungen zur Herstellung von Biokohle für Kleinbauern notwendig. Anstatt den Holzkohlestaub über große Distanzen zu den Feldern der Kleinbauern zu transportieren, soll daher die Biokohle künftig mit mobilen Köhleröfen direkt bei den Dörfern aus der dort anfallenden Biomasse erzeugt werden.
Insofern die Bodenbehandlung mit Biokohle nur ein einziges Mal erfolgen muss, und die Kleinbauern ohnehin keine Investitionsmöglichkeiten haben, um sich solche Anlagen selbst zu kaufen, will Abokobi den Kleinbauern die Verkohlung ihrer Biomasse mit lokal gefertigten Biokohleöfen als Dienstleistung anbieten.
Der Abokobi-Biokohleofen
Aus dieser Zielsetzung heraus hat ASS in der Schweiz den Prototyp eines mobilen Köhlerofens entwickelt. Er ist aus Materialien aufgebaut, die auch in Ghana leicht erhältlich sind (z.B. alte Ölfässer). Der Köhlerofen muss technisch einfach konzipiert sein und daher keine beweglichen Teile (wie z.B. Motoren) aufweisen. Er darf keinen elektrischen Strom benötigen, muss einfach zu bedienen sein und sich gegenüber Fehlbedienungen unempfindlich zeigen. Unter Mithilfe der Fachhochschule Rapperswil (UMTEC) und des Fachvereins der Hafner (VHP) wurde die Grundauslegung der Ofenkonstruktion konzipiert. Im Wesentlichen hat man sich auf einen Köhlerofen geeinigt, der auf dem Zwei-Kammern-Prinzip basiert und nicht kontinuierlich, sondern im sogenannten Batchverfahren betrieben wird. In der umhüllenden äußeren Kammer zirkuliert die Wärme, mit der die Biomasse in den sieben inneren Schwelkammern erhitzt wird.
Innenansicht des Pyrolysators von Abokobi mit sieben Verschwelrohren
Die sieben inneren Kammern können mit verschiedensten Biomassen, die am Feldrand, im Stall oder im Haus anfallen, befüllt werden, um dann unter Sauerstoffabschluss auf über 400°C erhitzt und verkohlt zu werden. Die während der Verkohlung entweichenden brennbaren Gase werden in die äussere Kammer geleitet, wo sie verbrennen und so die hohen Temperaturen in den Kammern aufrecht halten. Im Vergleich zur traditionellen Köhlerei entstehen lediglich niedrige und ungefährliche Abgasmengen.
Die im Juni 2010 durchgeführten Verkohlungsversuche haben die vorgegebenen Zielsetzungen erreicht. Mit zwei Arbeitskräften können in 8 Stunden etwa 120 kg Biokohle erzeugt werden. Diese Tagesmenge erlaubt die Versorgung von ca. 100–150 m2 Ackerfläche.
Ausblick
Zurzeit wird ein Finanzierungskonzept für den Nachbau und die Produktion der mobilen Öfen in Ghana aufgestellt. Zeitgleich werden vor Ort die Versuche intensiviert, um die optimalen Bedingungen für Biokohle, Boden, Kulturpflanze und Humuswirtschaft herauszufinden. Bis zur Fertigstellung der ersten Öfen in Ghana werden die Feldversuche weiterhin mit Kohlenstaub der traditionellen Köhlereien durchgeführt.
weitere Informationen über das Projekt finden Sie direkt bei Abokobi (hier)
django
14.10.2010 11:40
genial und praktisch. ich hoffe das klappt alles in nicht allzuferner zukunft
ralf wagner
15.10.2010 17:51
Guten Tag,
wir arbeiten im Sueden Brasiliens im Umweltbereich
und wuerden gerne eine Versuchsanlage zur Biokohle -Herstellung bauen.Gibt es vom ABOKOBI einen Bauplan?
Mit freundlichen Gruessen
Ralf Wagner
Felix Jenny
24.10.2010 11:37
Hallo Ralf
Es gibt z.Zt. keinen Bauplan, denn der mobile Köhlerofen soll mit in jedem Land spezifisch und günstig verfügbaren Materialien gebaut werden, wie z.B. die von uns verwendeten Ölfässer. Das Prinzip erkennst Du jedoch sehr gut aus den Fotos im Ithaka-Artikel. Du kannst mich unter fjenny@gmx.ch erreichen.
Mit Gruss
Felix
Jochen Binikowski
26.10.2010 11:54
Der Meiler sieht richtig schick aus, da können wir hier auf den Philippinen nicht mithalten. Da wir leider keine schweizer Fachhochschule und Haffnervereinigung zur Hand hatten und nur ein Budget von ca. 100 EURO zur Verfügung stand, mußte improvisiert werden. Mein Schwager Elmer ist gelernter Bauingenieur, der hat einige Stunden im Internet recherchiert und u.a. das hier gefunden:
http://www.youtube.com/watch?v=aQrklYWuwz0
Zwei Tage später war dann unsere Versuchsanlage fertig, komplett aus Teilen vom Schrottplatz, und hat mehrere Testläufe erfolgreich absolviert. Kostenpunkt ca. 70 EURO für Material, Lohn und Schweißgerät-Strom.
Insgesamt haben wir 3 Methoden zur Herstellung von Holzkohlepulver erfolgreich getestet:
http://www.buddel.de/kft/terra_preta.htm
Natürlich gibt es noch ausgeklügeltere Techniken, das Internet ist voll von Bauplänen, Videos usw. Einfach nach charcoal, drum, retort, biochar usw. suchen.
Thomas Kremer
28.11.2010 10:47
Hallo @all,
wir, die Bewohner von Finca Bayano in Panama, möchten auch Biokohle in unserer zukünftigen Permakultur verwenden. Da auf unserem Gelände auch eine Schlosserei entstehen wird, würden wir dort auch sehr gerne diese Geräte herstellen. Wir möchten es nicht nur selbst nutzen,sondern wir möchten das "Gewusst-Wie" auch den einheimischen Kleinbauern zugänglich machen.
Für uns ist es ganz wichtig, mit den Panameños, eine im wahrsten Sinne des Wortes, fruchtbare Kooperation zu bilden.
Ein sehr gutes Beispiel bietet bereits die "Finca de los Perezosos / Villa der Faultiere".
http://organicopanamapermacultura.yolasite.com/
John Douglas leistet hier tolle Arbeit.
Seine Präsentation in der Schule,
http://www.youtube.com/watch?v=7ovYQNQHBHk&feature=related
finde ich überzeugend! =)
Dieses möchten wir unterstützen und ergänzen.
Unsere Fortschritte würde ich hier gern in unregelmäßigen Abständen vorstellen.
Viele Grüße in die Runde
Thomas Kremer
PS:Felix,dürfte ich mich auch bei Dir melden,zwecks Bauplan?
Friedrich Georg
03.12.2010 23:32
In vielen Entwicklungsländern stehen aktive Vulkane, in deren Umfeld besonders fruchtbare Zonen liegen. Ich habe mich gerade in Java davon überzeugen können. Es dürfte also Sinn machen, Vulkanasche bzw. kleinkörnige Vulkansteine in die Böden entfernterer Landwirtschafts-flächen einzuarbeiten, um die Erträge zu verbessern.
Das erspart die teure Pyrolyse von Biomasse vor Ort und sollte deshalb auf optimales Mischungsverhältnis und Wirkung bei verschiedenen Pflanzen untersucht werden.
Wolfgang Schindler
03.08.2012 15:38
Hallo
Ich beabsichtige die Verkohlung kleiner Mengen von holzigen Materialien und könnte mir vorstellen das dies nach der 90-9-1 Theorie auch für andere Leser von Interesse ist.
Bevor ich aber nun versuche nur aufgrund der Abbildung ein Teil ähnlich dem Abokobi-Biokohleofen zusammenzuzimmern bzw. einen Eigenbau-Pyrokocher zu modifizieren, möchte ich den aktuellen Stand der Technik (für Kleinmengen!) und insbesondere die praktischen Erfahrungen bei deren Einsatz nachfragen.
Um von vornherein Diskussionen zu vermeiden, es geht hier um die Verwertung/Veredelung von
Kleingartenreststoffen die zum Verbrennen zu Schade sind und deren Vorbereitung zur Kompostierung mittels 2KW Motorhäcksler ein wenig sinnvolles Aufwand/Nutzen Verhältnis haben.
In der Hoffnung eines regen Erfahrungsaustausches und das patentrechtliche Probleme der Verbreitung dieser Technologie nicht im Wege stehen.